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Biomimetische Materialabscheidung in funktionalisierten Hydrogelmatrices / Biomimetic materials synthesis in functionalized hydrogel matrices

In Analogie zu natürlichen Proteingerüsten wurden poly-Acrylamid-Hydrogele mit polaren funktionellen Gruppen modifiziert, die in der Biomineralisation eine wichtige Rolle spielen. Durch gezielte Variation der Synthesebedingungen ist es möglich, Art, Gehalt und räumliche Anordnung der ionischen Funktionalitäten in den Copolymernetzwerken einzustellen. Die Hydrogele wurden in einer Doppeldiffusionsanordnung zur Mineralisation von CaCO3 eingesetzt und die Ergebnisse mit Gelatinegel als natürlichem Reaktionsmedium verglichen. Entgegen der ursprünglichen Erwartungen konnten in Gelatinegel keine Hinweise auf molekular-chemische Wechselwirkungen zwischen dem Proteinnetzwerk und den Mineralisationsprodukten nachgewiesen werden. Im Verlauf der Kristallisation wird die organische Matrix lediglich passiv inkorporiert. Allerdings bewirkt die heterogene Verteilung in den hantelähnlichen Kompositpartikeln die Auffächerung der Wachstumsfronten, so daß sich im Verlauf des Kristallwachstums eine Zwillingsstruktur der makroskopischen Produkte ausbildet. Der Netzwerkeffekt der organischen Matrix wird jedoch von dem lokalen chemischen Milieu in dem Gelkörper überlagert. Die Ähnlichkeit der Produkte mit natürlichen Biomineralen weist darauf hin, daß auch Biomineralisationsprozesse lediglich Folge eines unspezifischen chemischen Milieus sein können. Deutliche Analogien zu natürlichen Biomineralisationsprodukten wurden bei der Materialabscheidung in unfunktionalisierten poly-Acrylamid-Hydrogelen beobachtet. Die oktaedrische Form der Mineralisationsprodukte ist untypisch für Calcit und kennzeichnet einen spezifischen Kristallisationsmechanismus. Obwohl die Aggregate aus zahlreichen rhomboedrischen Calcit-Bausteinen zusammengefügt sind, weisen die makroskopischen Produkte eine gestörte einkristalline Struktur auf. Das große Mosaik der Röntgenbeugungsmaxima ist auf die Fehlorientierung kohärent streuender Bereiche zurückzuführen. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen wurde ein Aggregationsmodell postuliert: Die simultane orientierte Verwachsung rhomboedrischer Untereinheiten sowie das Flächenwachstum dieser Bausteine führt zu der oktaedrischen Morphologie der Aggregate. Die prinzipielle Analogie der Mineralisationsprodukte mit vielen Biomineralen richtet den Blick auf die Frage, inwieweit alleine die physikalische Struktur extrazellulärer Matrices eine wichtige Rolle bei der Biomineralisation spielt. Die Ergebnisse der Mineralisationsversuche in Sulfonat-funktionalisierten Hydrogelen untermauern den dominanten Effekt der Netzwerkstruktur. Die stark polaren funktionellen Gruppen modifizieren lediglich die Morphologie der Aggregate, führen aber nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Nukleation und des Wachstumsmechanismus. Demgegenüber zeigt sich in Carboxylat-funktionalisiertem poly-Acrylamid eine deutlich erhöhte Keimdichte und eine intermediäre Stabilisierung von Vaterit. Dieser spezifische Einfluß der Carboxylatgruppen auf die Keimbildung relativiert das oft für Biomineralisationsvorgänge postulierte ionotrope Nukleationsmodell und unterstreicht die Notwendigkeit einer stereochemischen Verwandtschaft zwischen den organischen Funktionalitäten und der entstehenden Kristallphase. Besonders deutlich wird die Bedeutung der Carboxylatgruppen bei der Mineralisation in Gelmatrices, die mit poly-L-Aspartat versetzt wurden. Die Wirkungsweise des Gelatinegels sowie der Kompartimenteffekt des poly-Acrylamid wird durch die Wechselwirkung des Additivs mit der anorganischen Phase überkompensiert: Im Verlauf der Doppeldiffusion entstehen in den untersuchten Hydrogelen Vaterit-Agglomerate, die permanent stabilisiert sind. Da die Kristallisationsmechanismen der reinen Gelmatrices rhomboedrische Calcit-Keimkristalle voraussetzen, werden die Netzwerkeffekte durch die Bildung sphärischer Vaterit-Partikel außer Kraft gesetzt. Möglicherweise beruht auch die Morphogenese natürlicher Biomineralisationsprodukte auf einem Wechselspiel des physikalischen Netzwerkeffekts einer extrazellulären Matrix und der Wirkungsweise modifikationsselektiver Makromoleküle. In den unterschiedlichen Hydrogelmatrices sind, trotz einheitlicher Versuchsbedingungen, drei grundsätzlich verschiedene Kristallisationsmechanismen des Calcits wirksam: In Gelatinegel kommt es zu lagenweisem Wachstum, die oktaedrischen Produkte aus poly-Acrylamid gehen auf die Aggregation vorgeformter Untereinheiten zurück und in Carboxylat-funktionalisierten Netzwerken entstehen sphärolithische Kristalle. Diese Ergebnisse belegen auf anschauliche Weise eine Wechselwirkung der organischen Matrix mit der anorganischen Phase. In natürlichen Systemen wird dieser Effekt durch komplexe genetische und zelluläre Prozesse gesteuert, die sich in-vitro nicht simulieren lassen. Allerdings weisen die Analogien der Mineralisationsversuche mit natürlichen Biomineralisationsprozessen auf vergleichbare Prinzipien hin. Demzufolge können die Mechanismen der Biomineralisation verhältnismäßig trivial sein, allein die biologische Reproduzierbarkeit der Materialabscheidung setzt ein hohes Maß an genetischer Steuerung voraus. Von einer weiterführenden Untersuchung der Mechanismen, die der Biomineralisation zugrunde liegen, sind wesentliche Impulse für eine biomimetische Materialsynthese zu erwarten. Wie die spezifische Wechselwirkung der Carboxylatgruppen mit der Kristallphase nahelegt, sollten die molekular-chemischen Effekte polarer funktioneller Gruppen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Für ein besseres Gesamtverständnis muß daher eine Brücke zwischen der "mesoskopischen" Wirkung gelartiger Medien und entsprechenden Vorgängen auf atomarer Skala geschlagen werden. Die atomaren Mechanismen bei der Kristallisation von CaCO3 in Gegenwart verschiedener Additive werden in einem Partnerprojekt an der Universität Münster untersucht [Set03]. Die Zusammenführung dieser