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Klinische Charakteristik und Outcomes von Sepsis-Patient*innen mit und ohne COViD-1ß

Sepsis, definiert als eine überschießende Immunantwort auf eine Infektion ist eine schwerwiegende Erkrankung, die mit einer hohen Letalität assoziiert ist. Neueste Daten aus Deutschland beziffern die Letalität auf 39,9% bei Sepsis bzw. 56,2% bei septischem Schock (Fleischmann-Struzek et al., 2022). COVID-19 tauchte erstmals im Dezember 2019 auf, als eine Gruppe von Patienten mit Lungenentzündung unbekannter Ursache in Wuhan, China, erkannt wurde (Zhu et al., 2020). Bis zum 1. Juli 2020 waren mehr als 200 Länder von SARS-CoV-2 betroffen, was zu mehr als 10 Millionen identifizierten Fällen und 508 000 bestätigten Todesfällen führte (Wiersinga et al., 2020). Obwohl COVID-19 einige einzigartige Merkmale aufweist, sind viele Symptome bei schwerer COVID-19 Erkrankung identisch mit denen von Sepsis. Dazu gehören im Wesentlichen (Koçak Tufan et al., 2021): multisystemische Beeinträchtigung bzw. Multi-Organversagen, dysregulierte Immunantwort: Hyperinflammation, Zytokinsturm, vaskuläre Beteiligung verbunden mit Hyperkoagulation, (pulmonale Sepsis: ARDS), Doch nicht alle an COVID-19 Erkrankte*n entwickeln eine Sepsis. Bezüglich der Risikoprädiktoren für einen schweren Krankheitsverlauf (inkl. Sepsis) wurde in den letzten zwei Jahren weitreichend international publiziert. Weniger ist jedoch darüber bekannt, ob sich klinische und demografische Merkmale von Sepsispatient*innen mit und ohne COVID-19 bedingten Fokus unterscheiden. Auch ein Vergleich der Letalität von COVID-19 bedingter Sepsis und bakteriell verursachter Sepsis lag bislang nicht vor. Das Ziel dieser Studie war die Beschreibung und der Vergleich klinischer Merkmale und das Outcome bei septischen Patient*innen mit und ohne COVID-19. Folgende Hypothesen sollten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung geprüft werden:
Hypothese 1: Eine durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 hervorgerufene Sepsis bzw. septischer Schock ist mit einer höheren Krankenhausletalität assoziiert, als eine Sepsis bzw. septischem Schock bakterieller Genese.
Hypothese 2: Anhand von demografischen und klinischen Merkmalen (sekundäre Endpunkte) können unabhängige Risikoprädiktoren für den primären klinischen Endpunkt (Letalität) identifiziert werden. Der primäre Endpunkt ist Letalität. Die sekundären Endpunkte umfassen Klinische Merkmale (Notwendigkeit der Beatmung, Notwendigkeit der Nierenersatztherapie, Notwendigkeit der Extrakorporalen Membranoxygenierung, Auftreten von arteriellen und venösen Thromboembolien, Krankenhausverweildauer, SOFA-Score bei Aufnahme, Verteilungsspektrum von Inflammationsparametern (CRP, PCT), Verteilungsspektrum von Thrombozyten-, Leukozyten-und Lactat – Maximalwerten, Keimspektrum) sowie demografische Merkmale (Alters-, BMI- und Geschlechtsverteilung, Komorbiditäten). Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine retrospektive Auswertung einer Kohortenstudie. Es wurden Patient*innendaten von folgenden Intensivstationen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden erhoben: Intensivstation der Anästhesiologie und Intensivmedizin (ANE ITS), Zentralchirurgische Intensivstation (ZCH ITS), Zentrum für Innere Medizin (MK ITS 1 und 2). Von Februar 2020 bis März 2021 wurden alle Intentivstationären Patient*innen täglich entsprechend der aktuell geltenden Sepsis-3-Definition (International Consensus Definitions for Sepsis and Septic Shock (Singer et al., 2016)) gescreent. Zusätzlich wurden alle Patient*innen auf eine SARS-CoV2-Infektion untersucht. Von der Sepsisdiagnose bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus wurden alle Sepsispatient*innen im Rahmen eines standardisierten klinischen Pfades behandelt, welcher auf der deutschen Leitlinie für Sepsis und septischen Schock basiert. Die Erfassung der Patientendaten erfolgte während des Krankenhausaufenthalts am Universitätsklinikum Dresden im Rahmen der Standardversorgung durch ein elektronisches Patientendatenmanagementsystem. Die Pseudonymisierung erfolgte durch Zuordnung einer Patientennummer. Die Patienteneigenschaften und Outcomes wurden mittels deskriptiver Statistik dargestellt. Die Signifikanzanalysen in den Gruppenvergleichen erfolgten mittels Fisher’s exaktem Test bei kategorischen Variablen sowie mit dem Mann-Whitney-U-Test bei stetigen Variablen.
