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Jean Amérys Ethik der Erinnerung. Die Materialisierung des Geistes im Koerper.

In dieser Dissertation wird Jean Amérys Ethik der Erinnerung auf ihre philosophischen, politischen und literarischen Implikationen hin untersucht. Dabei wird sie als ein moegliches philosophisches Fundament fuer den westdeutschen Auschwitz-Diskurs und die westdeutsche Nachkriegsliteratur vorgestellt. Ihre Besonderheiten gewinnen auf der Grundlage eines Vergleichs von Amérys erinnerungspolitischen Positionen mit jenen Theodor W. Adornos Kontur, der allgemein als der philosophische Begruender der deutschen Literatur nach 1945 gilt. Beide Intellektuelle denken ausgehend von ihrer Verfolgungserfahrung als Juden deutscher (Adorno) bzw. oesterreichischer (Améry) Herkunft. Doch anders als Adorno, dem 1938 die Emigration nach Amerika gelang, wurde Améry als politischer Widerstandskaempfer gefoltert und nach Auschwitz deportiert. Vor diesem Hintergrund geht es um die Frage nach der erkenntnistheoretischen Bedeutung der koerperlichen Erfahrung der Vernichtung beim Versuch, ein der Zaesur Auschwitz angemessenes Denken zu begruenden. Hierzu werden erstmals Amérys Anleihen bei dem Phaenomenologen Maurice Merleau-Ponty systematisch analysiert. Wie er geht auch Améry davon aus, dass die koerperliche Wahrnehmung eines Menschen in entscheidender Form ueber sein Engagement in Kultur und Gesellschaft mitbestimmt.
Im Rahmen der Forschungsarbeit werden saemtliche Werke Amérys beruecksichtigt, inklusive seiner zum Teil noch unveroeffentlichten Nachlass-Arbeiten. Sie ist in drei Teile aufgegliedert, in denen jeweils eine der Werkepochen, die Améry auf seinem Werdegang als politischer Schriftsteller durchlaeuft, zentral steht: sein politisches Erwachen 1934/35 in Wien, seine ersten Schreibversuche nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen zwischen 1945 und 1949, und zuletzt die Ethik der Erinnerung des kanonischen Améry, die er in zwei Werkepochen erarbeitet hat, in denen er sich jeweils unterschiedlichen Fragestellungen widmet.(1966-1974 und 1974-1978).
Aus der Literaturzeitschrift "Die Bruecke", die der 22jaehrige 1934 gemeinsam mit einem Freund herausgab, und Amérys Jugendroman "Die Schiffbruechigen" werden in den ersten beiden Kapiteln die fruehen philosophischen und aestetischen Urspruenge von Amérys Ethik eroertert. Im folgenden Kapitel rueckt die Vernichtungserfahrung des Autors in den Brennpunkt. Die Parameter ihrer ersten literarischen Verarbeitung in seinen Schriften aus der unmittelbaren Nachkriegszeit werden herausgestellt, die Améry in seinem Spaetwerk weitergedacht hat. Auf den vorangehenden Forschungsergebnissen aufbauend wird im letzten Kapitel Amérys Ethik der Erinnerung im Vergleich zu jener Theodor W. Adornos erarbeitet. Ihr phaenomenologisches Fundament wird dem geschichtsphilosophischen Fundament des Adornoschen Denkens gegenuebergestellt. Dabei wird gezeigt, dass nicht nur Amérys Denken, sondern auch seine Aesthetik phaenomenologisch ausgerichtet ist. Durch die Analysen in diesem Hauptteil der Dissertation, in dem erstmals alle Essay-Baende auf ihren erinnerungspolitischen Gehalt im Zusammenspiel untersucht wurden, wird Amérys Beitrag zur Begruendung einer postmodernen Ethik und der Gattung der Shoah-Literatur einsehbar.

Identiferoai:union.ndltd.org:BICfB/oai:ulb.ac.be:ETDULB:ULBetd-12012008-134917
Date19 December 2008
CreatorsWeiler, Sylvia
ContributorsIrene Heidelberger-Leonard, Monique Boussart, Michael Hofmann, Gerhard Scheit, Anne-Marie Roviello, Mireille Tabah
PublisherUniversite Libre de Bruxelles
Source SetsBibliothèque interuniversitaire de la Communauté française de Belgique
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typetext
Formatapplication/pdf
Sourcehttp://theses.ulb.ac.be/ETD-db/collection/available/ULBetd-12012008-134917/
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