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Untersuchung behavioraler, elektrophysiologischer und neuroanatomischer Korrelate spektrotemporaler Repräsentationen im Kontext auditiver Sprachwahrnehmung

Hintergrund: Die vorliegende experimentelle Arbeit widmet sich den neurobiologischen Korrelaten der frühen auditiven Sprachverarbeitung. Es wird angenommen, dass dem Verständnis von Sprache eine Segmentierung des akustischen Eingangssignals in unterschiedlich lange bedeutungsrelevante Abschnitte zugrunde liegt, welche der Auftretensraten von Lauten (~40 Hz)
und Silben (~4 Hz) entspricht. Dem sog. Modell des „Asymmetric Sampling in Time“ zufolge wird dem linken Temporalkortex in diesem Zusammenhang die bevorzugte Verarbeitung sich in kurzen Zeitfenstern (20-50 ms) ändernder (sub-)segmentaler akustischer Information auf Lautebene zugeschrieben. Dem gegenüber werden im rechten Temporalkortex bevorzugt in längeren Zeitfenstern (150-250 ms) auftretende, suprasegmentale Informationen auf Silben-, Wortund Satzebene integriert (Boemio et al., 2005; Chait et al., 2015; Poeppel, 2003). Die Bedeutung des Gesagten verbirgt sich letztlich unter anderem in der zeitlichen Beziehung dieser sukzessiven Stimuluselemente (i.e. Lautfolge und Silbenfolge). Für die Wahrnehmung dieser, im zeitveränderlichen akustischen Signal enthaltenen Informationen, geht man daher davon aus, dass Vorhersagen zukünftiger Ereignisse auf dem Boden mentaler Repräsentationen des regelhaften Verhaltens der akustischen Umgebung hilfreich für deren Verarbeitung sind. Die Erfassung sowie die Vorhersage der zeitlichen Struktur des Eingangssignals bildet dabei die Basis für eine effiziente und zeitgerechte Verknüpfung der Segmente zu einer bedeutungstragenden zusammenhängenden sprachlichen Äußerung (Schwartze & Kotz, 2016). Hinsichtlich der an diesem
Verarbeitungsprozess beteiligten Hirnstrukturen wird angenommen, dass ein erweitertes subkortiko-kortikales Netzwerk zur Repräsentation einer zeitlichen Ereignisstruktur beiträgt. Dieses soll neben den im linken temporalen Kortex lokalisierten höheren auditorischen Arealen (Assoziationskortex) unter anderem das Zerebellum und frontale Hirnregionen einbeziehen und eine optimierte Verarbeitung sprachlicher Informationen ermöglichen (Kotz & Schwartze, 2010).
Zielsetzung: Ziel der Untersuchung war es den Beitrag der linken Hemisphäre zur Enkodierung auditorischer Repräsentationen auf kurzen Zeitskalen und der resultierenden Wahrnehmbarkeit nicht-sprachlicher und sprachlicher akustischer Unterschiede im Bereich weniger Millisekunden zu evaluieren. Es sollte weiterhin überprüft werden, inwiefern auditorische Repräsentationen sich in kurzen Zeitfenstern ändernder akustischer Informationen von Bedeutung für Vorhersagen der zeitlichen Struktur in Ereignisrepräsentationen unterschiedlicher Granularität sind. Von diesen Ereignisrepräsentationen wird angenommen, dass sie die bedeutungstragenden zeitlichen oder sequentiellen Relationen eines Ereignisses in Bezug auf vorausgegangene Ereignissen enkodieren (Schröger et al., 2014; Winkler & Schröger, 2015). Der Beitrag dieser Mechanismen zur Optimierung von (Sprach-)Verarbeitungsprozessen in einem subkortikokortikalen Netzwerk sollte unter der vermuteten Einbeziehung des Zerebellums und des frontalen Kortex anhand einer läsionsbasierten Konnektivitätsanalyse beleuchtet werden. Material und Methoden: In der Arbeit wurden in Anknüpfung an die bereits vorliegende Patientenevidenz (Chedru et al., 1978; Efron, 1963) einer bevorzugt linkshemisphärischen