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Unterstützung der hausärztlichen Versorgung durch eine telemedizinische Anwendung bei älteren, multimorbiden Patienten im häuslichen Bereich

Hintergrund: Die demographischen Veränderungen der Gesamtbevölkerung in Deutschland beeinflussen die Entwicklung der Arztzahlen in Deutschland seit Jahren negativ. Die aktuelle Versorgungslandschaft in Deutschland zeichnet sich durch eine sinkende Anzahl ärztlicher und nicht-ärztlicher Leistungserbringer aus, die einer wachsenden Anzahl von Menschen gegenüberstehen, die Versorgungsleistungen beanspruchen. Der Sicherstellungsauftrag einer flächendeckenden ambulanten Versorgung ist aufgrund der Abnahme der Anzahl an Hausarztpraxen v.a. in ländlich geprägten Gebieten gefährdet. Diverse Lösungsansätze wurden und werden aktuell umfangreich diskutiert. Ein vielversprechender Ansatz, den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen, sind integrierte, telemedizinische Versorgungskonzepte. Fragestellungen: Die Zielstellung der Dissertation ist die zusammenfassende Darstellung des Einflusses einer im häuslichen Bereich genutzten Telemonitoring-Anwendung (TMA) auf verschiedene Outcomes in der gesamten Studienkohorte multimorbider Patienten ab 65 Jahren sowie in definierten Risikogruppen und soziodemographischen Subgruppen. Um die formulierte Zielstellung zu erreichen, wurden Gründe exploriert, die zur Nichtakzeptanz und Nichtnutzung der TMA durch die Studienteilnehmer geführt haben und mit welchen Schwierigkeiten die Nutzung verbunden war. Zudem wurde untersucht, wie adhärent die Studienpatienten im Umgang mit der TMA waren, inwieweit die patientenseitige Adhärenz und die gesundheitsbezogene Lebensqualität miteinander assoziiert waren und inwieweit sich die Lebensqualität der Studienteilnehmer während der Nutzung der TMA verändert hat. Material und Methoden: In die Gesamtstudie wurden Patienten eingeschlossen, wenn sie u.a. 65 Jahre und älter waren und mindestens zwei chronische Erkrankungen aufwiesen (Multimorbiditätskriterium). Nach Studieneinschluss wurden die Studienteilnehmer durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit der TMA ausgestattet, die von Philips Medical Systems GmbH bereitgestellt wurde. Die TMA bestand aus einem Blutdruckmessgerät mit integrierter Herzfrequenzmessung, einem Sauerstoffsättigungs-Messgerät, einer Personenwaage sowie aus einem Tablet mit der Motiva-Software. Nach Einführung in die Anwendung durch einen Techniker des DRK wurden die Studienteilnehmer in den interprofessionellen und interdisziplinären Versorgungsprozess eingebunden und begannen, ihre Vitalwerte über die telemedizinischen Geräte gemäß einem hausärztlich empfohlenen Regime zu messen sowie Fragebögen zum Gesundheitszustand zu beantworten. Die Vitaldaten wurden via Bluetooth von den Messgeräten an das Tablet und anschließend an das Care Coordination Center des DRK transferiert, die die Werte kontinuierlich auf Interventionsbedarf überprüften. Im Falle einer Überschreitung der vorab hausärztlich definierten krankheitsspezifischen Vitalwertgrenzen erfolgte eine zügige Intervention. Die erste Teilstudie wurde in einem gemischt-methodischen Ansatz durchgeführt und fokussierte die Motive für die risiko- und subgruppenspezifische Nichtakzeptanz und die Nichtteilnahme potentiell geeigneter Patienten. Die zweite Teilstudie nutzte eine quantitative Methodik und thematisierte die gruppenunspezifische Nichtakzeptanz, die patientenseitige Adhärenz sowie Herausforderungen im Umgang mit der TMA. In der dritten Teilstudie mit ebenfalls quantitativer Methodik wurden Unterschiede und Veränderungen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zwischen den Studienpatienten mit und ohne Depression und/oder MCI im Verlauf der TMA-Nutzung eruiert und Assoziationen zwischen der patientenseitigen Adhärenz und Änderungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität