Eine hohe Änderungsmotivation nach dem transtheoretischen Modell der Verhaltensänderung hat sich bei Essstörungen in vielen Studien als mit einem wünschenswerten Therapieausgang im Zusammenhang stehend gezeigt. Gleichzeitig weisen insbesondere Betroffene mit einer Anorexia oder Bulimia nervosa eine geringe Änderungsmotivation auf. Für den Essstörungsbereich entwickelte Interventionen zur Steigerung der Änderungsmotivation sind überwiegend im Motivational Interviewing verankert, worin u. a. der Arbeit mit Lebenszielen von Patienten eine wichtige Bedeutung zugeschrieben wird. Die Rolle solcher expliziter Ziele ist jedoch bisher für Anorexia und Bulimia nervosa nicht untersucht worden. Dennoch sind die Forschungsergebnisse zum Motivational Interviewing bei Essstörungen überwiegend vielversprechend und in den Studien, in denen lediglich vergleichbare Verbesserungen in Kontroll- sowie Interventionsgruppe zu verzeichnen waren, könnten potentielle Unterschiede möglicherweise aufgrund des Einsatzes inadäquater Messinstrumente unentdeckt geblieben sein. Zur gezielten Auswahl eines geeigneten Messinstruments wäre deshalb ein systematischer Überblick über Verfahren zur Erfassung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa hilfreich, den die Literatur bisher jedoch nicht bietet. Studien bezüglich Interventionen zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Essstörungen wurden außerdem bisher ausschließlich im „face-to-face“-Setting durchgeführt und evaluiert, obwohl das Internet aufgrund seiner Niederschwelligkeit besonders geeignet für einen ersten Zugang zu Hilfsangeboten für von Anorexia und Bulimia nervosa Betroffene zu sein scheint.
Nachdem zunächst die Rolle expliziter Ziele bei Anorexia und Bulimia nervosa untersucht sowie ein systematischer Überblick über Messinstrumente zur Erfassung der Änderungsmotivation bei Essstörungen erstellt wurde, lag das primäre Ziel dieser Arbeit in der Evaluation eines Online-Programms zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Frauen mit Symptomen einer Anorexia und Bulimia nervosa. Dieses am transtheoretischen Modell orientierte und sich der Prinzipien des Motivational Interviewing bedienende Programm wurde in einem randomisiert-kontrollierten Versuchsdesign mit Warte-Kontrollgruppe im Prä-Post-Vergleich evaluiert.
Es stellte sich heraus, dass Frauen mit Anorexia und Bulimia nervosa im Wesentlichen die gleichen Ziele verfolgen wie gesunde Kontrollprobandinnen, wobei sie ihre Ziele untereinander förderlicher wahrnehmen als gesunde Frauen, ihnen die Realisierung der Ziele aber schlechter gelingt. Die im Motivational Interviewing vorgeschlagene Arbeit mit Zielen scheint somit im Bereich der Essstörungen sinnvoll und wurde auch in dem hier evaluierten Online-Programm berücksichtigt, wobei den Ergebnissen entsprechend dabei nicht auf essstörungsspezifische Zielinhalte eingegangen wurde. Für die systematische Überblicksarbeit ließen sich ausschließlich auf dem transtheoretischen Modell basierende Verfahren zusammentragen. Da sich eine symptomspezifische Erfassung der Änderungsmotivation einer globalen Messung gegenüber als überlegen herausstellte, wurde ein symptomspezifisches Maß in Form eines Fragebogens zur Erfassung der primären Outcome-Variablen für die Evaluation des Online-Programms gewählt. Im Prä-Post-Vergleich der web-basierten Intervention ließen sich ein signifikanter Anstieg der Änderungsmotivation in mehreren Symptombereichen sowie Verbesserungen in einigen weiteren klinischen Maßen in der Experimentalgruppe nachweisen, jedoch nicht in der Kontrollgruppe. Es wurde eine Dropout-Rate von 41% verzeichnet.
Das Internet ist ein geeignetes Medium für den Einsatz von Interventionen zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Frauen mit Symptomen einer Anorexia oder Bulimia nervosa. Bei Online-Programmen für Essstörungen stellt die Reduktion hoher Dropout-Raten eine Herausforderung für zukünftige Forschungsarbeiten dar. Bezüglich der Erfassung der Änderungsmotivation wären vom transtheoretischen Modell unabhängige Verfahren wünschenswert, die einen möglicherweise von der kategorialen Konzeption abweichenden Ansatz bieten. Bei der weiteren Erforschung von Lebenszielen bei Frauen mit Anorexia und Bulimia nervosa sollte zusätzlich der Einfluss impliziter Motive berücksichtigt werden.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-osnabrueck.de/oai:repositorium.ub.uni-osnabrueck.de:urn:nbn:de:gbv:700-2014032712337 |
Date | 27 March 2014 |
Creators | Hötzel, Katrin |
Contributors | Prof. Dr. Silja Vocks, apl. Prof. Dr. Henning Schöttke |
Source Sets | Universität Osnabrück |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf, application/zip |
Rights | Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International, http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ |
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