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Veränderungen des Melanin-konzentrierenden Hormons (MCH) in Patienten mit unipolarer Depression vor und im Verlauf einer antidepressiven Therapie

Depressionen gehören mit einer Prävalenz von 5-25% weltweit zu einer der am häufigsten vorkommenden psychischen Erkrankungen (Bromet et al., 2011) und zählen weiterhin zu einer der Hauptursachen von Erwerbsunfähigkeit (Bundespsychotherapeutenkammer, 2013).
Zu den Hauptsymptomen der Depression gehören eine gedrückte Stimmung, Interessenlosigkeit und Antriebsstörung. Depressionen äußern sich häufig in körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen, Gewichtsveränderungen und Kopfschmerzen (Fava & Kendler, 2000; American-Psychiatric-Association, 2013). Die bei depressiven Erkrankungen typischerweise vorkommenden Schlafstörungen beinhalten vermehrte Tagesmüdigkeit, Durchschlaf- und Einschlafstörungen sowie frühmorgendliches Erwachen. Diese Symptome könnten Ausdruck einer gestörten Wachheitsregulation (Arousalregulation) sein. Die Arousalregulation kann mittels einer Ruhe-EEG-Aufzeichnung klassifiziert werden (Loomis et al., 1937; Bente et al., 1964). Störungen der Arousalregulation bei unipolar depressiven Patienten gegenüber gesunden Kontrollen konnten in einer Anzahl von Studien gezeigt werden (Hegerl et al., 2012, Schmidt et al., 2016). Daher ist die Untersuchung der Arousalregulation in Verbindung mit Untersuchungen des schlafförderndes Neuropeptides Melanin-konzentrierendes Hormon (MCH) und Parametern der Schlaf-Wach-Regulation vielversprechend.
In präklinischen Studien wurde vielfach ein Zusammenhang zwischen dem hypothalamischen MCH und depressionsähnlichen Verhaltensweisen gefunden und es wurden Behandlungsmöglichkeiten durch Veränderungen der MCH-Regulation angeregt (Chung, Parks, Lee & Civelli, 2011; Luppi et al., 2013). Diesbezüglich wurden MCH-Rezeptor-Antagonisten als potentielle Angriffspunkte neuer antidepressiver Medikamente untersucht und es konnte gezeigt werden, dass die Injektion von MCH einen depressiogenen Effekt hat, während die Antagonisierung von MCH durch Rezeptormodulation zu reduziertem depressivem Verhalten führte (Georgescu et al., 2005; Lagos et al., 2011; Borowsky et al., 2002; Roy et al., 2007). Die Rolle des MCH-Systems bezüglich der Regulation von affektiven Störungen im Menschen wurde bisher noch nicht untersucht. Das primäre Ziel dieser Arbeit ist, die Zusammenhänge zwischen depressiven Störungen, dem MCH und der Schlaf-Wach-Regulation zu untersuchen.
In der vorliegenden Studie untersuchten wir die MCH Serumkonzentrationen bei 30 Patienten mit depressiver Symptomatik im Verlauf zu drei Messzeitpunkten: vor Beginn der Medikation (T1) und 2 (T2) und 4 Wochen (T3) nach Beginn der medikamentösen Therapie. Die MCH-Konzentrationen der 30 depressiven Patienten verglichen wir mit 30 für Alter (+/- 1 Jahr) und Geschlecht gematchten gesunden Kontrollprobanden, welche wir nur zu einem Zeitpunkt (T1) untersuchten. Der erste Messzeitpunkt für die Patienten umfasste jeweils die Abnahme einer Blutprobe, eine 15-minütige Ruhe-EEG Ableitung sowie die Erhebung verschiedener testpsychologischer Interviews und Fragebögen zur Beurteilung der Schwere der Depression und Schlafparameter. Die MCH-Serumkonzentrationen wurden mittels eines Fluoreszenzimmunoassays (FIA) bestimmt. Die Folgemessungen (T2 und T3) der depressiven Patienten bestanden aus Interviews und Fragebögen zur Erfassung der Depressionssymptomatik und Schlafparameter und einer Blutentnahme.