untersucht. Ergebnisse: Drei Hausärzte in Dresden sowie sechs Hausärzte in Leipzig bewerteten insgesamt 257 ältere, multimorbide Patienten als zur Studienteilnahme potentiell geeignet, wovon 177 Patienten für die Studie rekrutiert wurden. Achtzig Patienten (31,1%) lehnten eine Teilnahme an der Studie ab (Nichtteilnehmer) und 61 Studienteilnehmer (34,5%) schieden im Verlauf der Studie aus (Studienabbrecher). Die Studienpatienten waren durchschnittlich 79,6 Jahre alt (SD=5,6). Studienabbrecher (81,3 Jahre (SD=5,8)) und Nichtteilnehmer (82,2 Jahre (SD=5,7)) waren signifikant älter als die aktiv an der Studie teilnehmenden Patienten (78,8 Jahre (SD=5,3)). Dominierende Abbruchgründe bei den Studienteilnehmern waren der fehlende empfundene Zusatznutzen bzw. die fehlende inhaltliche Abwechslung auf dem Tablet, kein Interesse bzw. Bedarf an einer telemedizinischen Betreuung sowie die zu hohe zeitliche Beanspruchung durch die Studienteilnahme. Alleinlebende (ledige und verwitwete) Studienpatienten gaben signifikant mehr Schwierigkeiten in der Handhabung des Tablets und der Motiva-Software an als verheiratete bzw. in Lebensgemeinschaft lebende Studienpatienten. Diese Probleme berichteten ebenso weibliche Studienpatienten, Studienteilnehmer ab 75 Jahren und jene mit einem niedrigen Schulbildungsgrad. Nichtteilnehmer nahmen aus Angst vor zu hoher zeitlicher Beanspruchung, aufgrund des fehlenden Interesses bzw. Bedarfes an einer telemedizinischen Betreuung sowie aus Angst vor Überforderung durch die eingesetzte Technologie nicht an der Studie teil. Studienpatienten hatten Schwierigkeiten im Umgang mit den Tablets (z.B. zu kleiner An-/Aus-Knopf) und der Software (z.B. persistierender Flugmodus, fehlende Dialogoption, zu kleine Symbol- und Schriftgrößen) sowie durch eine zu langsame oder instabile Internetverbindung. Im Hinblick auf das Adhärenzverhalten der Studienteilnehmer zeigte sich, dass jene, die Blutdruck und Herzfrequenz einmal wöchentlich messen sollten, dies seltener durchführten. Studienteilnehmer, die Blutdruck und Herzfrequenz mehr als einmal wöchentlich oder täglich messen sollten, maßen häufiger, als hausärztlich empfohlen. Die Adhärenz der Studienteilnehmer bezüglich ihrer Vitaldatenmessungen über die TMA war signifikant mit einer höheren psychischen Lebensqualität assoziiert, während die körperliche Lebensqualität unverändert blieb. In der Gesamtschau aller Studienpatienten verbesserte sich die psychische Lebensqualität im Gegensatz zur körperlichen Lebensqualität im Verlauf der TMA-Nutzung signifikant. Studienpatienten ohne psychische Beeinträchtigung und mit MCI wiesen im Verlauf signifikant höhere Werte für die psychische Lebensqualität auf als Patienten mit Depression und MCI. Zudem wiesen Studienpatienten mit Depression zum Nutzungsende eine signifikant niedrigere psychische Lebensqualität auf als jene mit MCI sowie Studienteilnehmer ohne psychische Beeinträchtigung. Studienpatienten mit Depression sowie mit Depression und MCI hatten eine über den Verlauf signifikant niedrigere körperliche Lebensqualität als Studienpatienten ohne psychische Beeinträchtigung. Schlussfolgerungen: Ein entscheidender Indikator und Treiber für eine effektive, nachhaltige und erfolgreiche Implementierung telemedizinischer Anwendungen sowie die Voraussetzung zur Ausschöpfung deren Potentials bleibt stets die Akzeptanz seitens der Endanwender. Die hier vorliegenden Ergebnisse zeigten, dass zu entwickelnde TMA auf die bestehende Krankheit der nutzenden Patienten zugeschnitten und entsprechend ihrer alters- bzw. krankheitsbedingten Funktionseinschränkungen gestaltet werden müssen, um eine gute Handhabbarkeit telemedizinischer Anwendungen zu erreichen. Nur dann werden Patienten Telemedizin in ihrem Alltag akzeptieren und dies als Gewinn für die eigene Gesundheitsversorgung begreifen, was sich letztlich an einer höheren