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Reduzierte Säuretoleranz in ösophagealen Adenokarzinomzellen durch Aktivierung des Nrf2/Keap1 Signalwegs

Die Inzidenz des ösophagealen Adenokarzinoms (EAC) ist in den letzten Jahrzehnten in Ländern mit hohem durchschnittlichem Einkommen gestiegen, ohne dass sich die Prognose dieser Erkrankung wesentlich verbessert hat. Der größte Teil der EAC wird erst in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert. Bei bereits fortgeschrittenen, aber noch operablen Karzinomen muss zusätzlich zur Ösophagusresektion noch eine perioperative Chemotherapie
durchgeführt werden, bei welcher das FLOT-Schema angewendet wird. Dabei bekommen die Patient:innen die Chemotherapeutika 5-Fluoruracil, Oxaliplatin und Docetaxel und Leucovorin. In diesen Fällen liegt das 3-Jahres-Überleben trotz der sehr belastenden Therapie nur bei 57%.
Auch bei bereits inoperabel fortgeschrittenen Karzinomen kommen in palliativer Intention eine (Poly-)Chemotherapie, beispielsweise mit Oxaliplatin, Cisplatin und/oder 5-Fluorouracil, und weitere symptomlindernde Maßnahmen zum Einsatz. Das Ansprechen auf die Chemotherapie ist über alle Erkrankungsstadien hinweg individuell sehr unterschiedlich und kann bisher nur schlecht vorhergesagt werden.
Die Gründe des Inzidenzanstiegs des EAC sind ebenfalls noch weitgehend unklar.
Wahrscheinlich spielt der Lebensstil eine entscheidende Rolle: Tabakrauchen und Übergewicht gehören zu den Hauptrisikofaktoren des EAC und begünstigen die
Entstehung einer gastroösophagealen Refluxerkrankung (GERD). Die
Refluxerkrankung selbst kann wiederum zu einem Barrett-Ösophagus, der
Präkanzerose des EAC, führen. Dieser Progress führt auf histologischer Ebene von der Barrett-Metaplasie über die Dysplasie zum Karzinom und wird auch Barrett-Sequenz genannt.
Da die GERD als Hauptrisikofaktor gilt und eine verminderte Säureproduktion des
Magens durch PPI-Therapie oder eine H. pylori Infektion vor der Entstehung eines
EACs schützt, ist die Untersuchung der Auswirkungen des pH-Wertes auf die
ösophageale Schleimhaut von zentraler Bedeutung. Die Schleimhaut wird durch die Magensäure geschädigt und reagiert mit einer Inflammationsreaktion, welche chronifizieren kann und zur Einwanderung von Immunzellen, Zytokinfreisetzung und ROS-Akkumulation führt. Ist die Zelle einer repetitiven Säureexposition ausgesetzt, werden Signalwege aktiviert, welche vor den schädigenden Auswirkungen der ROS, der Inflammationsreaktion und vor Apoptose schützen. Bei langfristiger dauerhafter Aktivierung dieser Signalwege wird der Zellmetabolismus protumorigen verändert und Mutationen akkumulieren, ohne dass sie repariert werden oder die Zelle stirbt. Hält dieser Ausnahmezustand über lange Zeit an erhöht sich das Risiko für eine Barrett-Metaplasie und eine Progression zum EAC. Die durch den Reflux von Magensäure hervorgerufenen molekularen Veränderungen des Nrf2- und NFκB-Signalwegs über die verschiedenen Stadien der Entwicklung des EAC sind Gegenstand dieser Arbeit.
Der Nrf2-Signalweg wird durch zellulären und oxidativen Stress aktiviert und führt über die Aktivierung der ARE-Regionen in der DNA zur verstärkten Transkription
verschiedener Enzyme. Dabei wird unter anderem die Expression von Enzymen aller drei Phasen der Biotransformation, für Schlüsselenzyme des Glukose-, Lipid- und Aminosäurestoffwechsels und der Redox-Homöostase hochreguliert. In gesunden Zellen führt dies zum Schutz vor dem Absterben durch externe Stressoren. Ist der Nrf2-Signalweg jedoch dauerhaft aktiv, führt er zur Reprogrammierung des Zellmetabolismus und begünstigt so die Entstehung
von Krebs.
Der NFκB-Signalweg ist einer der wichtigsten Signalwege für die Regulierung von
Zellstoffwechsel, Inflammationsreaktionen und Apoptose. Die erhöhte Expression von NFκB wurde bereits in mehreren Krebsarten, so auch im EAC, nachgewiesen. Der Mechanismus der Inflammation ist ebenfalls in die Progression der Barrett-Sequenz involviert.
Um die Auswirkungen von Säure auf Zellen der ösophagealen Schleimhaut in verschieden Stadien der Krebsentstehung detaillierter zu untersuchen, wurde ein in
vitro Modell aus sechs immortalisierten Zelllinien genutzt, welches die Barrett-Sequenz abbilden soll. Zwei der Zelllinien repräsentieren gesunde ösophageale Schleimhaut (EPC1 und EPC2), eine repräsentiert die Metaplasie (CP-A), eine die Dysplasie (CP-B) und weitere zwei Zelllinien stammen von Patient:innen mit EAC in verschiedenen Stadien (OE33 im UICC Stadium IIa und OE19 im UICC Stadium III). Zusätzlich kam ein 3D-Zellkulturmodell zum Einsatz, bei welchem EPC2 als Epithelzellschicht auf einer Schicht aus Fibroblasten in Matrigel kultiviert und anschließend histologisch aufgearbeitet und gefärbt wurden.
