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Früh verwaiste Eltern: Maßnahmen der psychosozialen Unterstützung im klinischen Kontext

Hintergrund: Ein Schwangerschaftsverlust beziehungsweise das Versterben des Säuglings kurz nach der Geburt stellt eine massive psychische Belastung für die betroffenen Eltern dar (Berth et al., 2009; Ellis et al., 2016). Durch die Trauer ausgelöste Folgeerkrankungen, wie beispielsweise Posttraumatische Belastungsstörungen, Angst- und Panikstörungen, somatoforme Störungen oder Depressionen, entwickeln sich bei 20 - 30 % der Eltern (Klapp, 2017). Die Verhaltensweisen und Handlungen der Klinikmitarbeitenden haben einen bedeutenden Einfluss auf die Eltern (Ellis et al., 2016). Die Verfügbarkeit einer empathischen geburtshilflichen Betreuung ist ein wichtiger Bestandteil für die psychische Gesundheit der Eltern sowie ein wichtiger Beitrag zur Prävention von Folgeerkrankungen (Mills et al., 2014). Die Hälfte aller betroffenen Familien wünscht sich unterstützende Strukturen und Systeme (Ellis et al., 2016). Bei einer Befragung der Betroffenen bezüglich der Qualität der Versorgung nach einem perinatalen Kindstod wurde belegt, dass über die Hälfte der Betroffenen mit der postpartalen Begleitung in der Klinik unzufrieden war (Meier Magistretti et al., 2019). 30 % der Eltern wünschen sich hilfreiche und umfangreiche Informationen für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt, wie beispielsweise Kontaktdaten von Selbsthilfegruppen, 13 % wünschen sich, dass ihre Bedenken besprochen werden und 20 %, dass das öffentliche Bewusstsein für den perinatalen Kindstod gestärkt wird (Ellis et al., 2016). Ausgehend von der großen Bedeutung der Trauerverarbeitung nach einem perinatalen Verlust, bildet das Aufgabenmodell von Lammer (2014) die theoretische Grundlage dieser Studie. Das Modell beinhaltet Aspekte der klassischen Phasenmodelle, integriert die Aspekte des Aufgabenmodells von Worden und wird auf die Trauer nach dem perinatalen Kindstod übertragen (Lammer, 2014). Fragestellungen/Hypothesen: Die erste Forschungsfrage untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Klinikgröße und dem Angebot an Maßnahmen zur Trauerbewältigung für Eltern von Sternenkindern gibt. Die zweite Forschungsfrage untersucht den Zusammenhang zwischen einem umfangreichen Unterstützungsangebot für das Klinikpersonal im Umgang mit verwaisten Eltern und der Häufung an Informationsangeboten für trauernde Eltern. Bei beiden Fragen wird jeweils ein positiver Zusammenhang vermutet. Material und Methode: In dieser Arbeit wird mittels einer empirischen Studie die psychosoziale Betreuung rund um den perinatalen Verlust in Geburtskliniken untersucht. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die aktuellen Vorgehensweisen der psychosozialen Betreuung in deutschen Kliniken zu erheben, um daraus Handlungsempfehlungen für Kliniken beziehungsweise Fachkräfte zum empathischen Umgang mit Betroffenen abzuleiten. Angewendet auf die Trauerbegleitung wurde ein konzeptionelles Modell entworfen, aus dem zwei Forschungsfragen generiert wurden, die mittels einer quantitativen Querschnittsstudie in Form einer Vollerhebung an deutschen Kliniken mit Entbindungsstation untersucht wurden. Das Sample umfasst Chefärzt*innen, geeignete Fachkräfte, Krankenpfleger*innen, Entbindungshelfer*innen, Seelsorger*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Angehörige unspezifischer Professionen. Das Datenerhebungsinstrument ist ein Fragebogen bestehend aus 5 Frageblöcken mit insgesamt 13 Fragen. Erhoben wurden die Daten mit der Software LimeSurvey (LimeSurvey GmbH). Die Auswertung der Daten zur Überprüfung der Hypothesen erfolgte mittels einer Regressionsanalyse. Ergebnisse: 206 (33.2 %) Klinken haben an der Befragung teilgenommen, am häufigsten Ärzt*innen (69.5 %) und Entbindungshelfer*innen (19 %). Die deskriptiven Ergebnisse zeigen, dass die Kliniken den Eltern unter anderem Verabschiedung (99.5 %), Kontaktaufnahme (95.1 %), Anfertigung von Erinnerungsstücken (98.5 %), Anfertigung von Fotos (99 %) und Kontaktaufnahme mit Sternenkindfotograf*innen (81.8 %) anbieten. Die