gesundheitsbezogenen körperlichen und psychischen Lebensqualität abbilden lässt. Von wesentlicher Bedeutung ist der Einbezug vulnerabler Patientengruppen, z.B. mit Depression und MCI, in telemedizinische Entwicklungs- und Versorgungsprozesse, um deren Bedarfe rechtzeitig festzustellen, ihren Gesundheitszustand zu stabilisieren bzw. Verschlechterungen zu reduzieren. Die vorliegenden Befunde konnten einerseits zeigen, dass eine häuslich genutzte TMA ältere, multimorbide Menschen und ihre Versorger dabei unterstützen kann, die hausärztliche Versorgung sowie die Vernetzung von Leistungserbringern durch Telemonitoring nutzbringend zu begleiten. Andererseits können anwendungsspezifische Technikprobleme zur Verunsicherung des Patienten hinsichtlich des eigenen Gesundheitszustandes führen und die Handhabbarkeit der TMA beeinträchtigen. Die Reduzierung bzw. Beseitigung dieser Probleme ist für die Entwicklung einer bedarfsgerechten TMA für Patienten unumgänglich.:Abbildungsverzeichnis IV
Abkürzungsverzeichnis V
1 Einführung in die Thematik 1
1.1 Entwicklung der demographischen und allgemeinärztlichen Struktur in Deutschland 1
1.2 Ursprung und Begriffsdefinitionen von Telemedizin 4
1.3 Zielsetzung telemedizinischer Methoden 5
1.4 Gesetzliche Grundlagen für die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen 6
1.4.1 Die ärztliche Fernbehandlung von Patienten 9
1.4.2 Inanspruchnahme der Videosprechstunde in Deutschland 10
1.5 Anforderungen an telemedizinische Methoden 11
1.6 Chancen für eine Versorgungsoptimierung durch telemedizinische Maßnahmen 12
1.7 Herausforderungen für die Implementierung und Anwendung von Telemedizin 14
1.8 Stand telemedizinischer Versorgungsforschung für hochinzidente und hochprävalente chronische körperliche und psychische Erkrankungen 17
1.9 Wissenschaftlicher Rahmen der eigenen Arbeiten 21
1.9.1 Rahmen der vorliegenden Dissertation 21
1.9.2 Zielstellung der vorliegenden Dissertation 23
1.10 Wesentliche selbst erarbeitete wissenschaftliche Ergebnisse 23
2 Übersicht der Manuskripte 26
2.1 Motive für die Nichtakzeptanz und Nichtnutzung einer Telemonitoring-Anwendung im häuslichen Umfeld durch multimorbide Patienten über 65 Jahre 27
2.2 Adherence and acceptance of a home-based telemonitoring application used by multi-morbid patients aged 65 and older 41
2.3 Health-related quality of life in elderly, multimorbid individuals with and without depression and/or mild cognitive impairment using a telemonitoring application 57
3 Diskussion und Fazit 75
3.1 Diskussion der Ergebnisse 76
3.1.1 Patientenseitige Adhärenz und Akzeptanz der TMA 76
3.1.2 Berücksichtigung psychisch beeinträchtigter Menschen in telemedizinischen Vorhaben 78
3.1.3 Professionelle patientenorientierte telemedizinische Versorgung 80
3.1.4 Digitale Gesundheitskompetenz 82
3.1.5 Flächendeckende Digitalisierung des Gesundheitswesens 84
3.2 Stärken, Limitationen und Methodenkritik 85
3.3 Ableitung von weiterem Forschungsbedarf 86
3.4 Praktische Implikationen 88
3.5 Fazit 89
4 Zusammenfassung 91
5 Summary 94
6 Literaturverzeichnis 97
Darstellung des Eigenanteils i
Weitere aus der Dissertation hervorgegangene Veröffentlichungen ii
Danksagung iii
Anlage 1 Erklärungen zur Eröffnung des Promotionsverfahrens iv
Anlage 2 Erklärung über die Einhaltung der aktuellen gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Dissertation v
Anlage 3 a. Bescheid der Ethikkommission der Technischen Universität Dresden vi
b. Testat für die Erfüllung der Hinweise aus dem Bescheid vom 04.01.2016 der Ethikkommission der Technischen Universität Dresden ix

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:82841
Date03 January 2023
CreatorsLang, Caroline
ContributorsBergmann, Antje, Kugler, Joachim, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman, German
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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