Die myotone Dystrophie ist eine Multisystemerkrankung, die sich hauptsächlich durch Myotonie, Muskelschwäche, sowie einen früh beginnenden Katarakt und kardiale Erregungsleitungsstörungen auszeichnet. Im Laufe der Zeit wurden zwei Typen dieser Erkrankung definiert, welche auf unterschiedlichen genetischen Defekten basieren. Dem Typ 1 der myotonen Dystrophie (DM1) liegt eine Expansion der CTG-Wiederholungssequenz im 3‘-untranslatierten Bereich des myotonic dystrophy protein kinase (DMPK) Gens auf dem Chromosom 19q13.3 zugrunde. Der myotone Dystrophie Typ 2 (DM2) wird hingegen durch eine Expansion der CCTG-Wiederholungssequenz im Intron 1 des CCHC-type zinc finger nucleic acid binding protein (CNBP) Gens auf Chromosom 3q21 verursacht. Trotz ähnlicher klinischer Symptome und pathologischer Mechanismen konnten wichtige Unterschiede zwischen den beiden Typen aufgedeckt werden. Daher müssen beide Formen der myotonen Dystrophie als eigenständige Erkrankungen betrachtet werden. Vorarbeiten der Günther-Arbeitsgruppe sowie zwei unabhängige Studien konnten ein erhöhtes Vorkommen von Autoimmunerkrankungen bei DM2 Patienten im Vergleich zur gesunden Population und zu DM1 Patienten feststellen. In dieser Arbeit wurde zudem eine erhöhte Expression von Interferon stimulierten Genen (ISGs) in Fibroblasten von DM2 Patienten nachgewiesen. Eine chronische Interferon Produktion kann zu der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen führen, bei denen das körpereigene Immunsystem nicht nur pathogene, sondern auch endogene Strukturen angreift. Warum Autoimmunerkrankungen bei DM2 Patienten häufiger auftreten, war bisher nicht bekannt. Daher war das Ziel dieser Arbeit den zugrundeliegenden Mechanismus für dieses Phänomen zu untersuchen. Rezeptoren des Immunsystems können modifizierte Nukleinsäuren erkennen, wenn diese in hoher Konzentration in der Umgebung des Rezeptors vorliegen. Daher wurde zunächst die Lokalisation der in DM2 Patienten Fibroblasten zahlreich vorkommenden CCTG Wiederholungssequenzen untersucht. Dabei zeigte sich, dass die DM2 spezifischen RNA Wiederholungssequenzen nicht nur im Nukleus, sondern auch im Zytoplasma auftraten. Eine direkte Erkennung dieser zytosolischen RNA Wiederholungssequenzen durch die im Zytoplasma lokalisierten RNA Rezeptoren konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Allerdings konnte die Translation dieser RNA Wiederholungssequenzen durch den Prozess der Repeat assoziierten non-ATG (RAN) Translation mittels Nachweis der RAN Proteine LPAC und QAGR festgestellt werden. Diese RAN Proteine, sowie die Akkumulation der RNA Wiederholungssequenzen können einen zellulären Stress in den DM2 Patienten Fibroblasten auslösen, der sich in einem chronischen endoplasmatischen Retikulum (ER) Stress manifestierte. Der chronische ER Stress in den Fibroblasten von DM2 Patienten zeichnet sich vor allem durch eine Aktivierung des ATF6 Signalweges aus, um die Anpassung der Zellen an langanhaltenden Stress zu unterstützen. Interessanterweise zeigte sich eine Verbindung zwischen der erhöhten ISG Expression und der Aktivierung des ATF6 Signalweges, da eine Herunterregulierung von ATF6 in DM2 Patienten Fibroblasten zu einer Verringerung der erhöhten ISG Expression führte. Der chronische Stress innerhalb der Patienten Fibroblasten erfasste auch die Mitochondrien, was durch eine erhöhte Menge von mitochondrialen reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), sowie eine Herunterregulierung von wichtigen mitochondrialen Genen gezeigt wurde. Bemerkenswerterweise war ein erhöhtes Vorkommen mitochondrialer DNA (mtDNA) im Zytoplasma der DM2 Patienten detektierbar, wobei eine erhöhte Apoptose Rate als Auslöser für die mtDNA Freilassung ausgeschlossen werden konnte. Durch eine Depletierung der mtDNA wurde ebenfalls eine Verringerung der ISG Expression in DM2 Patienten Fibroblasten erreicht. Dies wies nicht nur daraufhin, dass die mtDNA in die erhöhte Interferon Produktion in den Patientenzellen beteiligt ist, sondern auch auf eine Verbindung zwischen dem ER und den Mitochondrien. Um zu