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Differenzierende Perspektiven auf den Zusammenhang zwischen therapeutischer Allianz und Therapieerfolg

Hintergrund: Die therapeutische Allianz wird seit vielen Jahrzehnten intensiv hinsichtlich ihres Einflusses auf den Therapieerfolg erforscht. Sie gilt inzwischen als empirisch gut gesicherter Einflussfaktor auf den Therapieerfolg, wobei sich in Metaanalysen kleine bis mittlere Effekte zeigen. Gleichzeitig zeigt sich in Metaanalysen jedoch oft eine große Varianz, was auf mögliche moderierende Einflussfaktoren hinweist. Hierbei können Faktoren sowohl auf Seiten des Patienten 1 als auch des Therapeuten und bezogen auf das Therapiesetting beteiligt sein, die in der bisherigen Forschung vielfach noch nicht ausreichend untersuchtwurden. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit soll die Bedeutung initial besonders gering eingeschätzter therapeutischer Allianz hinsichtlich des Zusammenhangs mit späterem Therapieerfolg analysiert werden. Im zweiten Teil der Arbeit sollen dann Unterschiede im Zusammenhang von therapeutischer Allianz und Therapieerfolg im Bereich verschiedener Persönlichkeitsstörungen betrachtet werden. Fragestellung: Im ersten Teil der Arbeit wurde als zentrale Fragestellung untersucht, inwiefern die Beziehungszufriedenheit in verschiedenen Teilstichproben unterschiedlich zufriedener Patienten eine vergleichbar bedeutsame Rolle als Prädiktor von Therapieerfolg hat. Darüber hinaus sollte anhand der Gesamtstichprobe der Zusammenhang von therapeutischer Allianz und Therapieerfolg in einem naturalistischen, tagesklinischen Setting repliziert werden. Im zweiten Teil der Arbeit wurde der Zusammenhang von therapeutischer Allianz und Therapieerfolg vergleichend anhand zweier Teilstichproben von Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung respektive zwanghafter Persönlichkeitsstörung untersucht, mit der Hypothese, dass die prädiktive Validität einer singulären Erfassung der Qualität der therapeutischen Beziehung bei Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung größer ist als bei Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung. Material und Methoden: Grundlage der Arbeit ist eine Gesamtstichprobe von insgesamt n = 809 Patienten (Durchschnittsalter 34 Jahre, 72,6% Frauen), die sich zwischen November 2008 und April 2017 in tagesklinischer Behandlung in der Allgemeinen Tagesklinik der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik am UKD Dresden befanden. Die Allgemeine Tagesklinik behandelt vorrangig Patienten mit Persönlichkeitsstörungen bzw. Achse-I-Störungen, bei denen eine Thematisierung der hintergründigen Persönlichkeitsakzentuierung therapeutisch sinnvoll ist, in einem multimodalen, multiprofessionellen Setting mittels dialektisch behavioraler und schematherapeutischer Therapiemethoden. Die Behandlungszeit betrug durchschnittlich elf Wochen. Die Diagnosevergabe erfolgte nach klinischer Urteilsbildung auf Grundlage strukturierter bzw. standardisierter Diagnostikinstrumente. Die verwendeten standardisierten Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung von Symptombelastung (Brief Symptom Inventory-18) und Qualität der therapeutischen Allianz (Helping Alliance Questionnaire) waren Teil des internen klinischen Qualitätsmanagements mit den drei Erhebungszeitpunkten Therapieaufnahme, Zwischenerhebung und Entlassung. In der statistischen Prüfung der Hauptfragestellungen kamen vor allem multiple, lineare Regressionsanalysen zum Einsatz. Ergebnisse: In der Gesamtstichprobe (n = 809 Patienten) war die Qualität der therapeutischen Allianz nach drei Wochen ein signifikanter Prädiktor von Therapieerfolg. In der Extremgruppe des Dezils mit der initial niedrigsten Beziehungszufriedenheit zeigte sich dieser Zusammenhang als statistisch signifikant und stark, jedoch aufgrund des breiten Konfidenzintervalls nicht praktikabel zur Prädiktion individueller Fälle. Dagegen ergab sich für die übrigen 90% der Fälle für die Beziehungszufriedenheit keine über die Aufklärung durch die Erfolgszufriedenheit hinausgehende Varianzaufklärung beim Therapieerfolg. Bezüglich der Substichproben von Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung sowie zwanghafter Persönlichkeitsstörung zeigte sich über den Therapieverlauf insgesamt eine statistisch signifikante Symptomreduktion. Es fanden sich keine signifikanten Gruppenunterschiede in der Symptomschwere und der Einschätzung der therapeutischen Allianz zu den verschiedenen Erhebungszeitpunkten. Die nach drei Wochen erfasste therapeutische Allianz erwies sich als statistisch signifikanter Prädiktor der Symptomreduktion, allerdings nur in der Gruppe der Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse stützen zunächst die bisherigen Forschungsbefunde, die einen grundsätzlichen positiven Zusammenhang zwischen der Güte der therapeutischen