Das Überleben wurde anhand von Kaplan-Meier Schätzer untersucht. Der Zusammenhang wischen der Sterblichkeit und den Risikofaktoren wurde mit Hilfe einer robusten Poisson-Regression (Zou, 2004) modelliert, die die Ableitung bereinigter relativer Risiken ermöglicht. Die Genauigkeit der Schätzungen des relativen Risikos (RR) wurde mit Hilfe von 95%- Konfidenzintervallen (CIs) quantifiziert. Das Signifikanzniveau wurde auf 0,05 festgelegt.Für alle statistischen Auswertungen wurde das Programm SPSS Statistics 27 (IBM, Inc, Armonk, NY, U.S.) und R version 3.2.4. angewendet. Daten von 368 Sepsispatient*innen wurden ausgewertet. Bei 177 Sepsispatient*innen lag eine COVID-19 Infektion vor. Diese wurden mit 191 septischen Sepsispatient*innen ohne COVID-19 verglichen. Die Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der demographischen Daten nicht signifikant. COVID-19-Patient*innen wiesen einen höheren BMI auf (29 vs. 27, p<0,05). Nicht-COVID-Sepsis-Patient*innen hatten einen höheren Charlson Comorbidity Index (4 vs. 3 Punkten, p<0,05). Der SOFA-Score war bei der Aufnahme auf die Intensivstation bei septischen COVID-19-Patient*innen signifikant höher (9 vs. 12). In beiden Gruppen wurde häufig eine Nierenersatztherapie (RRT) eingesetzt (38 % und 29 %). Alle COVID-19-Patient*innen wurden invasiv beatmet, bei den nicht-COVID-Patient*innen waren es 56 % (p<0,05). Außerdem benötigten die COVID-Patient*innen eine kürzere invasive Beatmung (8 vs. 12 Tage, p<0,05). Patient*innen mit Sepsis ohne COVID-19 wiesen eine höhere systemische Entzündung auf, gemessen an den Maximalwerten der Leukozyten (23 vs. 19 GPt/L, p<0,05) und der PCT (13 vs. 3 ng/ml, p<0,05). Bei den COVID-19-Patient*innen war die Sepsis in allen Fällen auf einen pulmonalen Fokus zurückzuführen. Bei den nicht-COVID-Patient*innen wurden am häufigsten abdominale (35 %), pulmonale (20 %) und urogenitale (12 %) Foci diagnostiziert. Die ITS-Verweildauern der COVID und nicht-COVID Sepsispatient*innen waren ähnlich lang (12 vs. 15 Tage). 43% der nicht-COVID- Patient*innen wurden aus der Intensivstation auf eine Normalstation verlegt, demgegenüber stehen nur 5 % der COVID Patient*innen. Die mittlere Verweildauer im Krankenhaus betrug 17 Tage bei COVID-19-Patient*innen und 28 Tage bei nicht-COVID-Patient*innen (p<0,05). Die Gesamtletalität im Krankenhaus lag bei 44 %. Die Letalität war bei COVID-19-Patient*innen signifikant höher als bei nicht-COVID-Patient*innen (59 % vs. 29%). Die
statistische Analyse ergab ein bereinigtes relatives Risiko für die Krankenhausletalität von 1,74 (95%-CI=1,35-2-24) bei Vorliegen von COVID-19 im Vergleich zu anderen septischen Patienten. Alter (RR pro Lebensjahr=1,02), Procalcitonin-Maximalwert über 2 ng/ml (RR=1,64), Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie (RR=1,49), Notwendigkeit einer invasiven Beatmung (RR=2,38) und septischer Schock (RR=1,43) wurden als zusätzliche Risikofaktoren für die Krankenhausletalität ermittelt. Das Geschlecht, der BMI und Komorbiditäten standen in keinem Zusammenhang mit einem erhöhten Sterberisiko. COVID-19 wurde als unabhängiger Risikoprädiktor für eine höhere Krankenhausletalität bei Sepsispatient*innen identifiziert. Invasive Beatmung, Nierenersatzverfahren, septischer Schock und erhöhtes PCT können einen Prädiktor für Hochrisiko-Patient*innen darstellen. Es muss bei der hier untersuchten Kohorte jedoch beachtet werden, dass möglicherweise ein Selektionsbias vorliegt, da speziell schwerstkranke COVID-19-Patient*innen an das Universitätsklinikum Dresden als tertiäres Referenzzentrum für differenzierte Lungenunterstützung und ECMO-Therapie überwiesen wurden. In der Subgruppe non-COVID-19 Sepsis befanden sich häufig Patient*innen, die an das UniversitätsCrebsCentrum als nationales Referenzzentrum für Tumorerkrankungen, insbesondere zu Stammzell- oder neuartigen Immuntherapien verwiesen wurden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:86458
Date13 July 2023
CreatorsHattenhauer, Sara
ContributorsSpieth, Peter, Kolditz, Martin, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation10.1016/j.jiph.2022.05.008

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