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Modulation der radiogenen Mucositis enoralis im Tiermodell (Maus) durch Glutathion

Die frühe Strahlenreaktion der Mundschleimhaut ist eine regelmäßige und dosislimitierende Nebenwirkung der Strahlenbehandlung fortgeschrittener Kopf-Hals-Tumoren. Trotz einer Vielzahl von experimentellen und klinischen Ansätzen gibt es bis jetzt keine allgemein gültige Prophylaxe oder ein Behandlungskonzept. Die molekularen Mechanismen, die der Entstehung der radiogenen Mucositis enoralis zugrunde liegen, sind allerdings noch nicht geklärt. Die Beteiligung apoptotischer Prozesse an der Entstehung der radiogenen Mucositis enoralis wird derzeit kontrovers diskutiert. Das Signalmolekül Ceramid, welches bei Bestrahlung durch das Enzym neutrale Sphingomyelinase (nSMase) aus dem Membranbaustein Sphingomyelin freigesetzt wird, gilt als ein Initiator der Apoptose. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, zu prüfen, welchen Einfluss die Inhibition der Ceramidsynthese durch Glutathion auf die Ausprägung der radiogenen Mucositis enoralis hat. Ergänzt wurden die experimentellen Arbeiten durch die Auswertung histologischer Präparate, welche bei einer fraktionierten Bestrahlung ohne bzw. mit verschiedenen Inhibitoren der Ceramidsynthese (Glutathion, Fumonisin B1, Desipramin) behandelt wurden.
Alle Untersuchungen wurden am etablierten Tiermodell der Zungenunterseite der Maus (Stamm C3H/Neu) durchgeführt. Die Bestrahlung erfolgte als lokale Einzeitapplikation (Tag 0) oder als perkutane fraktionierte Bestrahlung mit 5 x 3 Gy/ Woche über eine Woche (Tag 0-4) oder zwei Wochen (Tag 0-4, 7-11), gefolgt von einer lokalen Testbestrahlung an Tag 7 bzw. Tag 14. Als klinisch relevanter Endpunkt diente die Ausbildung ulzerativer Läsionen der Schleimhaut. Zur Inhibition der nSMase1 wurde Glutathion (1 µmol/Tag, subkutan) nach verschiedenen Protokollen verabreicht. In Verbindung mit einer Einzeitbestrahlung wurde Glutathion von Tag -3 bis zur ersten Diagnose der Ulzera (-3/D) bzw. deren kompletten Heilung (-3/H) appliziert. Bei einwöchiger fraktionierter Bestrahlung erfolgte die Applikation von Tag -3 bis zum Tag der Testbestrahlung (-3/7) oder bis zur Diagnose (-3/D) bzw. bis zur Heilung (-3/H) der ulzerativen Läsionen. Die Protokolle für die fraktionierte Bestrahlung über zwei Wochen umfassten die Applikation während der ersten Bestrahlungswoche (-3/7), der zweiten Bestrahlungswoche (7/14), des gesamten Bestrahlungszeitraumes (-3/14) sowie bis zur Diagnose (-3/D) und bis zur Heilung (-3/H). In begleitenden histologischen Untersuchungen wurden die Zellzahlen im Zungenepithel bestimmt, sowie verschiedene Marker der Proliferation (Ki-67), der Apoptose (cleaved Caspase-3, Bcl-2, Bax) und des Sphingolipidmetabolismus (nSMase1, Ceramid) immunhistochemisch erfasst. Es wurden dafür sowohl histologische Präparate der eigenen experimentellen Arbeit (Glutathion), als auch Präparate aus der Arbeitsgruppe (Kontrollen, Fumonisin B1, Desipramin) ausgewertet.