Allianz und dem Therapieerfolg postulieren. Sie zeigen zudem, dass auch in einem teilstationären Behandlungssetting, in dem die zwei Einzelsitzungen pro Woche nur einen Teil der stattfindenden Interventionen während der Therapie ausmachen, der Qualität der therapeutischen Beziehung zum Bezugstherapeuten eine bedeutsame Rolle zukommt. Die Ergebnisse des Extremgruppenvergleichs weisen zum einen darauf hin, dass bei früh etablierter, ausreichend guter Beziehungszufriedenheit andere Prozessfaktoren von größerem prädiktivem Wert bzgl. des Therapieerfolgs sind. Zum anderen verweisen sie auf die hohe Bedeutung der Beziehungszufriedenheit bzgl. des Therapieerfolgs bei mit der Beziehung zu ihrem Bezugstherapeuten sehr unzufriedenen Patienten. Hier zeigt sich als praktische Implikation die Wichtigkeit, eine sich ungünstig entwickelnde therapeutische
Beziehung frühzeitig zu erkennen und ihr entsprechend zu begegnen. Dabei gilt es zunächst, den Empfehlungen der „APA Task Force on Evidence-Based Relationship and Responsiveness“ folgend, den therapeutischen Wert einer standardisierten Erfassung von Therapiebeziehungsvariablen auch jenseits des forschungsorientierten universitären Kontextes zu betonen und breiter zu etablieren.
Aufgrund des erhöhten Anteils von Patienten mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der Substichprobe von Patienten mit besonders geringer Beziehungszufriedenheit, wurden im Rahmen des zweiten Papers Substichproben von Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung und zwanghafter Persönlichkeitsstörung hinsichtlich des Zusammenhangs von therapeutischer Allianz und Therapieerfolg untersucht. Eine mögliche Erklärung dafür, dass die therapeutische Allianz in unserer Stichprobe nur bei Patienten mit zwanghafter und nicht bei Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung einen Prädiktor des Therapieerfolges darstellte, könnte in den unterschiedlichen Mustern der Allianzentwicklung liegen, die für diese Persönlichkeitsstörungen charakteristisch sind. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die einmalige Messung der therapeutischen Allianz in einer frühen Phase der Therapie einen guten Prädiktor für Therapieerfolg bei Patienten mit zwanghafter Persönlichkeitsstörung darstellt und somit auch aus therapiepraktischer Sicht gewinnbringend Verwendung finden könnte, um mögliche, eventuell verdeckt gebliebene Konflikte in der therapeutischen Beziehung frühzeitig zu erkennen. Bei Patienten mit Borderline Persönlichkeitsstörung scheint die einmalige Erfassung der therapeutischen Allianz bzgl. des späteren Therapieerfolges einen begrenzten prädiktiven Wert zu besitzen, weshalb hier eine kontinuierlichere Messung der therapeutischen Allianz ratsam ist. / Objective: The therapeutic alliance has been intensively researched for many decades with regard to its influence on therapeutic success. It is now considered to be an empirically well-established
influencing factor on therapeutic success, with meta-analyses showing small to medium effects. At the same time, however, meta-analyses often show a large variance, which points to possible moderating effects. This may involve factors on the side of the patient, the therapist and related to the setting, which have not yet been sufficiently investigated in existing research. In the first part of the present work, the role of therapeutic alliance, which is initially assessed as particularly low, will be investigated with regard to its association with therapeutic success. In the second part, differences in the relationship between therapeutic alliance and therapeutic success in the context of different personality disorders will be analysed. Hypotheses: In the first part of the work, the central question investigated was to what extent relationship satisfaction has a comparably important role as a predictor of therapeutic success in different subsamples of differently satisfied patients. In addition, the relationship between therapeutic
alliance and therapeutic success was replicated in a naturalistic, day hospital setting. In the second part of the work, the relationship between therapeutic alliance and therapeutic success was comparatively analysed using two subsamples of patients with borderline personality disorder and obsessive-compulsive personality disorder, respectively, with the hypothesis that the predictive validity of a singular assessment of the quality of the therapeutic alliance is greater in patients with obsessive-compulsive personality disorder than in patients with borderline personality disorder. Material and Methods:
