Hintergrund: Tumorerkrankungen stellen aufgrund ihrer Häufigkeit, der Komplexität der Behandlung und der entstehenden Krankheitskosten das Gesundheitssystem vor wachsende Herausforderungen. Im Kontext des demographischen Wandels und des medizinischen Fortschrittes gilt es, eine langfristige, sektorenübergreifende Versorgung der Betroffenen und Überlebenden sicherzustellen. Die Implementierung geforderter Maßnahmen zur Früherkennung und Behandlung in die Routineversorgung erfolgt jedoch häufig nur mit unzureichender wissenschaftlicher Begleitung, sodass eine Beurteilung der Wirksamkeit im Behandlungsalltag nicht möglich ist und Fehlentwicklungen nicht vorgebeugt werden kann.
Fragestellung: Die Arbeit umfasst die Beschreibung der Inanspruchnahme und die Ermittlung der Wirksamkeit von Maßnahmen der Krebsfrüherkennung und -behandlung bei ausgewählten onkologischen Krankheitsbildern zur Abschätzung eines patientenrelevanten Nutzens sowie zur Beurteilung aktueller Strategien der onkologischen Versorgung. Dabei geht es zum einen um die Inanspruchnahme und Wirksamkeit der Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung für gesetzlich Versicherte und zum anderen um die Wirksamkeit der chirurgischen Behandlung des Kolonkarzinoms in zertifizierten Zentren. Material und Methoden: Grundlage beider Analysen bilden Routinedaten der AOK PLUS von über zwei Millionen sächsischen Versicherten, was einem Anteil von etwa 51% der durch die GKV versicherten Bevölkerung in Sachsen entspricht. Die Daten enthalten Eckdaten zu den Versicherten (Stammdaten), einheitlich kodierte Diagnosen und Prozeduren der ambulanten und stationären Versorgung, Arzneimittelverordnungen sowie Informationen zu den Leistungserbringern. Für die Analyse zur Inanspruchnahme und Wirksamkeit des Hautkrebsscreenings standen Daten der ambulanten Versorgung für die Jahre 2005 bis 2012 zur Verfügung. Neben deskriptiven Verfahren zur Ermittlung der Inanspruchnahme in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht erfolgte die Schätzung der jährlichen und halbjährlichen Inzidenzraten des malignen Melanoms und nicht-melanozytärem Hautkrebs im Zeitverlauf. Darüber hinaus wurde die Verteilung prognoserelevanter Diagnoseparameter in Abhängigkeit einer Melanomdiagnose im Rahmen des Screeningverfahrens bzw. außerhalb des Screenings analysiert. Die Untersuchung zur Wirksamkeit der Versorgung in zertifizierten Darmkrebszentren basierte auf ambulanten und stationären Abrechnungsdaten der Jahre 2005 bis 2015. Darüber hinaus waren Informationen zu den behandelnden Krankenhäusern wie beispielsweise der Zertifizierungsstatus verfügbar. Mittels uni- und multivariater Regressionsmodelle erfolgte die Abschätzung der Wirksamkeit der chirurgischen Behandlung in Abhängigkeit der medizinischen Versorgung in zertifizierten bzw. nicht zertifizierten Krankenhäusern unter Berücksichtigung verschiedener kurz- und langfristiger Outcomes. Ergebnisse: Die durchschnittliche jährliche Inanspruchnahme des flächendeckenden Hautkrebsscreenings unter allen teilnahmeberechtigten Versicherten lag bei 12,4%. Die Daten zeigen einen Anstieg der Inzidenzraten von Melanom und nicht-melanozytärem Hautkrebs in den Jahren 2007 bis 2009, wobei dieser nicht eindeutig auf die Einführung des Screenings vom Juli 2008 zurückgeführt werden kann. Bei am malignen Melanom erkrankten Personen, welche im Rahmen des Screenings diagnostiziert wurden, war der Anteil der Betroffenen mit Interferontherapie bzw. diagnostizierten Lymphknoten- und/oder Fernmetastasen (8,6%; 5,9% und 1,5%) geringer als bei Personen, welche nicht an einer Screeninguntersuchung teilnahmen (11,2%; 8,5% und 3,5%), was auf eine bessere Prognose bei im Screening diagnostizierten Melanomfällen hindeutet. Insgesamt 34,4% aller Fälle mit inzidentem Kolonkarzinom wurde in zertifizierten Krankenhäusern behandelt. Nach Adjustierung für relevante Confounder war die Überlebenszeit signifikant höher im Vergleich zu Initialresektionen, welche in nicht zertifizierten Krankenhäusern durchgeführt