beiden Sichtweisen läßt ein tiefgreifendes Verständnis der allgemeinen Prinzipien der Biomineralisation erwarten. / By analogy to natural protein networks poly-acrylamide hydrogels were modified with polar functional groups, that are relevant for biomineralization processes. The copolymer synthesis is modified in order to adjust the type, content and spatial arrangement of ionic functional groups within the network. CaCO3 particles are grown in these matrices using a counter-diffusion arrangement. The results are compared to the mineralization in a natural reference medium of gelatin hydrogel. Although the microstructural analysis revealed a heterogeneous intergrowth of gelatin and inorganic phases within the particles, the composite growth is rather a consequence of the local chemical environment. The incorporated organic matrix, however, interacts with the crystal faces of a rhombohedral nucleus. For steric reasons, the lamellar assembly of the organic and inorganic material leads to twinning of the macroscopic products in the course of crystal growth. The analogy of the dumbbell-shaped composite particles to some biominerals suggests that biological crystallization may take place under comparable conditions. The crystal aggregates isolated from unfunctionalized poly-acrylamide hydrogel show striking similarities to natural biomineralization products. The octahedral morphology of the aggregates is unexpected for calcite crystals. Although the aggregates consist of independent rhombohedral calcite building blocks, the structure of the macroscopic products corresponds to distorted single crystals. The large mosaic spread of the X-ray diffraction spots is a consequence of the misalignment of coherent scattering domains within the macrocrystal structure. Based on the results a specific aggregate growth model is proposed: The observed octahedral morphology is attributed to the simultaneous oriented attachment of rhombohedral subunits and the layer-by-layer growth of these building blocks. Because of the general analogy of the hydrogel-grown aggregates with many biominerals the question arises, whether the physical structure of extracellular matrices is important for biomineralization as well. Experiments in copolymers containing sulfonate groups confirm the dominant effect of the network structure for the mineralization within hydrogel matrices. The morphology of the aggregates is just slightly altered by the highly polar functional groups. The aggregation-based growth of the products corresponds to the mechanism observed for the mineralization in unfunctionalized poly-acrylamide. On the other hand, the crystallization in matrices containing carboxylate groups is fundamentally different. Within these hydrogels the density of nucleation is increased and vaterite is intermediatly stabilized. This specific influence of the functional groups on the crystallization of CaCO3 extends the commonly proposed ionotropic model of biomineral nucleation. Within the biomimetic model system the mineralization is highly affected by the stereochemical matching of organic functional groups and the inorganic crystal phase. The significance of the carboxylate groups for the mineralization of CaCO3 is emphasized by the experimental results using hydrogels containing poly-L-aspartate. The addition of poly-L-aspartate to the pore solution of either gelatin or poly-acrylamide hydrogel appears to overcompensate the physical properties of the organic matrix, leading to permanently stabilized vaterite agglomerates. Since the crystal growth mechanism in pure hydrogel matrices is based on rhombohedral calcite nuclei, the morphogenetic effect of the physical hydrogel structure is suspended due to formation of spherical vaterite particles. Possibly, the interaction between the network structure of extracellular matrices and the polymorph selective effect of organic macromolecules is relevant for the morphogenesis in biological systems as well. Three fundamentally different mechanisms of crystal growth are observed for the mineralization in the matrices used: Corresponding to classical models of crystallization the products isolated from gelatin hydrogel grow by a layer-by-layer mechanism, assembly of preformed building blocks within unfunctionalized poly-acrylamide leads to octahedral aggregates and within networks containing carboxylate groups spherolitic crystal growth is observed. These results obviously prove extensive interactions between the organic matrix and the inorganic phase. In natural systems these effects are adjusted by complex genetic and cellular processes, that are not accessible for in-vitro methods. However, the analogies of the experiments with biomineralization processes indicate comparable principles. Whereas the biological reproducibility of biomineralization implies a high degree of genetic control, the underlying mechanisms could be rather trivial. It is expected that further investigations of the mechanisms of biomineralization will provide fundamental stimuli for the field of biomimetic materials synthesis. As indicated by the specific interactions of carboxylate groups and the evolving crystal phase, further research should focus on the molecular-chemical influence of polar functional groups. To unravel the mechanisms of biomineralization the described mesoscopic effects of the hydrogel matrices and the respective processes at an atomar scale should be combined. The molecular-chemical mechanisms in the course of CaCO3 crystallization in aqueous solutions containing various organic additives are studied within an associate project at the University of Münster [Set03]. The combination of both approaches should provide an improved understanding of the general principles of biomineralization.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:550
Date January 2003
CreatorsGraßmann, Olaf
Source SetsUniversity of Würzburg
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoctoralthesis, doc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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