Hintergrund: Der tiefe Rückenschmerz ist eine häufig auftretende Erkrankung mit hohem Leidensdruck für die Betroffenen. Tiefer Rückenschmerz geht mit einer hohen sozio- und gesundheitsökonomischen Belastung für die Gesellschaft einher. Die Ursache des tiefen Rückenschmerzes liegt in einem Drittel aller Fälle im Iliosakralgelenk (ISG). Eine schnelle Diagnostik hinsichtlich eines ISG-Syndroms ist bisher noch nicht etabliert worden. Der Goldstandard zur Diagnosestellung ist nach wie vor die minimalinvasive Infiltration des ISG mittels Lokalanästhetika und Kortikosteroiden. Zum therapeutischen Repertoire des ISG-Syndroms zählt unter anderem die Anwendung von Beckenorthesen. Deren Wirkungsweise ist nicht abschließend geklärt. Erstes Ziel der vorliegenden Arbeit war es, einen Algorithmus entwickeln, mithilfe dessen in klinisch angewandten Magnetresonanztomographie(MRT)-Untersuchungen morphometrische Parameter valide und reproduzierbar bestimmt werden können. Der morphometrische Nachweis einer strukturellen Veränderung des kranken gegenüber dem gesunden ISG und der angrenzenden lumbopelvinen Region sowie seiner funktionell zugehörigen Strukturen sollte hierdurch gelingen. Ein zweites Ziel war, durch die Messalgorithmen die Wirkungsweise von Orthesen auf die Beckenmorphometrie zu erforschen, um so Erklärungsmodelle zu deren Wirkung zu untersuchen.
Material und Methoden: Zur Etablierung eines Messalgorithmus wurden in einem ersten Schritt MRT-Untersuchungen an sechs jungen und gesunden Probanden, drei Frauen und drei Männer, vorgenommen. Aus diesen MRT-Daten wurden mittels Segmentierung Daten (Materialise Mimics®, Leuven, Belgien) zu Muskelvolumina erhoben und hieraus physiologische Querschnittsflächen (PCSA) errechnet. Diesen Untersuchungen schloss sich eine Machbarkeitsstudie an humanen Körperspendern an, die neben klinischer Bildgebung auch Plastination der lumbopelvinen Region beinhaltete. In einem zweiten Schritt erfolgte dann die Erhebung von MRT-Daten einer Patientengruppe von 17 Patienten mit nachgewiesenem ISG-Syndrom und einer Vergleichsgruppe von 17 gesunden Probanden. Diese Daten wurden nach Anonymisierung, Randomisierung und Doppelverblindung untersucht (Voxim®, JoCoMed, Chemnitz, Deutschland). Jedem Patienten und jedem Probanden wurde die Beckenorthese SacroLoc® der Fa. Bauerfeind angepasst und die MRT-Daten in drei verschiedenen Gurteinstellungen erhoben: ohne Orthese, mit Orthesenanlage unter moderater und maximal tolerabler Straffung. Messdaten der Lendenwirbelsäule (LWS) wurden ausschließlich ohne Gurt erhoben. An der Lendenwirbelsäule konnten drei Winkel vermessen werden: der Lordosewinkel, der Rotationswinkel und der Winkel der Lateralflexion. Am Becken wurden verschiedene Abstände von vorher definierten Knochenpunkten mit besonderem Blick auf das ISG in allen drei Ebenen vermessen.
Ergebnisse: Durch die Segmentierung konnten Muskelvolumina und PCSA von 28 Muskeln und Muskelgruppen der Becken-Bein-Region erhoben werden. Die Muskelvolumina der männlichen Probanden waren größer als die der weiblichen. Eine klare Korrelation der Beindominanz mit der Muskelgröße wurde nicht gefunden. Abhängigkeiten hinsichtlich Körpergewicht oder Körpergröße konnten nicht gefunden werden.
Die weiteren Untersuchungen zum ISG-Syndrom an Patienten und Probanden zeigten keine morphologischen Unterschiede auf Signifikanzniveau mit einer Ausnahme. Morphometrisch ergab sich ein erhöhter Seitneigungswinkel der LWS: 4,73 ± 2,72° in der Patientengruppe gegenüber 2,81 ± 2,17° bei den Probanden (p = 0,02). Weitere Unterschiede mit einer Signifikanz sind in den Vermessungen der MRT nicht darstellbar.