Zufriedenheit des Klinikpersonals bei der psychosozialen Betreuung sowie dessen Relevanz wird sehr hoch eingeschätzt. Die Analysen bestätigen beide Hypothesen. Die Überprüfung der Hypothese 1: Je größer die Klinik ist, desto größer ist das Angebot an Maßnahmen zur Trauerbewältigung für Eltern von Sternenkindern zeigt, dass die Größe der Klinik einen höchst signifikant positiven Effekt auf die Anzahl der Angebote hat, um die Trauer der Eltern von Sternenkindern zu verarbeiten. Die Überprüfung der Hypothese 2: Je umfangreicher die Unterstützungsangebote für das Klinikpersonal im Umgang mit verwaisten Eltern ausfallen, desto größer ist das Informationsangebot für trauernde Eltern ergibt, dass sich die Anzahl unterschiedlicher Angebote für Krankenhauspersonal positiv und hoch signifikant auf die Anzahl der Informationsangebote für Eltern von Sternenkindern auswirkt. Das lineare Regressionsmodell mit der Erweiterung um die Anzahl der Geburten, die Anzahl der perinatalen Säuglingstodesfälle und die Situationsvariablen in Ost- oder Westdeutschland zeigt, dass die Anzahl der Angebote für das Krankenhauspersonal einen sehr positiven und signifikanten Einfluss auf die Anzahl der den Eltern zur Verfügung stehenden Informationen hat. Schlussfolgerungen: Eine mögliche Handlungsempfehlung, die sich aus dieser Studie ableiten lässt, ist, dem Klinikpersonal spezielle Fortbildungen rund um das Thema des perinatalen Kindstods anzubieten. Die Thematisierung von Ärzt*in-Patient*innen-Beziehung in Balint- oder Supervisionsgruppen können ebenfalls zu einer verbesserten Situation zwischen diesen führen, werden derzeit allerdings nur in 27 % der Kliniken angeboten. Um eine bessere psychosoziale Betreuung der trauernden Eltern zu etablieren, ist sowohl die interne interdisziplinäre Zusammenarbeit als auch die Kooperation mit externen Beratungsstellen förderlich. Darüber hinaus könnte es für die Eltern nach einem perinatalen Verlust wichtig sein, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, wobei bisher lediglich 40 % der Kliniken den Eltern den Hinweis auf Online-Selbsthilfegruppen geben.:Einleitung 1
1. Hintergrund 3
1.1 Begriffliche Bestimmung des perinatalen Kindstodes 3
1.2 Formale Regelungen zum Begriff des perinatalen Kindstodes 4
1.3 „Anhaltende Trauerstörung“ als Krankheitsbild 5
1.4 Trauer als Verlustreaktion und die daraus resultierenden Aufgaben der Trauerbewältigung 5
1.5 Unterstützung im Trauerprozess durch das Fachpersonal 9
1.5.1 Unterstützungsbedarfe der Betroffenen 9
1.5.2 Aufgaben der Trauerbegleitung 10
1.6 Psychosoziale Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde 16
1.6.1 Gynäkologische und neonatale Versorgungsstrukturen in Deutschland 16
1.6.2 Psychosoziale Betreuung im klinischen Kontext 19
2. Fragestellung und Hypothese 22
3. Material und Methode 27
3.1 Studienpopulation und Sample 27
3.2 Operationalisierung und Fragebogenentwicklung 33
3.3 Datenerhebungsmethode 38
3.4 Datenauswertungsmethoden 39
3.4.1 Quantitative Datenanalyse 39
3.4.2 Qualitative Inhaltsanalyse 41
3.5 Ethische und rechtliche Aspekte der Studie 42
4. Ergebnisse 43
4.1 Hypothese 1 43
4.1.1 Deskriptive Statistik zu Hypothese 1 43
4.1.2 Hypothesentest 44
4.2 Hypothese 2 46
4.2.1 Deskriptive Statistik zu Hypothese 2 47
4.2.2 Hypothesentest 49
4.3 Weitere explorative Datenanalysen 51
4.3.1 Angebote für betroffene Eltern 51
4.3.2 Bewertung der Zufriedenheit 52
4.3.3 Bewertung der Themenrelevanz 52
4.3.4 Standardisierte Vorgehensweise 53
4.3.5 Begriffe für Totgeburten und Kindstode in den Kliniken 54
4.3.6 Unerwähnte Angebote 55
4.3.7 Wünsche des Personals bezüglich der Unterstützung 56
4.3.8 Weitere Kommentare zur Begleitung der Eltern 57
5. Schlussfolgerungen 58
5.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse 58
5.2 Ergebniseinordnung in den aktuellen Forschungsstand und Handlungsempfehlungen 60
5.3 Kritische Reflexion der eigenen Untersuchung 64
5.4 Resümee und Zukunftsperspektiven 65
Zusammenfassung (Deutsch) 67
Abstract (English) 70
Quellenverzeichnis 73
Anhang 82
A. Abkürzungsverzeichnis 82
B. Abbildungsverzeichnis 83
C. Tabellenverzeichnis 84
D. Operationalisierung der Variablen 85
