Die Implementierung von atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperren (Alkohol- Interlocks) in das System des deutschen Verkehrsrechts lässt auch Ende 2019 noch immer auf sich warten. Dies hat Gründe. Das deutsche Verkehrsrecht ist insbesondere verteilt auf das öffentliche Recht und das Strafrecht und damit auf zwei Rechtsgebiete, die kaum Berührungspunkte miteinander haben. Allerdings ist das Fahreignungsrecht sowohl im StGB, als auch im StVG und in der FeV verankert und muss einerseits von der Strafjustiz und andererseits von den Fahrerlaubnisbehörden bei den betreffenden Kraftfahrern angewandt werden. Die in dieser Studie allein interessierende Klientel ist durch eine oder mehrere Fahrten in mehr oder minder stark alkoholisiertem Zustand auffällig geworden und hat daraufhin entweder eine Strafe oder eine verwaltungsrechtliche Sanktion erhalten. Betroffene Personen denken in denjenigen Staaten, in denen Alkohol-Interlocks rechtlich implementiert sind, nun darüber nach, dass sie doch aufgrund von Sachzwängen eine gültige Fahrerlaubnis benötigen, um zur Arbeit zu kommen und beantragen die Teilnahme an einem staatlichen Alkohol-Interlock-Programm. Derartige Programme existieren auf den drei Kontinenten Amerika, Australien und Europa, wo diese in der genannten zeitlichen Reihenfolge eingeführt wurden und seither Fahrten alkoholisierter Fahrer effektiv verhindern. Die rechtspolitische Diskussion in Deutschland wird zu diesem Thema seit zwei Jahrzehnten ohne konkrete Erfolge geführt, obwohl Alkoholfahrten – auch von Wiederholungstätern – nach wie vor ein großes Unfallrisiko im Straßenverkehr darstellen. Aktuell wird die Diskussion darüber geführt, ob zunächst ein bundesweites Pilotprojekt durchgeführt werden sollte, um auf der Grundlage empirischer Daten entscheiden zu können, auf welche Weise Alkohol-Interlock-Projekte eingeführt werden könnten. Als Alternativen stehen prinzipiell Implementierungen im Strafrecht und im Verwaltungsrecht zur Verfügung, wobei diverse Einzelheiten noch streitig sind. In beiden Bereichen ist bislang unstreitig, dass eine alleinige technische Lösung des Einbaus eines Alkohol-Interlocks ohne ein begleitendes verkehrspsychologisches Programm keine nachhaltige Wirkung für die Zeit nach dem Ausbau eines Alkohol-Interlocks ausüben könnte. Im Strafrecht existiert – im Gegensatz zum Verwaltungsrecht – bislang kein Rechtsinstitut der bedingten Eignung, sodass ein solches Institut erst noch wahlweise von der Gesetzgebung oder von der Rechtsprechung entwickelt werden müsste. Einstweilen böten sich die Verkürzung der Sperrfrist oder eines Fahrverbots an, um auch im strafrechtlichen Bereich Alkohol- Interlocks zu erproben. Problematisch wäre allerdings das Kosten-Nutzen- Verhältnis, das solvente Straftäter bevorzugen würde. Das Verwaltungsrecht, das eine bedingte Eignung kennt, stünde für Alkohol- Interlock-Programme zur Verfügung, würde jedoch eine neue gesetzliche Grundlage benötigen. Dabei könnte ein AIP problemlos im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts installiert werden, ohne dass die Eignungsproblematik im Wege stehen würde. Allerdings sollte dann die zeitliche Dauer der anstatt eines Fahrverbots auf freiwilliger Basis angebotenen Maßnahme, je nach Dauer des verhängten Fahrverbots auf einen Zeitraum von 6 – 12 Monaten festgelegt werden, um überhaupt auf den Alkoholtäter einwirken zu können. Die Installation von Alkohol-Interlocks in allen Neufahrzeugen wäre eine vergleichsweise kostengünstige Präventionsmaßnahme, durch die alkoholbedingte Verkehrsunfälle zu einem großen Teil verhindert werden könnten.1 Eine solche, unter dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkt radikale juristische Lösung ließe sich auf der verfassungsrechtlich verankerten Grundlage der Schutzpflicht des Staates auch begründen, würde jedoch einen breiten politischen Konsens erfordern. / The implementation of Ignition-Interlock-Devices and an Ignition-Interlock- Program in the system of German traffic law is at the end of 2019 still waiting. This has reasons. In particular, German traffic law is divided between public law and criminal law and thus two areas of law that have little to do with one another. However, the traffic law is anchored both in the Criminal Code (StGB), in the Road Traffic Act (StVG) and in the Driving Regulation (FeV) and must be applied on the one hand by the criminal justice and on the other hand by the driving license authorities with the concerned motorists. The clientele that are of interest in this study alone have become conspicuous by one or more car rides in a more or less alcoholic state and have subsequently received either a penalty or an administrative sanction. Affected individuals now think in those states where alcohol interlocks are legally implemented that they need a valid driving license to get to work because of constraints and are applying for a state alcohol interlock program. Such programs exist on the three continents of America, Australia and Europe, where they were introduced in the order of time mentioned above and effectively prevent ridden drivers from driving. The legal policy discussion in Germany has been conducted on this issue for two decades without any concrete results, although alcohol rides – even of repeat offenders – still represent a major accident risk in road traffic. The discussion is currently underway as to whether a nationwide pilot project should first be carried out in order to decide on the basis of empirical data how alcohol interlock projects could be introduced. In principle, implementations in criminal law and administrative law are available as alternatives, although various details are still in dispute. In both areas, it is undisputed that a sole technical solution to the integration of an alcohol interlock without an accompanying traffic psychology program would not have a sustainable effect for the period following the development of an alcohol interlock. In criminal law – in contrast to administrative law – there is no legal institute of conditional suitability, so that such an institute would have to be developed by the legislature or the jurisprudence. In the meantime, the shortening of the lock-up period or of a driving ban would be sufficient to test alcohol interlocks in criminal matters. However, the cost-benefit ratio that solvent offenders would prefer would be problematic. The administrative law, which has a conditional suitability, would be available for alcohol interlock programs, but would require a new legal basis. An Ignition-Interlock-Program could easily be installed within the framework of the offense law, without the suitability problem would stand opposition. However, the duration of the measure offered instead of a voluntary ban should be set at a period of 6 to 12 months, depending on the duration of the ban, in order to have any effect on the alcohol offender. The installation of alcohol interlocks in all new vehicles would be a relatively inexpensive preventive measure that could to a large extent prevent alcohol- related traffic accidents. Such a radical legal solution under the constitutional proportionality aspect could also be based on the constitutionally anchored basis of the state's obligation to protect life an health, but would require a broad political consensus.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:74709 |
Date | 29 April 2021 |
Creators | Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. |
Publisher | Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:book, info:eu-repo/semantics/book, doc-type:Text |
Source | Forschungsberichte / Unfallforschung der Versicherer, GDV |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-746296, qucosa:74629 |
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