Diskussion: Ein MRT-basierter Messalgorithmus zur Erhebung morphometrischer Daten der Muskulatur, Knochen und Gelenke der lumbopelvinen Region und der unteren Extremität konnte in dieser Studie erfolgreich erstellt werden. Hinsichtlich der muskulären Parameter war es möglich, aus den mit klinischer Bildgebung erhobenen Daten von großen Körperabschnitten Muskelvolumina und PCSA des Beckens und der unteren Extremität zu generieren, die als Grundlage für vergleichende Untersuchungen dienen können. Hier ist nach der Erhebung der Grundlagendaten von jungen und gesunden Probanden beiden Geschlechts eine Weiterführung des Segmentierungsprotokolls an einer größeren Kohorte sinnvoll. Nachteilig ist der hohe Aufwand, mit dem diese Daten erhoben werden müssen.
Hinsichtlich der erhobenen Parameter bei Patienten mit ISG-Syndrom gelang die Darstellung von Unterschieden in der Ausrichtung der LWS. Aufgrund der geringen absoluten Unterschiede von weniger als 5° ist eine klinische Relevanz dennoch kritisch zu hinterfragen. Der fehlende Nachweis anderer morphometrischer Veränderungen könnte zum einen bedeuten, dass keine morphometrischen Unterschiede zwischen Probanden und Patienten existieren. Zum anderen könnten die Unterschiede zu klein sein, um mit der gewählten Methode und Fallzahl auf Signifikanzniveau nachweisbar zu sein. Dies könnte zum Beispiel durch eine Veränderung der Bilddatenerhebung hinsichtlich Qualität und Probandenposition überprüft werden. Die liegende Position der Probanden führt in dieser Studie zu einer Gegennutation und kann damit die Messung minimaler Positionsänderungen des ISG verhindern. Auch hier könnte eine größere Fallzahl die Aussagekraft der erhobenen Daten verstärken und minimale Veränderungen deutlicher darstellen.:Inhaltsverzeichnis
I. Abkürzungsverzeichnis 3
1. Einführung in die Thematik 4
1.1 Tiefer Rückenschmerz – Definition und Ursachen 4
1.1.1 Morphologische Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und am Iliosakralgelenk 4
1.1.2 Muskuläre Dysbalancen am Beckenring und an der unteren Extremität 11
1.2 Diagnostik und Therapieansätze des ISG-Syndroms 14
1.2.1 Diagnostik 14
1.2.2 Therapieansätze 19
1.3 Die Bedeutung und Möglichkeiten der Vermessung computertomographie- und magnetresonanztomographie-basierter Daten 21
1.3.1 Nutzung von Mimics® für die Erstellung von Muskelparametern an gesunden Probanden 22
1.3.2 Vorabstudie des Algorithmus zur Darstellung und Messung anatomischer Landmarken an Körperspendern mit kombinierter Bildgebung in CT und MRT sowie Plastination – eine Machbarkeitsstudie 26
1.3.3 Nutzung von Voxim® für die Vermessung der lumbopelvinen Region an Gesunden und an Patienten mit ISG-Syndrom 27
1.4 Ziele der Arbeit 29
2. Publikationsmanuskripte 30
2.1 Lube J et al. (2015) Reference data on muscle volumes of healthy human pelvis and lower extremity muscles: an in vivo magnetic resonance imaging feasibility study. 30
2.2 Lube J et al. (2017) Pelvic and lower extremity physiological cross-sectional areas: an MRI study of the living young and comparison to published research literature 38
2.3 Soisson O, Lube J et al. (2015) Pelvic belt effects on pelvic morphometry, muscle activity and body balance in patients with sacroiliac joint dysfunction. 56
3. Zusammenfassung der Arbeit 83
4. Literaturverzeichnis 85
II. Darstellung des eigenen Beitrags 96
III. Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 101
IV. Lebenslauf 103
V. Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vorträge 104
VI. Danksagung 105
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:16713 |
Date | 07 November 2017 |
Creators | Lube, Juliane |
Contributors | Universität Leipzig |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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