E. Fragebogen 88
F. Anschreiben Kliniken 96
G. Reminderanschreiben Kliniken (I) 98
H. Reminderanschreiben Kliniken (II) 100
I. Ethikkommission 102
J. Danksagung 107
K. Erklärung zur Eröffnung des Promotionsverfahrens (Anlage 1) 108
L. Erklärung zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (Anlage 2) 109 / Background: A pregnancy loss or the death of the infant shortly after birth represents a massive psychological burden for the parents affected (Berth et al., 2009; Ellis et al., 2016). Consequential illnesses triggered by the grief, such as post-traumatic stress disorder, anxiety and panic disorders, somatoform disorders or depression, develop in 20 - 30 % of parents (Klapp, 2017). The behaviours and actions of clinic staff have a decisive influence on parents (Ellis et al., 2016). The availability of empathic obstetric care is an important component for parents' mental health as well as an important contribution to the prevention of sequelae (Mills et al., 2014). Half of all affected families want support structures and systems (Ellis et al., 2016). In a survey regarding the quality of care after a perinatal infant death, it was documented that over half of those affected were dissatisfied with the postpartum support in the clinic (Meier Magistretti et al., 2019). 30 % of parents would like helpful and comprehensive post-hospital information, such as contact details for support groups, 13 % would like their concerns to be discussed and 20 % would like public awareness of perinatal death to be raised (Ellis et al., 2016). Based on the great importance of grief processing after a perinatal loss, Lammer's (2014) task model forms the theoretical basis of this study. The model includes aspects of the classical phase models, integrates the aspects of Worden's task model and is applied to grief after perinatal infant death (Lammer, 2014). Research questions/hypotheses: The first research question investigates whether there is a correlation between clinic size and the availability of grief management interventions for parents of infants who have died. The second research question examines the correlation between an extensive offer of support for the clinic staff in dealing with orphaned parents and the number of information offers for grieving parents. For each research question, a positive correlation is hypothesised. Material and method: In this study, the psychosocial care around perinatal loss in maternity hospitals is investigated by means of an empirical study. The aim of this study is to survey the current procedures of psychosocial care in German clinics in order to derive recommendations for action for clinics or professionals on how to deal empathetically with those affected. Applied to grief counselling, a conceptual model was designed from which two research questions were generated, which were investigated by means of a quantitative cross-sectional study in the form of a full survey of German hospitals with maternity wards. The sample includes head physicians, appropriate specialists, nurses, maternity assistants, pastoral workers, psychologists, social workers and members of non-specific professions. The data collection instrument is a questionnaire consisting of 5 question blocks with a total of 13 questions. The data was collected with the software LimeSurvey (LimeSurvey GmbH). Regression analysis was used to analyse the data to test the hypotheses. Results: 206 (33.2 %) clinics participated in the survey, most frequently physicians (69.5 %) and maternity nurses (19 %). The descriptive results show that the clinics offer parents, among other things, goodbyes (99.5 %), contact (95.1 %), making mementos (98.5 %), taking photos (99 %), and contacting still born infant photographers (81.8 %). The satisfaction of the clinic staff with the psychosocial support and its relevance are rated very high. The analyses confirm both hypotheses. The test of hypothesis 1 The larger the clinic, the greater the range of grief management measures for parents of still born infants shows that the size of the clinic has a highly significant positive