Grenzen trennen und beschränken, sie bieten aber auch Schutz und Geborgenheit. Gerade die Einwohner der neuen Bundesländer haben dies beim Umbruch gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen erfahren und sind zum Teil heute noch dadurch geprägt. Begreift man das zu Ende gehende Jahrhundert als Beginn der Globalisierung aller Lebensbereiche auf der Erde, so verlieren administrative Grenzen zunehmend an Bedeutung, gleichzeitig weisen naturgesetzliche Grenzen ungehemmte Wachstumsvorstellungen in die Schranken. Auf unserer Erde sind zwar (fast) alle natürlichen Grenzen nahezu problemlos überwindbar - erdumspannende Kommunikation ohne Zeitverzug, kontinentübergreifende Ressourcennutzung und Reisemöglichkeit zumindest für den (kleinen) privilegierten Teil der Menschheit machen das deutlich -, trotzdem ist die Erde endlich, und jedem von uns stehen nur eine sehr begrenzte Menge bewohnbaren Landes und lebensnotwendiger Rohstoffe (Luft, Wasser, Boden, Energie) zur Verfügung. Die Grenzenlosigkeit des Universums bietet keinen Ausweg – jeder Transfer menschlicher Existenz auf andere Planeten ist blanke Utopie. Steht die Existenz naturgesetzlicher Grenzen wissenschaftlich außer Zweifel - nur ihre genaue Lage und die Folgen von Grenzüberschreitungen stehen zur Debatte -, gilt dies keineswegs für geistige und ethische Grenzen. Die freiwillige Einordnung in eine gewachsene Nationalkultur und/oder eine Glaubensgemeinschaft mit ihrer Respektierung tradierter oder auch institutionalisierter Grenzen verdient sicher ebenso Respekt und Toleranz wie der Drang zur Grenzüberschreitung unter Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse bei veränderten Lebensbedingungen - vorausgesetzt, die Würde aller Menschen bleibt unverletzt. Schließlich lebt Wissenschaft - in ihrer Einheit von Geistes- und Natur- und Sozialwissenschaften, die sich wechselseitig als Voraussetzung haben - von erkenntnistheoretischer Grenzüberschreitung, die damit unverzichtbar ist für die Weiterentwicklung menschlicher Kultur. Jede Wissenschaft verfügt über spezifische Vorstellungen von Grenzen, die meist erst bei interdisziplinärer Betrachtung erfahrbar werden. Ausgewählte Facetten davon sollen in diesem Semester dargestellt werden. Die Angebote des Studium universale richten sich an alle Studierenden und Mitarbeiter der Universität und der anderen Leipziger Hochschulen, dazu auch weiterhin an alle Bürger unserer Stadt, die sich für ihre Universität interessieren und mit uns zusammen versuchen wollen, über der fortschreitenden Spezialisierung und Isolierung in den Bereichen von Wissenschaft, Wirtschaft, Technik und Kunst das Ganze in den Blick zu bekommen und im Auge zu behalten und brennende Fragen der Gegenwart aus unterschiedlichen Gesichtspunkten zu betrachten.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:72306 |
Date | 02 October 2020 |
Publisher | Universität Leipzig |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:lecture, info:eu-repo/semantics/lecture, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
Relation | urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-722327, qucosa:72232 |
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