Männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund werden in öffentlichen und politischen Debatten häufig pauschal zu einer Problemgruppe stilisiert und in wissenschaftlichen Diskursen werden ihnen u.a. Schwierigkeiten bei der Identitätsbildung attestiert. Vor dem Hintergrund, dass männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund insbesondere in informellen Kontexten (d.h. außerhalb des Vereins) äußerst sportaffin sind, setzt sich die Dissertation mit dem informellen Fuß- und Basketballspielen von marginalisierten jungen Männern aus einem traditionsverwurzelten Migranten-Milieu auseinander. Im Mittelpunkt der qualitativ angelegten Studie steht dabei die Frage, welche Sinnperspektiven die jungen Männer mit dem informellen, selbstorganisierten Sporttreiben verbinden und welche Bedeutung der Sport bei der Arbeit an der Identität (einschließlich der Geschlechtsidentität) einnimmt. Auf Grundlage von leitfadengestützten Interviews sowie ethnographischen Gesprächen und Beobachtungen werden sowohl die narrativen als auch die durch körperliches Bewegungshandeln erfolgenden (unbewussten) Identitätskonstruktionen und -darstellungen nachgezeichnet, und es wird die besondere Struktur dieser kleinen Lebenswelt beleuchtet. Dabei zeigt sich, dass der informelle Sport für die 13 untersuchten Hauptschüler eine Gegenwelt zur Lebenswelt Schule darstellt, insofern sie hier nicht nur Kompetenzerfahrungen machen können, sondern zudem die ihnen relevanten symbolischen Kapitalien „Respekt“ und „Ehre“ ‚erwirtschaften‘ können. Die Möglichkeit, im informellen Sport identitätsstärkende Erfahrungen zu machen, steht vor allem im Zusammenhang mit der besonderen Struktur des Sports, infolge derer die Jugendlichen bspw. den Sinnrahmen der Aktivitäten selbst bestimmen können und positiv konnotierte Sonderrollen (z.B. die Rolle des Sportvermittlers) einnehmen können. Darüber hinaus veranschaulicht die Untersuchung, dass insbesondere die Jungen mit muslimischem Hintergrund den Sport funktionalisieren, um in ihren Familien zumeist vorherrschende dominanzorientierte Männlichkeitsentwürfe und damit einhergehende hierarchische Geschlechterverhältnisse zu reproduzieren. Damit kann der Sport zwar als zentraler Identitätsstabilisator beschrieben werden, er leistet jedoch zugleich einen Beitrag zum Tradieren von althergebrachten Männlichkeitsentwürfen.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-goettingen.de/oai:ediss.uni-goettingen.de:11858/00-1735-0000-002B-7D29-1 |
Date | 30 September 2016 |
Creators | Müller, Johannes |
Contributors | Schröder, Jürgen Prof. Dr. |
Source Sets | Georg-August-Universität Göttingen |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralThesis |
Relation | http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ |
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