Der Reflux von Magensäure und die damit einhergehende Veränderung des
Umgebungsmilieus der Zellen wurde durch Ansäuern des Zellkulturmediums mit
Salzsäure simuliert. Anhand dieses Modells konnte die Reaktion auf saure pH-Werte in verschiedenen Refluxsimulationsexperimenten untersucht werden. Sowohl die Viabilität der Zelllinien als auch die Aktivität des Nrf2- und NFκB-Signalwegs
unterschieden sich dabei deutlich.
Das Überleben der Zellen unter Behandlung mit saurem Medium ist grundsätzlich
abhängig von der Expositionsdauer und dem pH-Wert. Die Zelllinien in einem
fortgeschrittenen Stadium der Barrett-Sequenz zeigten zudem im Vergleich ein
besseres Überleben in der Refluxsimulation und sind resistenter gegenüber
sauren pH-Werten als die Zelllinien, welche gesunder Schleimhaut entstammen. In 3D Kulturen wird die Epithelschicht histologisch sichtbar durch die Refluxsimulation
geschädigt.
Die Genexpression von Nrf2 selbst und seinem Downstreamtarget HO1 konnte mittels qPCR für die Zelllinien bzw. Immunhistochemie gegen HO1 für die 3D-Kulturen gezeigt werden.
Bei den physiologischen und meta- bzw. dysplastischen Zelllinien zeigte sich keine Veränderung der Nrf2-Expression nach einer zweitägigen Refluxsimulation. Die Expression von HO1 stieg jedoch bei allen Zelllinien an. In histologischen Schnitten der 3D-Kultur mit EPC2 kann im Vergleich zur Kontrolle ebenfalls eine Hochregulation des Nrf2-Downstream-Moleküls HO1 gezeigt werden.
Dieser HO1-Anstieg spricht für eine normale Aktivierung des Nrf2-Signalweges nach
einem auslösenden Ereignis, die noch nicht zu einer dauerhaften Erhöhung der Nrf2-Expression führt.
In den beiden EAC-Zelllinien wurde die Aktivität des Nrf2-Signalweges nach
Säurestimulation zusätzlich auf weiteren Ebenen untersucht. Die Konzentration von
nukleärem Nrf2 konnte mittels Western Blot bestimmt werden und die
Transkriptionsaktivität in ARE wurde mittels Luciferase-Assay nachgewiesen. Die
Aktivierung des NFκB-Signalweges wurde ebenfalls mit Western Blots untersucht.
Bei der Zelllinie OE33 im UICC-Stadium II steigen sowohl die nukleäre Nrf2-
Konzentration als auch die Luciferase-Aktivität nach der Säurestimulation an. Auch die Nrf2- und die HO1-Expression waren im Vergleich zur Kontrolle signifikant erhöht. Die nukleäre NFκB-Konzentration war nach der Refluxsimulation stark erhöht. Bei der Zelllinie OE19 im UICC-Stadium III konnte nach der Säurestimulation ebenfalls eine signifikante Konzentrationserhöhung von Nrf2 im Zellkern nachgewiesen werden. Die mittels Luciferase-Assay untersuchte ARE-Aktivität und das Expressionslevel von Nrf2 und HO1 im Vergleich zur Kontrolle zeigten jedoch keine Veränderung. Die nukleäre NFκB-Konzentration war zwar signifikant erhöht, der Anstieg fiel jedoch deutlich geringer aus als bei OE33 Zellen.
Die beiden EAC-Zelllinien wurden außerdem nach der Behandlung mit 5-Fluorouracil untersucht. Die Zelllinie OE19 ist resistent gegenüber den beiden
zur Behandlung des EAC eingesetzten Chemotherapeutika 5-FU und Cisplatin. Auch eine Säureexposition ändert bei OE19 nichts an der Resistenz gegenüber 5-FU. Während bei OE33 in normalem Kulturmedium die Zellviabilität unter 5-FU deutlich sank, zeigte sie sich bei niedrigeren pH-Werten fast unverändert, so dass der Effekt des Chemotherapeutikums nahezu aufgehoben wurde.
Ein Erklärungsansatz für die unterschiedliche Reaktion der beiden Zelllinien könnte
sein, dass OE19 im Stadium schon weiter fortgeschritten ist als OE33. Durch den stark veränderten Krebszellmetabolismus ist die bereits maximale Aktivierung der beiden Signalwege wahrscheinlich, sodass keine Aktivierungsreserve vorhanden ist. Nrf2 wird zwar von Keap1 abgelöst und gelangt in den Zellkern, hat aber auf die untersuchten Downstreamtargets keinen weiter steigernden Effekt. Der Schutz der maximal aktivierten Signalwege vor ROS und Apoptose ist so effektiv, dass die Zellen bereits gegen 5-FU resistent sind. Bei OE33 werden jedoch durch Säurestimulation der Nrf2- und NFκB-Signalweg stark aktiviert, was in diesem Erklärungsansatz zu einem besseren Schutz der Zellen und zu einer erhöhten Chemoresistenz in saurer Umgebung führen würde.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:88475
Date06 December 2023
CreatorsStorz, Lucie
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationhttps://doi.org/10.3390/cancers13112806

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