Die Behandlung mit Glutathion führte bei Einzeitbestrahlung in keinem der Protokolle zu einer signifikanten Veränderung der ED50 im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung (Kontrolle: 13,0 ± 0,7 Gy; -3/D: 12,8 ± 0,7 Gy; -3/H: 12,3 ± 0,6 Gy). Bei der fraktionierten Bestrahlung über eine Woche mit Glutathiongabe von Tag -3 bis zur Erstdiagnose (-3/D) bzw. Heilung
(-3/H) der ulzerativen Läsionen wurde eine signifikante Verringerung der Ulkushäufigkeiten beobachtet; die Applikation bis Tag 7 (-3/7) führte dagegen zu keiner signifikanten Veränderung der Ulkushäufigkeit (Kontrolle: 11,1 ± 0,1 Gy; -3/D: 14,6 ± 1,8 Gy;
-3/H: 13,1 ± 0,6 Gy; -3/7: 12,0 ± 0,0 Gy). Auch die Protokolle der zweiwöchigen fraktionierten Bestrahlungen zeigten keine signifikanten Unterschiede der Strahlentoleranz bei Behandlung mit Glutathion (Kontrolle 12,1 ± 0,1 Gy; -3/14: 12,4 ± 0,7 Gy; -3/7: 13,2 ± 1,0 Gy;
-3/D: 14,1 ± 0,7 Gy; -3/H: 13,5 ± 0,8 Gy; 7/14: 13,7 ± 0,6 Gy).
Die histologischen Untersuchungen zeigten, dass die Applikation von Inhibitoren der Ceramidsynthese zu keiner systematischen Veränderung der epithelialen Zelldichte im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung führt. Das Minimum der Zellzahl der nur bestrahlten Proben betrug 68,6 % an Tag 5, vergleichbar mit dem Zellverlust der mit Glutathion, Desipramin und Fumonisin B1 behandelten Proben. Auf die Epitheldicke konnte ebenfalls kein systematischer Einfluss der getesteten Inhibitoren nachgewiesen werden.
Die immunhistochemische Detektion des Proliferationsmarkers Ki-67 zeigte, dass sowohl Glutathion als auch die anderen verwendeten Inhibitoren im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung keinen Einfluss auf die Zellproliferation haben. Der Anteil apoptotischer Zellen (Nachweis des Spaltprodukts der Caspase-3) blieb bei Inhibitor-Applikation in der ersten Woche der fraktionierten Bestrahlung relativ konstant auf dem Niveau der alleinigen Bestrahlung, in der zweiten Woche stieg er um den Faktor 10 an. In guter Übereinstimmung zu dem geringen Apoptoseindex der Mundschleimhaut nach Bestrahlung wurde das proapoptotischen Protein Bax nicht nachgewiesen.
Das Enzym nSMase1 wurde in den Zellen im unteren Teil des Stratum spinosum des Schleimhautepithels nachgewiesen; eine Zunahme von Ceramid während der alleinigen Bestrahlung konnte immunhistochemisch nicht beobachtet werden. Die Behandlung mit den Inhibitoren hatte keinen nachweisbaren Einfluss auf das Vorkommen von Ceramiden im Zungenepithel.
Die Ergebnisse der histologischen und immunhistochemischen Untersuchungen erbrachten keine Hinweise auf die Beteiligung von Ceramiden bzw. apoptotischer Prozesse an der Strahlenreaktion der Mundschleimhaut. Wäre dies die Ursache, so müsste auch in allen Protokollen – insbesondere der Einzeitbestrahlung – eine Erhöhung der Strahlentoleranz durch die Applikation von Glutathion beobachtbar gewesen sein. Der mukoprotektive Effekt von Glutathion in den Versuchsarmen der fraktionierten Bestrahlung über eine Woche ist deshalb möglicherweise auf eine Stimulation der Repopulierung zurückzuführen. Für eine vollständige Klärung der zugrunde liegenden Mechanismen bedarf es weiterer präklinischer Studien.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:31067
Date03 April 2019
CreatorsGroßmann, Dana
ContributorsDörr, Wolfgang, Herrmann, Thomas, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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