wurden. Der Effekt bestand sowohl für die Gesamtüberlebenszeit (HR=0,90; CI95%: 0,83-0,97), die erkrankungsspezifische Überlebenszeit (HR=0,71; CI95%: 0,57-0,88) als auch die 30-Tage-Mortalität (OR=0,69; 95%CI: 0,55-0,87). Darüber hinaus war in zertifizierten Darmkrebs-zentren die chirurgische Nachbehandlungsrate um 50% geringer. Unterschiede in der rezidivfreien Überlebenszeit sowie in Komplikations- und Fernmetastasierungsraten konnten hingegen nicht beobachtet werden. Sensitivitätsanalysen lassen vermuten, dass der tatsächliche Effekt im Rahmen der Analyse unterschätzt wurde, da der genaue Zeitpunkt der Klinikzertifizierung nicht verfügbar war, wodurch eine Missklassifikation von Behandlungen in zertifizierten Häusern nicht ausgeschlossen werden konnte. Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Arbeit konnten durch die Anwendung der Methoden der evidenzbasierten Medizin und der Versorgungsforschung relevante Erkenntnisse zur Inanspruchnahme und Wirksamkeit von Maßnahmen in der onkologischen Versorgung erzielt werden. Belastbare Aussagen zur Wirksamkeit des Hautkrebsscreenings sind auf Basis der genutzten Daten nur bedingt möglich. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der vorliegenden kumulativen Dissertation, aber auch der aktuellen Evidenzlage können keine Empfehlungen für oder gegen die Weiterführung der Hautkrebs-Früherkennungs-untersuchung gegeben werden. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit der chirurgischen Behandlung in zertifizierten Zentren unterstreichen das hohe Potenzial der Standardisierung von Versorgungsprozessen auf Grundlage evidenzbasierter Qualitätsstandards in der Behandlung des Kolonkarzinoms zur Verbesserung der Patientensicherheit und der Prognose. Die Ergebnisse weisen auf einen erheblichen Patientennutzen hin. Zukünftig sollten evidenzbasierte Behandlungsstandards flächendeckend implementiert werden, sodass mehr Betroffene von den entscheidenden Vorteilen profitieren können. Darüber hinaus wären Erkenntnisse über die einzelnen Wirkmechanismen chirurgischer und nicht-chirurgischer Behandlungskomponenten wertvoll, um die Qualität in der Versorgung weiterhin zu verbessern. Schlussendlich gibt die vorliegende Arbeit Anreize für notwendige Anpassungen an das Gesundheitssystem und schafft zusätzliche Evidenz zu relevanten Fragestellungen der onkologischen Versorgung. Zudem bildet sie eine Grundlage für weiterführende Forschung.:1. Hintergrund 1
1.1 Epidemiologie und Versorgung onkologischer Erkrankungen 1
1.2 Weiterentwicklung und Verbesserung der onkologischen Versorgung – Der Nationale Krebsplan 3
1.2.1 Einführung und Evaluation onkologischer Früherkennungsuntersuchungen 3
1.2.2 Zertifizierung onkologischer Versorgungseinrichtungen 6
1.3 Rolle der Versorgungsforschung in der Onkologie 8
1.4 Routinedaten in der onkologischen Versorgungsforschung 10
1.5 Ziel der Arbeit 12
2. Übersicht der Manuskripte 13
2.1. Effects of the German skin cancer screening programme on melanoma incidence and indicators of disease severity 14
2.2 Evidence-based quality standards improve prognosis in colon cancer care 23
3. Diskussion 31
3.1 Stärken und Limitationen der Studien 34
3.2 Ausblick 37
3.2.1 Evaluation von onkologischen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen 37
3.2.2 Zertifizierung onkologischer Versorgungseinrichtungen 40
3.3.3 Verknüpfung primärer und sekundärer Datenquellen 42
3.4 Fazit 44
4. Zusammenfassung 46
5. Summary 50
Literaturverzeichnis 53
Eigenanteil 65
Weitere aus der Dissertation hervorgegangene Veröffentlichungen 66
Weitere Publikationen der Autorin im Fachgebiet Onkologie 67
Danksagung 69
Erklärung zur Eröffnung des Promotionsverfahrens 70
Erklärung über die Einhaltung rechtlicher Vorschriften 71
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:38049 |
Date | 30 January 2020 |
Creators | Trautmann, Freya |
Contributors | Schmitt, Jochen, Eberlein-Gonska, Maria, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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