Die MCH-Konzentrationen unterschieden sich zum Zeitpunkt der baseline Messung nicht signifikant zwischen unmedizierten Patienten und gesunden Kontrollen. In der Gruppe der Depressionspatienten, nahmen die Konzentrationen von T1 zu T3 signifikant ab. Post-hoc-Analysen zeigten, dass die Parameter Medikation und Geschlecht der depressiven Patienten bei den gefundenen Veränderungen der MCH-Konzentrationen eine wichtige Rolle spielen. Die MCH-Konzentrationen unterschieden sich signifikant in den Patienten, die mit Mirtazapin behandelt wurden, jedoch nicht in Patienten, die mit Escitalopram behandelt wurden und in weiblichen, aber nicht in männlichen Patienten. Die MCH-Konzentrationen zeigten hohe Korrelationen von T1 bis T3 innerhalb der Depressionspatienten und korrelierten signifikant mit den Schlafparametern in gesunden Kontrollen. Die Untersuchung der EEG-basierten Arousalregulation im Zusammenhang mit den MCH-Konzentrationen zeigte, dass die Patienten mit hohen MCH-Konzentrationen einen geringeren Anteil (%) des Vigilanzstadiums A1 aufweisen als Patienten mit niedrigen MCH-Konzentrationen. In der Gruppe der gesunden Kontrollen (hohes vs. niedriges MCH) zeigten die Probanden mit hohen MCH-Konzentrationen einen gerineren Anteil (%) der Substadium A2 und A3. Die Korrelationen der einzelnen Vigilanzstadien mit den MCH-Konzentrationen der untersuchten Gruppen fand eine signifikant negative Korrelation des Substadiums A1 in der Gruppe der depressiven Patienten, der Häufigkeit des Stadien- und Substadien-Wechsels mit den MCH-Konzentrationen in der Gruppe der depressiven Patienten. In der Gruppe der gesunden Kontrollen korrelierte das Substadium A2 negativ mit den MCH-Konzentrationen.
Erstmalig konnte gezeigt werden, dass die MCH-Serumkonzentrationen in Depressionspatienten im Behandlungsverlauf mit antidepressiver Medikation signifikant abnehmen, während sich die MCH-Konzentrationen zwischen gesunden Kontrollen und unmedizierten depressiven Patienten nicht unterscheiden. Die Resultate deuten nicht auf Veränderung der peripheren MCH-Konzentrationen in Depressionspatienten hin, könnten jedoch depressionsbedingte Zustände (state properties) reflektieren, welche durch Schlaf, Medikation und Geschlecht reguliert werden können. Als Ursache für die Konzentrationsveränderungen des MCH ist eher der Effekt antidepressiver Medikation anzunehmen als Veränderungen in der Depressionsschwere, da die Gesamt-scores der Depressionsschwere nicht mit MCH-Konzentrationen der Patienten korrelierte. Des Weiteren unterschieden sich die MCH-Konzentrationen an keinem der drei Messzeitpunkte zwischen den Patienten, die auf die Behandlung ansprachen (respondern) und den Patienten, die nicht auf die Behandlung ansprachen (non-respondern). Die MCH-Konzentrationen der gesunden Kontrollen und depressiven Patienten (in denen die Depressionsschwere über die Zeit abnahm) dissoziierten eher, als dass sie sich annäherten (von T1 zu T3). Daher lässt sich vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen der MCH-Expression und der antidepressiven Medikation besteht und eine Modulation der adrenergen und serotonergen Transmission existiert. Diese Annahme wird gestützt durch die Veränderungen der MCH-Konzentrationen innerhalb der Patienten, die mit Mirtazapin behandelt wurden. Die MCH-Konzentrationen nahmen in der Mirtazapin-Gruppe im Verlauf signifikant ab, während die Veränderungen in der Escitalopram-Gruppe nicht signifikant waren, obwohl diese aus mehr Patenten bestand. Dieser mutmaßliche Effekt