In unserer lautsprachlichen Welt ist Kommunikation stark auf das Hören angewiesen. Normalhörende Kinder sammeln in ihren ersten Lebensjahren Hörerfahrungen, die ihre sprachliche Entwicklung unterstützen. Früh ertaubten oder von Geburt an gehörlosen Kindern fehlt diese Möglichkeit bis zur Cochlea-Implantation. Ein Cochlea-Implantat (CI) ist eine Innenohrprothese, die geschädigte sensorische Haarzellen ersetzt und das Hören ermöglicht, wenn der Hörnerv intakt ist. Nach der Implantation beginnen CI-tragende Kinder ohne relevante Hörerfahrung mit der lautsprachlichen Entwicklung und müssen zu gleichaltrigen normalhörenden Kindern aufschließen. Die CI-Funktionen werden in mehreren Sitzungen an die Wahrnehmung der Person angepasst, doch das CI überträgt die Tonwelt nicht so exakt wie ein intaktes Gehör, was die auditive Umgebungswahrnehmung von CI-tragenden Kindern erschwert. Erwachsene CI-Nutzer können bei der Anpassung verbal kommunizieren, Kleinkinder oder Säuglinge jedoch nicht, weshalb ihre Hörwelt weitgehend unbekannt bleibt. Sprache und Musik teilen einige Wahrnehmungseigenschaften: Prosodie (Sprachmelodie) basiert auf Frequenz und Intonation, Emotionen werden durch Rhythmus und Intensität ausgedrückt, und Klangfarbe ermöglicht die Unterscheidung von Sprechstimmen und Instrumenten. Die Studie untersucht die musikalische Hörverarbeitung bei normalhörenden Säuglingen und CI-tragenden Kleinkindern mit vergleichbarem Höralter. Mithilfe der Mismatch Negativity (MMN) im EEG, die unabhängig von der Aufmerksamkeit des Probanden ausgelöst wird, wurde die Hörwahrnehmung objektiv beurteilt. Verschiedene musikalische Qualitäten wurden mit einem Multi-feature-MMN-Paradigma untersucht. Die Stimuli bestanden aus einem Tonlauf von vier Achtelnoten (Alberti-Bass) und wurden in allen Dur- und Moll-Tonarten in randomisierter Reihenfolge dargeboten, wobei der dritte Ton in Tonhöhe (pitch), Klangfarbe (timbre), Intensität (intensity), Rhythmus (rhythm), Glissando (slide) und einem zweiten Standard (standard2) variierte. Die Probanden wurden während der Stimulus-Präsentation geräuschlos abgelenkt. Es wurden Daten von 17 prälingual ertaubten CI-tragenden Kleinkindern (durchschnittlich 1 Jahr und 7 Monate alt) und 21 normalhörenden Säuglingen (6 Monate alt), beide mit 6 Monaten Hörerfahrung, ausgewertet. Für jede Bedingung wurde der Grand Average in beiden Gruppen und deren Untergruppen gebildet, und die MMN in frühen und späten Zeitfenstern analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass CI-tragende Kinder bei allen Devianten eine signifikante MMN zeigten. Die Untergruppe „mit Hörerfahrung“ wies bei timbre, intensity, rhythm und standard2 signifikante Ergebnisse auf, während die Untergruppe „ohne Hörerfahrung“ bei allen Devianten Signifikanzen zeigte. Dies wird jedoch aufgrund der kleinen Stichprobengröße nicht als robust betrachtet. Normalhörende Kinder zeigten bei allen Devianten außer standard2 eine signifikante MMN. CI-tragende Kinder reagierten unerwartet stark auf intensity und schwach auf rhythm, während normalhörende Kinder standard2 nicht wahrnehmen konnten. Erstmals wurde die Hörwahrnehmung von früh implantierten, bilateral CI-tragenden Kindern in ihrem frühen Höralter von sechs Monaten untersucht. CI-tragende Kinder konnten alle untersuchten Abweichungen wahrnehmen, wobei timbre und intensity besser und rhythm schwächer als erwartet wahrgenommen wurden. Normalhörende Kinder konnten standard2 aufgrund ihres Entwicklungsstandes nicht wahrnehmen, während ältere CI-tragende Kleinkinder dies kognitiv leisten konnten. Die CI-tragenden Kinder zeigten eine vergleichbare Fähigkeit zur Wahrnehmung akustischer Reize wie normalhörende Kinder, trotz fehlender oder unterbrochener Hörerfahrung.:Inhaltsverzeichnis
Relevanz der Dissertation für den Forschungsbereich
1. Einleitung
1.1. Das auditive System
1.1.1. Anatomie des Ohres
1.1.2. Physiologie der akustischen Wahrnehmung
1.1.3. Embryologische Entwicklung des Innenohres: Der Beginn des Hörens
1.1.4. Kindliche Hörstörungen
1.2. Das Cochlea-Implantat (CI)
1.2.1. Definition und Entwicklung
1.2.2. Aufbau und Funktion
1.2.3. CI-Versorgung bei Kleinkindern
1.3. EEG und evozierte Potentiale
1.3.1. EEG
1.3.2. Ereignis-korrelierte Potentiale
1.3.3. CI-Artefakte
1.4. Bedeutung von Musik für die Entwicklung
1.4.1. Musik als Kulturgut
1.4.2. Psychosoziale Aspekte
1.4.3. Hörwahrnehmungen bis zum Kleinkindalter
1.4.4. Musikwahrnehmung mit CI
2. Experiment
2.1. Motivation
2.2. Stand der Wissenschaft
2.3. Fragestellung und Hypothesen
2.4. Methoden
2.4.1. Probanden
2.4.2. Versuchsdesign
2.4.3. Versuchsablauf
2.4.4. Elektrophysiologische Ableitung
2.4.5. Datenanalyse
2.5. Ergebnisse
2.5.1. Patientengruppe (CI-tragende Kinder)
2.5.2. Kontrollgruppe (normalhörende Kinder)
2.5.3. Übersicht über die CI- und die NH-Gruppe
2.5.4. Die Auswirkung des CI-Artefakts auf die MMN
3. Diskussion
3.1. Hörwahrnehmung CI-tragender Kinder
3.1.1. Pitch
3.1.2. Timbre
3.1.3. Intensity
3.1.4. Rhythm
3.1.5. Slide
3.1.6. Standard2
3.1.7. Globaler Vergleich der diskutierten Studien
3.2. Hörwahrnehmung normalhörender 6 Monate alter Säuglinge
3.3. Untergruppen „mit“ und „ohne Hörerfahrung“
3.4. Latenzen
3.5. Fazit
3.6. Limitationen
3.7. Ausblick
4. Zusammenfassung
4.1. Deutsch
4.2. English
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anlage 1: Erklärung zur Eröffnung des Promotionsverfahrens
Anlage 2: Erklärung zur Einhaltung aktueller gesetzlicher Vorgaben
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:92015 |
Date | 28 June 2024 |
Creators | Norrenbrock, Alexandra |
Contributors | Neudert, Marcus, Praetorius, Mark, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | 10.1016/j.clinph.2012.03.008, 10.3389/fnhum.2015.00007, 10.3389/fnhum.2014.00181, 10.1097/MAO.0000000000001067 |
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