Prozessierung akustischer Information innerhalb kurzer Zeitfenster (Boemio et al., 2005; Poeppel, 2003) Patienten mit links temporoparietalen Hirninfarkten (N = 12) und Kontrollprobanden (N = 12) ohne eine Hirnschädigung gegenüber gestellt. In einer Reihe behavioraler und elektrophysiologischer Untersuchungen wurden die Gruppen hinsichtlich ihrer Fähigkeit, spektrotemporale und sequentielle Information auf unterschiedlichen Zeitskalen zu enkodieren verglichen. Gemessen wurden in diesem Zusammenhang Schwellenwerte für die Wahrnehmung von Tonfolgen und sich aus Tonpaaren zusammensetzenden Reizmustern sowie das Diskriminationsver
mögen für Lautunterschiede. Anhand der Mismatch-Negativität (MMN), einer Komponente ereigniskorrelierter Potentiale infolge unerwarteter nicht-regelkonformer Reize, sollten Verarbeitungsunterschiede und die Vorhersage zukünftiger Ereignisse unter der Präsentation von auf verschiedenen Zeitskalen manipulierten nicht-sprachlichen (Töne) und sprachlichen (Pseudoworte) Stimuli objektiviert werden. In einer nachfolgenden Läsionsanalyse und probabilistischen Diffusions-Tensor-Traktographie wurden ausgehend von Verhaltensunterschieden innerhalb der Patientengruppe assoziierte, für die untersuchte Funktion entscheidende, kortiko-kortikale und subkortikale Netzwerke dargestellt.
Ergebnisse: Zunächst konnte der Beitrag der linken Hemisphäre zur Enkodierung auditorischer Repräsentationen auf kurzen Zeitskalen und der resultierenden selektiven Störung der Wahrnehmbarkeit nicht-sprachlicher und sprachlicher akustischer Unterschiede im Bereich weniger Millisekunden bestätigt werden. Patienten mit Hirninfarkten zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe ein geringeres Auflösungsvermögen für schnelle Tonfolgen und Lautunterschiede im
Artikulationsort. Nachfolgend gelang es basierend auf der im Mittel bei Patienten reduzierten Amplitude der MMN auf schnelle Ton- und Lautfolgen im Gegensatz zu langsamen Ton- und Silbenfolgen ein Enkodierungsdefizit auf kurzen Zeitskalen zu objektivieren. Anschließend wurden in einer Läsionsanalyse Regionen im Bereich des linken posterioren Sulcus temporalis superior als funktionskritisch für die Repräsentation akustischer Information innerhalb kurzer Zeitfenster identifiziert. Ausgehend von diesen konnte basierend auf einem MRT-Datensatz in Alter und Geschlecht übereinstimmender Kontrollprobanden assoziierte Projektions- sowie Assoziationsfasertrakte zwischen dem linken posterioren Sulcus temporalis superior (STS) und dem posterior lateralen Zerebellum (Crus I/II) beidseits sowie links superior parietalen, inferior und präfrontalen Hirnregionen nachgewiesen werden. Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Arbeit konnte anhand elektrophysiologischer Marker (MMN) bei Patienten mit links temporoparietalen Hirninfarkten erstmalig eine Dissoziation zwischen der Repräsentation sprachlicher Information auf kurzen und langen Zeitskalen sowie eine daraus resultierende gestörte Vorhersagengenerierung von Laut- gegenüber Silbenfolgen gezeigt werden. Dieser Befund bestätigt den Beitrag des linken temporoparietalen Kortex zur Generierung auditorischer Repräsentationen sich in kurzen Zeitfenstern ändernder akustischer Informationen, welche von Bedeutung für die Vorhersage der zeitlichen Struktur in Ereignisrepräsentationen unterschiedlicher Granularität sind. Die in der Läsionsanalyse und läsionsbasierten Konnektivitätsanalyse erhobenen Befunde deuten neben dem Beitrag höherer auditorischer Assoziationsareale zur