The work is based on a total sample of n = 809 patients (average age was 34, 72.6% women) who were treated in the Allgemeine Tagesklinik of the Department of Psychotherapy and Psychosomatics at the UKD Dresden between November 2008 and April 2017. The Allgemeine Tagesklinik primarily treats patients with personality disorders or Axis I disorders, in whom a focus on the underlying personality accentuation is therapeutically important, in a multimodal, multiprofessional setting using dialectical behavior and schema therapeutic methods. The average treatment duration was eleven weeks. Diagnoses were based on clinical judgment utilizing a structured or standardized diagnostic tool. The standardized questionnaires used to assess symptom burden (Brief Symptom Inventory-18) and the quality of the therapeutic alliance (Helping Alliance Questionnaire) were part of the internal clinical quality management with three survey points: therapy admission, interim survey after three weeks and discharge. Multiple linear regression analyses were primarily used in the statistical analyses of the main hypotheses. Results: In the total sample (n = 809 patients), the quality of the therapeutic alliance after three weeks was a significant predictor of treatment success. In the extreme group of the decile with the initially lowest relationship satisfaction, this relationship was found to be statistically significant and strong, but not feasible for predicting individual cases due to the large confidence interval. In contrast, for the remaining 90% of cases, there was no variance explanatory effect on treatment success beyond that explained by satisfaction with therapy success. Regarding the subsamples of patients with borderline personality disorder as well as obsessive-compulsive personality disorder, there was a statistically significant overall symptom reduction over the course of therapy. No significant group differences were found in symptom severity and assessment of therapeutic alliance at the different time points.
Therapeutic alliance assessed after three weeks proved to be a statistically significant predictor of symptom reduction, but only in the group of patients with obsessive-compulsive personality disorder.
Conclusion: The results support previous research postulating a generally positive correlation between the quality of the therapeutic alliance and therapy success. In addition, they show that also in
a day-care setting the quality of the therapeutic relationship plays a significant role with regard to the success of therapy. Firstly, the results of the extreme group comparison indicate that in the case of sufficiently good relationship satisfaction established at an early stage, other process factors are of greater predictive value with regard to the success of the therapy. Secondly, they point to the high importance of relationship satisfaction with regard to therapy success in patients who are very dissatisfied with the relationship to their therapist. The practical implication of these findings is the need to recognize an unfavorably developing therapeutic relationship at an early stage and to address it appropriately. Following the recommendations of the 'APA Task Force on Evidence-Based Relationship and
Responsiveness', the therapeutic benefit of a standardized assessment of therapeutic relationship variables should be emphasized and established beyond the research-oriented university context.
Due to the increased percentage of patients with the diagnosis of a personality disorder in the subsample of patients with particularly low relationship satisfaction, the second paper examined subsamples of patients with borderline personality disorder and obsessive-compulsive personality disorder with regard to the relationship between therapeutic alliance and therapy success. One possible explanation for the fact that therapeutic alliance was a predictor of treatment success in our sample only in patients with obsessive-compulsive personality disorder and not in patients with borderline personality disorder may be found in the different patterns of alliance development characteristic of these personality disorders. The results show that the one-time measurement of therapeutic alliance in an early phase of
therapy is a good predictor of therapeutic success in patients with obsessive-compulsive personality disorder and thus could be profitably used from a clinical point of view to identify possibly hidden conflicts in the therapeutic relationship at an early stage. In patients with borderline personality disorder, the one-time measurement of the therapeutic alliance seems to have a limited predictive value with regard to later therapy success, which is why a more continuous measurement of the therapeutic alliance is advisable for these patients.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:91750
Date15 July 2024
CreatorsBeiling, Peter Erwin
ContributorsWeidner, Kerstin, Hoyer, Jürgen, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation10.1055/a-1033-7695, 10.3389/fpsyt.2023.1094936

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