effect on the number of offers to help parents of still born infants cope with their grief. Testing hypothesis 2 The more extensive the support services for hospital staff in dealing with orphaned parents, the greater the information available for bereaved parents shows that the number of different services for hospital staff has a positive and highly significant effect on the number of information services for parents of still born infant. The linear regression model with the extension to include the number of births, the number of perinatal infant deaths and the situation variables in East or West Germany shows that the number of services offered to hospital staff has a very positive and significant influence on the amount of information available to parents. Conclusions: One possible recommendation for action that can be derived from this study is to offer hospital staff special training on the topic of perinatal infant death syndrome. Addressing the doctor-patient relationship in balint or supervision groups can also lead to an improved situation, but is currently only offered in 27% of the clinics. In order to establish better psychosocial care for bereaved parents, both internal interdisciplinary cooperation and cooperation with external counselling centres are beneficial. In addition, it could be important for parents after a perinatal loss to exchange information with like-minded people, although so far only 40 % of the clinics refer parents to online self-help groups.:Einleitung 1
1. Hintergrund 3
1.1 Begriffliche Bestimmung des perinatalen Kindstodes 3
1.2 Formale Regelungen zum Begriff des perinatalen Kindstodes 4
1.3 „Anhaltende Trauerstörung“ als Krankheitsbild 5
1.4 Trauer als Verlustreaktion und die daraus resultierenden Aufgaben der Trauerbewältigung 5
1.5 Unterstützung im Trauerprozess durch das Fachpersonal 9
1.5.1 Unterstützungsbedarfe der Betroffenen 9
1.5.2 Aufgaben der Trauerbegleitung 10
1.6 Psychosoziale Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe und Frauenheilkunde 16
1.6.1 Gynäkologische und neonatale Versorgungsstrukturen in Deutschland 16
1.6.2 Psychosoziale Betreuung im klinischen Kontext 19
2. Fragestellung und Hypothese 22
3. Material und Methode 27
3.1 Studienpopulation und Sample 27
3.2 Operationalisierung und Fragebogenentwicklung 33
3.3 Datenerhebungsmethode 38
3.4 Datenauswertungsmethoden 39
3.4.1 Quantitative Datenanalyse 39
3.4.2 Qualitative Inhaltsanalyse 41
3.5 Ethische und rechtliche Aspekte der Studie 42
4. Ergebnisse 43
4.1 Hypothese 1 43
4.1.1 Deskriptive Statistik zu Hypothese 1 43
4.1.2 Hypothesentest 44
4.2 Hypothese 2 46
4.2.1 Deskriptive Statistik zu Hypothese 2 47
4.2.2 Hypothesentest 49
4.3 Weitere explorative Datenanalysen 51
4.3.1 Angebote für betroffene Eltern 51
4.3.2 Bewertung der Zufriedenheit 52
4.3.3 Bewertung der Themenrelevanz 52
4.3.4 Standardisierte Vorgehensweise 53
4.3.5 Begriffe für Totgeburten und Kindstode in den Kliniken 54
4.3.6 Unerwähnte Angebote 55
4.3.7 Wünsche des Personals bezüglich der Unterstützung 56
4.3.8 Weitere Kommentare zur Begleitung der Eltern 57
5. Schlussfolgerungen 58
5.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse 58
5.2 Ergebniseinordnung in den aktuellen Forschungsstand und Handlungsempfehlungen 60
5.3 Kritische Reflexion der eigenen Untersuchung 64
5.4 Resümee und Zukunftsperspektiven 65
Zusammenfassung (Deutsch) 67
Abstract (English) 70
Quellenverzeichnis 73
Anhang 82
A. Abkürzungsverzeichnis 82
B. Abbildungsverzeichnis 83
C. Tabellenverzeichnis 84
D. Operationalisierung der Variablen 85
E. Fragebogen 88
F. Anschreiben Kliniken 96
G. Reminderanschreiben Kliniken (I) 98
H. Reminderanschreiben Kliniken (II) 100
I. Ethikkommission 102
J. Danksagung 107
K. Erklärung zur Eröffnung des Promotionsverfahrens (Anlage 1) 108
L. Erklärung zur Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (Anlage 2) 109

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:78777
Date08 April 2022
CreatorsIngrisch, Silke
ContributorsBerth, Hendrik, Schulze, Wolfram, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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