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Konflikt und Verantwortung

Während das lateinische „conflictus“ Streit, Kampf, Zusammenstoß bedeutet, kennzeichnet der Begriff Konflikt im heutigen Sprachgebrauch einen allgemeinen Gegensatz zwischen Individuen, ihren Ideen, Werten, Zielen, Handlungen oder einen Gegensatz zwischen Individuen und der Gesellschaft. Konflikte sind unverzichtbarer Bestandteil der menschlichen Gesellschaft. Sie können schöpferischer, konstruktiver Antrieb zum fortschrittlichen Wandel sein, neue Lebenschancen eröffnen, aber auch zerstörerisch wirken. Die Strukturen unserer Gesellschaft bieten Möglichkeiten der friedlichen Regelung von Konflikten. Dazu gehören die Festlegungen bestimmter Grundwerte, deren Einhaltung durch Recht und staatliche Institutionen gesichert werden soll, ebenso wie die Fähigkeit, Konflikte durch Sprache, kommunikatives Handeln diskursiv zu lösen. Haben Konfliktparteien unvereinbare Normen und Interessen, kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die immer ein hohes Moralprinzip des Menschen, die Freiheit, verletzen. Für eine Gesellschaft ist kennzeichnend, in welcher Weise sie ihre Konflikte löst. Trotz aller Möglichkeiten der friedlichen Regelung von Konflikten werden noch heute viele Menschen Opfer aggressiver Auseinandersetzungen, Opfer von Machtdemonstrationen, wird in Glaubenskriegen die Menschlichkeit für die gewaltsame Durchsetzung von Werten und Normen verletzt. Ebenso wie Konflikte die Beziehungen zwischen Individuen und zwischen Individuen und Gesellschaft betreffen, so schließt auch Verantwortung sowohl menschliche als auch nichtmenschliche, institutionelle Bereiche ein. Den Instanzen stehen Möglichkeiten der Regulierung durch Strafe und Belohnung zur Verfügung. Diese Regulierungen und Festlegungen entbinden aber den einzelnen nicht davon, selbst über eigene Lebenswerte, moralische Verantwortung und die Frage der Anerkennung der Grundwerte und Institutionen nachzudenken. Der Mensch hat die grundsätzliche Freiheit zu denken und zu handeln, d.h. Dinge zu tun oder zu unterlassen. Diese Freiheit und Verantwortung sind an niemand anderen zu delegieren. In diesem Zusammenhang beschäftigt Wissenschaftler die Frage, inwieweit der Mensch sich selbst konstituiert, inwieweit er frei und verantwortlich ist für sein Handeln. Im Zeitalter der Globalisierung ist es sowohl notwendig, eigene Werte zu formulieren, als auch in einer Gemeinschaft zu diskutieren und gemeinsam zu handeln. Zur Auseinandersetzung mit dem Eigenen gehört auch die Auseinandersetzung mit dem Anderen. Im Grundgesetz ist formuliert: “Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.” Elie Wiesel, Holocaust-Überlebender und Friedensnobelpreisträger, schreibt in seinem “Brief an einen jungen deutschen Freund”: “An der Schwelle zum 21. Jahrhundert muss alle Kultur auch ethisch sein. Und die Ethik erfordert eine humane Haltung gegenüber anderen - gegenüber Gefangenen und Opfern von Ungerechtigkeit.” Auch die Freiheit der Wissenschaft muss wie jede andere Freiheit verantwortet werden. Der Wissenschaftler trägt Verantwortung für korrektes wissenschaftliches Vorgehen, für Unbestechlichkeit, für die Abschätzung der Folgen seiner Arbeit und besonders für den Bereich der Wissensvermittlung. Es bedarf seitens der Institutionen überlegter Strukturen und einer verantwortungsvollen Finanzierung. Lernende brauchen sozial faire Bedingungen, damit Leistung ein objektives Auswahlkriterium werden kann. Die Verantwortung des Menschen für seine Umwelt ist grenzüberschreitend. Um den bestehenden Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit, ökonomischem Nutzen und der Verantwortung des Menschen für die Umwelt zu lösen, gilt es, die prometheische Überlegenheit gegenüber der Natur abzulegen. Solange der Mensch das Umweltproblem nur funktional begreift, solange bleibt die Lösung ein Problem der Güterabwägung.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72305
Date02 October 2020
PublisherUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:lecture, info:eu-repo/semantics/lecture, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-722327, qucosa:72232

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