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Übergabe von hochautomatisiertem Fahren zu manueller Steuerung: Teil 2: Müdigkeit und lange Fahrtdauer als Einflussfaktoren auf die Sicheheit nach einer Übernahmeaufforderung: Forschungsbericht

In zukünftigen automatisiert fahrenden Fahrzeugen werden Fahrer mit den verschiedensten Fahrerzuständen automatisierte Fahrten erleben. Wie auch beim manuellen Fahren werden Fahrer gestresst, abgelenkt oder ermüdet sein, werden an Schlafmangel leiden und Einbußen in Ihrer Konzentrationsfähigkeit zeigen. Aktuell ist jedoch nur wenig darüber bekannt, wie sich solche Fahrerzustände auf die Fähigkeit zur Übernahme der manuellen Steuerung nach einer Übernahmeaufforderung auswirken. Die vorliegende Fahrsimulator-Studie untersucht die Veränderung und Auswirkung des Fahrerzustands während einer hochautomatisierten Fahrt (level 3) im Hinblick auf Müdigkeit und Ermüdung während der Fahrt. Fahrer wurden während des Verlaufs der Fahrt regelmäßig von geschulten Müdigkeits-Bewertern in Ihrer Müdigkeit eingestuft. Bei Erreichen eines bestimmten Müdigkeitslevels bzw. nach einer Fahrtdauer von ca. einer Stunde wurde eine Übernahmeaufforderung ausgelöst. Während der Übernahmeaufforderung wurden Reaktionszeiten und Fahrverhalten gemessen und mit Reaktionszeiten und Fahrverhalten von manuellen Fahrern in der gleichen Situation verglichen. Es zeigte sich, dass automatisiert fahrende Fahrer deutlich schneller höhere Müdigkeitslevel erreichen als manuelle Fahrer. Die Dauer der Fahrt, die für das Erreichen von höheren Müdigkeitslevel notwendig war, hing sowohl bei manuellen als auch bei automatisiert fahrenden Fahrern von vorab induziertem Schlafmangel ab. Automatisiert fahrende Fahrer mit Schlafmangel erreichten mittlere Müdigkeitslevel mit verlängerten Lidschlüssen bereits nach ca. 15-20 Minuten und damit um bis zu 15-20 Minuten früher im Vergleich zu manuellen Fahrern mit Schlafmangel. Die automatisiert fahrenden Fahrer mit und ohne Schlafmangel waren grundsätzlich in der Lage, die manuelle Steuerung nach einer Übernahmeaufforderung ohne Unfälle wieder zu übernehmen. Allerdings zeigten sich bei allen automatisiert fahrenden Fahrern Verzögerungen im Aufbau des Situationsbewusstseins um ca. 3 Sekunden im Vergleich zu den manuellen Fahrern. Die Übernahmezeiten waren bei automatisiert fahrenden Fahrern nach einer langen Fahrt (ca. 1 Stunde) bzw. mit Schlafmangel daher vergleichbar lang wie nach einer Fahrt mit einer stark ablenkenden Nebentätigkeit. 90% der Fahrer schalteten die Automation nach ca. 5-7 Sekunden ab. Verwendet man als Maß für den Aufbau des Situationsbewusstseins nach einer Übernahmesituation allerdings den ersten Blick in den Seitenspiegel bzw. den ersten Blick auf den Tacho, so benötigten Fahrer ca. 12-15 Sekunden, um sich ein Bild von ihrer Fahrumgebung und von dem Zustand ihres Fahrzeugs zu machen. Vor dem Hintergrund der schnellen Entwicklung von Fahrermüdigkeit während automatisierter Fahrten ohne Nebenaufgaben ist die dauerhafte Überwachung des Zustands der Automation durch den Fahrer nicht realistisch. Fahrern sollte stattdessen die Möglichkeit gegeben werden, kontrollierbare Nebenaufgaben durchzuführen, die Rückschlüsse auf den Fahrerzustand geben und im Falle einer Übernahmesituation durch das Fahrzeug unterbrochen werden können. Zusätzlich sollte das Fahrzeug Informationen über den Fahrerzustand vor einer Übernahmesituation haben, um die Dauer des Übergangs entsprechend planen zu können. Zukünftige Studien sollten die unterschiedlichen Fahrerzustände während einer automatisierten Fahrt und deren Auswirkungen auf das Übernahmeverhalten genauer untersuchen. Zusätzlich sollte der Aufbau des Situationsbewusstseins nach einer Übernahmeaufforderung weiter in den Fokus der Forschung gerückt werden, um Rückschlüsse auf mögliches Fehlverhalten nach der Übernahme der manuellen Steuerung zu erhalten. / In future automated vehicles drivers will experience a variety of driver states. Similar to manual driving, drivers will be stressed, distracted or tired, will suffer from sleep loss and a lack of concentration. Few studies have examined how such driver states influence the ability to take back manual control after a take-over request. This driving simulator study analyzes the progression and the impact of the driver states sleepiness and fatigue during highly automated driving. Drivers were regularly rated by trained sleepiness raters during driving. A take-over request was issued if a predefined sleepiness level was reached, or if the drive had lasted for approximately one hour. In the course of the take-over request reaction times and driving behavior were measured and compared to reaction times and driving behavior of manual driver in the same situation. It could be shown that automated drivers reached higher levels of sleepiness faster than manual drivers. The driving time required to reach higher levels of sleepiness depended on a previously induced lack of sleep for both the automated and the manual drivers. Automated drivers reached intermediate levels of sleepiness with prolonged eyelid closures after only about 15 to 20 minutes, which was 15 to 20 minutes earlier than manual drivers who also suffered from a lack of sleep. Automated drivers with and without a lack of sleep were generally able to take back manual control after a take-over request without crashing. However, the formation of situation awareness was delayed by about 3 seconds for all automated drivers compared to the manual driving conditions. Take-over times for automated drivers after a long drive (approx. 1 hour) or with a lack of sleep respectively, were therefore comparable to take-over times after a drive with a highly distracting secondary task. 90% of the drivers disengaged the automation after about 5 to 7 seconds. However, if the first glances to the side mirror and the first glances to the speed display are used as an indicator for situation awareness after a take-over request, drivers needed about 12 to 15 seconds to form an understanding of the situation. Looking at the fast progression of driver fatigue during automated driving without secondary tasks, continuous supervision of automated driving is unrealistic. Instead, drivers should be provided with the opportunity to engage in controllable tasks, which allow the car to infer the driver state and which can be disabled by the cars systems in the event of a take-over situation. Additionally, the system should collect data about the drivers’ state previous to a take-over request to be able to plan the duration of the take-over accordingly. Future studies should take a closer look at different driver states during automated driving to be able to predict their impact on take-over behavior. Also, the formation of situation awareness after a take-over request should be the focus of further investigations to gain insights into inappropriate driver reactions after a take-over.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:74688
Date28 April 2021
CreatorsGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
PublisherGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:book, info:eu-repo/semantics/book, doc-type:Text
SourceForschungsberichte / Unfallforschung der Versicherer, GDV
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-746296, qucosa:74629

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