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Erinnerungen

Meine frühesten Erinnerungen an die damalige Russische Zone sind geprägt durch die Kindheit und Jugend in Oberfranken, zunächst in der Gegend um Staffelstein, wohin wir 1946 aus Bielitz, einer ehemaligen deutschen Sprachinsel im südlichen Oberschlesien, geflüchtet waren, später in Bayreuth, wo ich das Gymnasium besuchte. Es war ein Leben im Zonenrandgebiet Bayerns, einem ca. 40 km breiten Streifen entlang der Demarkationslinie zwischen der sowjetrussischen Besatzungszone sowie der amerikanischen und britischen, die seit 1949 die innerdeutsche Grenze bildete. Sie reichte von der Ostsee bis zum nordwestlichen Österreich, denn sie schloss auch die Tschechoslowakei mit ein. Diese Region unterstand gesetzlichen Sonderregelungen und musste besonders gefördert werden, da sie von ehemals lebenswichtigen Verkehrs-, Wirtschafts- und Kulturverbindungen
abgeschnitten war. Das Leben dort war durch die beiden, im Alltag unüberwindlichen Grenzen geprägt. Das Bewusstsein des unwiederbringlich scheinenden Land-Verlustes wurde verstärkt durch die beständige Begegnung mit früheren Traditionen. Die engen Beziehungen zu Thüringen und Sachsen begegneten täglich in Straßennamen, auf Wegweisern, in der Geschichte der Baudenkmäler etc. Und sie wurden lebendig gehalten, beispielsweise durch Schulausflüge zu grenznahen Ausblicken, von denen man die verlorenen Gebiete sehen sollte: auf die Kösseine, einem Bergmassiv im Hohen Fichtelgebirge mit einer Aussicht auf den Thüringerwald, den Böhmerwald und das Erzgebirge oder auf Bayerns nördlichste Burg Lauenstein, die direkt an der Grenze, nahe Probstzella lag. Als Flüchtlinge aus
dem Osten verbanden wir Grenzen mit dem Verlust von Heimat. Und es lebten in Oberfranken viele Vertriebene, vor allem aus dem benachbarten Böhmerwald oder aus Eger, d. h. nur wenige Kilometer von ihrer früheren Existenz entfernt.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:70713
Date05 May 2020
CreatorsAndraschke, Peter
PublisherGudrun Schröder Verlag, Internationale Arbeitsgemeinschaft für die Musikgeschichte in Mittel- und Osteuropa an der Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:article, info:eu-repo/semantics/article, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-707839, qucosa:70783

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