Enkodierung unterscheidungsrelevanter Merkmale in kurzen Zeitfenstern auf ein Mitbeteiligung eines assoziierten kortiko- und subkortiko-kortikalen Netzwerkes hin. Anhand bekannter Funktionen von Projektionen und Zielregionen kann vermutet werden, dass dieses auf der Basis einer extrahierten Ereignisstruktur die zeitgerechte Enkodierung kortikaler auditorischer Repräsentationen aus den im kontinuierlichen Eingangssignal enthaltenden informationstragengenden Abschnitten (z.B. Lautinformation) unterstützt. Dabei bilden bidirektionale temporo-ponto-zerebello-thalamo-rubro-temporale Projektionen möglicherweise das strukturelle Korrelat einer funktionellen Schleife, in der basierend auf dem auditorischen Eingangssignal mentale Repräsentationen der zeitlichen Struktur sukzessiver Ereignisse enkodiert werden. Diese wiederum ermöglichen die Generierung von Vorhersagen über die Abfolge zukünftiger Ereignisse, welche in Antizipation selbiger die Integration in kortikalen Zielarealen vorbereiten können (Schwartze & Kotz, 2016).:1 Einführung
1.1 Theoretisch-konzeptioneller Hintergrund
1.2 Charakterisierung von Sprache
1.3 Enkodierung spektrotemporaler Struktur
1.4 Enkodierung von Vorhersagen formaler und temporaler Struktur
1.4.1 Vorhersagenenkodierung in Vorwärtsmodellen
1.4.2 Enkodierung auditorischer Ereignisrepräsentationen
1.5 Elektrophysiologische Untersuchung auditiver Verarbeitungsprozesse
1.5.1 Mismatch-Negativität: Vorhersagenenkodierung und Regelverletzungen
1.5.2 Mismatch-Negativität: Generatoren
1.6 Aufgabenstellung und Hypothesen
2 Material und Methoden
2.1 Studiendesign
2.2 Probanden
2.2.1 Peripheres Hörvermögen
2.2.2 Charakterisierung der Patienten
2.3 Untersuchung von Wahrnehmungsschwellen und Sprachverarbeitung
2.3.1 Untersuchungsablauf und Stimulusmaterial
2.3.2 Bestimmung von Ordnungs- und Diskriminationsschwellen
2.3.3 Diskriminationsleistung auf Wort- und Lautebene
2.3.4 Datenanalyse
2.4 Messung ereigniskorrelierter Potentiale
2.4.1 Untersuchungsablauf und Stimulusmaterial.
2.4.2 Datenerhebung und -analyse
2.5 Läsionsanalyse
2.5.1 Datenerhebung
2.5.2 Läsionskartierung und -subtraktion
2.6 Läsionsbasierte Konnektivitätsanalyse
2.6.1 Datenerhebung und Vorverarbeitung
2.6.2 Läsionsbasierte probabilistische Traktographie
3 Ergebnisse
3.1 Behaviorale Untersuchung
3.1.1 Repräsentation nicht-sprachlicher akustischer Informationen
3.1.2 Repräsentation sprachlicher akustischer Informationen
3.2 EEG-Experiment
3.2.1 Kortikale Potentialantwort auf Sinustöne
3.2.2 Kortikale Potentialantwort auf langsame Tonsequenz
3.2.3 Kortikale Potentialantwort auf schnelle Tonsequenz
3.2.4 Kortikale Potentialantwort auf Silbensequenz
3.2.5 Kortikale Potentialantwort auf Lautsequenz
3.3 Läsionsanalyse
3.4 Läsionsbasierte Konnektivitätsanalyse
4 Diskussion
4.1 Verarbeitungsstörung auf kurzen Zeitskalen nach links temporoparietalen Hirninfarkten
4.2 Enkodierungsdefizit für schnelle Ton- und Lautfolgen
4.3 Repräsentation spektrotemporaler Struktur im linken Sulcus temporalis superior
4.4 Beitrag kortiko- und subkortiko-kortikaler Netzwerke zur auditiven Sprachwahrnehmung
4.5 Einordnung der Untersuchung und Ausblick
5 Zusammenfassung
Bibliographie
Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit
Lebenslauf
Publikationen und Präsentationen
Danksagung

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:17265
Date05 March 2018
CreatorsStockert, Anika
ContributorsSaur, Dorothee, Schröger, Erich, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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