des noradrenergen und serotonergen Antidepressivums Mirtazapin ist möglicherweise seinen schlaffördernden Eigenschaften zuzuschreiben (Winokur et al., 2003). Unterstützt durch die Feststellung, dass Noradrenalin MCH-Neurone hyperpolarisiert (Bayer et al., 2005), deuten unsere Resultate auf eine potentiell durch Mirtazapin vermittelte Blockade von Noradrenalinrezeptoren hin, die wiederum die Feuerungsrate von MCH-Neuronen und damit die Freisetzung von MCH vermindert. Nach Aufteilung der Depressionspatienten nach Geschlecht, zeigten sich signifikante MCH-Veränderungen im Behandlungsverlauf in weiblichen, aber nicht in männlichen Patienten. Eine präklinische Studie, die Geschlechterunterschiede untersuchte, konnte zeigen, dass die Inaktivierung des MCH1R zu antidepressivem Verhalten in weiblichen, aber nicht in männlichen Mäusen führte, während sowohl männliche als auch weibliche knockout Mäuse ähnliches angstlösendes Verhalten zeigen (Roy et al., 2007). Depressive Erkrankungen stellen einen ernsten Risikofaktor der Gesundheit für Frauen dar, mit einer zweifach höheren Lebenszeitprävalenz, als bei Männern (Sloan und Kornstein, 2003, Simonds und Whiffen, 2003). Der MCH-Rezeptor als Zielstruktur könnte neue Therapieoption depressiver Störungen bieten mit einer potentiell höheren Wirksamkeit bei Frauen.
Die Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang zwischen der EEG-basierten Arousalregulation und den MCH-Konzentrationen hin. Da das MCH mit schlaffördernden Eigenschaften assoziiert ist (Übersichtsartikel: Torterolo et al., 2011; Monti et al., 2013; Konadhode et al., 2015) und maximale MCH-Konzentrationen im Menschen während der Einschlafphase gemessen wurden (Blouin et al., 2013), kann man die gefundenen Zusammenhänge unserer Messergebnisse als übereinstimmend mit den Ergebnissen aus der Literatur betrachten. Auch Ergebnisse aus präklinischen Studien lassen vermuten, dass das MCH an der Modulation von Vigilanzsstadien (Wachheit, REM- und NREM-Schlaf) beteiligt ist (Kilduff & De Lecea 2001; Modirrousta, Mainville, & Jones, 2005; Van Den Pol, Acuna-Goycolea, Clark, & Ghosh, 2004; Verret et al., 2003).
Unsere Ergebnisse sprechen gegen eine im Serum messbare Abweichung der MCH-Regulation in Depressionspatienten, deuten jedoch auf depressionsbedingte Zustände hin, welche durch Schlaf, Medikation und Geschlecht reguliert werden. Weitere Forschung mit größeren Stichproben und einer Untersuchung der MCH-Konzentration im CSF depressiver Patienten ist notwendig, um den Zusammenhang zwischen dem MCH und der unipolaren Depression genauer zu charakterisieren.:Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 2

1 Einführung 4
1.1 Depressionen und Symptomatik 4
1.2 Melanin-konzentrierendes Hormon (MCH) und Depression 5
1.3 Die Rolle von MCH in der Schlaf-Wach-Regulation und Depression 7
2 Ziel der Arbeit 9
3 Methoden 10
3.1 EEG-basierte Arousalregulation 11
4 Ergebnisse 17
4.1 MCH-Konzentrationen bei MDD Patienten und gesunden Kontrollen 17
4.1.1 MCH Konzentrationen im Verlauf 17
4.1.2 MCH-Konzentrationen und subjektive Schlafparameter 17
4.2 EEG-basierte Vigilanzregulation 17
5 Originalarbeit 21
6 Diskussion 29
Zusammenfassung der Arbeit 35
Literaturverzeichnis 40
Anlagen 50
Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 68
Lebenslauf 69
Danksagung 71

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72402
Date09 October 2020
CreatorsNowak, Claudia
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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