verstehen, wie mtDNA zu einer erhöhten Interferon Produktion führen kann, wurde der zytosolische DNA Rezeptor cGAS sowie das nachfolgende Adapterprotein STING herunterreguliert. Erstaunlicherweise führten diese Herunterregulierungen zu einer Verringerung der ISG Expression in Fibroblasten von DM2 Patienten. Dies deutet daraufhin, dass die erhöhte Produktion von Interferon in den Zellen der DM2 Patienten durch die Aktivierung des cGAS-STING Signalweges ausgelöst wird. In dieser Arbeit konnte eine erhöhte Stressantwort in Fibroblasten von DM2 Patienten festgestellt werden, die möglicherweise durch die gemeinsame Akkumulierung von RNA Wiederholungssequenzen und RAN Proteinen im Zytoplasma ausgelöst wird. Dieser Stress äußert sich in chronischem ER- und mitochondrialem Stress und führt zu einer Permeabilisierung der mitochondrialen Membran einzelner Mitochondrien. Dadurch können geringe Mengen mtDNA in das Zytoplasma freigesetzt werden, ohne den Prozess der Apoptose auszulösen. Die zytosolische mtDNA aktiviert den cGAS-STING Signalweg und führt zu einer erhöhten Produktion von Interferon, welche die Patienten für die Entwicklung von Autoimmunerkrankung prädisponiert. Durch den in dieser Arbeit aufgedeckten Mechanismus eröffnen sich potentielle therapeutische Ansatzpunkte für die bisher nicht behandelbare Erkrankung. Eine Hemmung des cGAS-STING Signalweges könnte die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen bei den DM2 Patienten reduzieren. Dies ließe sich durch die Einbeziehung von DM2 Patienten in klinische Studien mit cGAS oder STING Inhibitoren prüfen. / Myotonic dystrophy, a multi-systemic disorder, is primarily characterised by myotonia, muscle weakness, early-onset cataracts, and cardiac conduction defects. Over time, two distinct types of this disease have been defined, each with unique genetic defects. Myotonic dystrophy type 1 (DM1) is caused by a CTG repeat expansion in the 3’ untranslated region of the myotonic dystrophy protein kinase (DMPK) gene on chromosome 19q13.3. In contrast, myotonic dystrophy type 2 (DM2) is caused by a CCTG repeat expansion in intron 1 of the CCHC-type zinc finger nucleic acid binding protein (CNBP, former known as ZNF9) gene on chromosome 3q21. Despite the similarity in clinical presentation and pathological mechanisms, crucial differences between the two types have been uncovered, necessitating their consideration as distinct disease entities. Preliminary investigations by the Günther group, along with two independent studies have revealed a higher prevalence of autoimmune disorders in DM2 patients compared to the healthy population and DM1 patients. Furthermore, the current study has demonstrated an upregulation of interferon stimulated genes (ISGs) in fibroblasts derived from DM2 patients. Chronic interferon production can lead to the development of autoimmune disorders, causing the body´s immune system to mistakenly attack not only pathogens but also endogenous structures. Such misdirected immune responses can result in severe symptoms, significantly compromising the patients’ quality of life. The underlying mechanism for the increased incidence of autoimmune disorders in DM2 patients remains elusive, and this study aimed to unravel the mechanism responsible for this phenomenon. Innate receptors of the immune system can recognise modified nucleic acids when present in high concentrations in the receptor’s environment. Therefore, the localisation of the abundant CCTG repeats in DM2 patient fibroblast was investigated. Accumulation of these repeats was observed not only in the nucleus but also in the cytoplasm. However, there was no evidence for direct recognition of these cytosolic RNA repeats by cytoplasmic RNA receptors. Nevertheless, the translation of these RNA repeats through the process of repeat-associated non-ATG (RAN) translation was confirmed by the detection of the RAN proteins LPAC and QAGR. These RAN proteins and the accumulation of RNA repeats may contribute to cellular stress response, manifesting as chronic endoplasmic reticulum (ER) stress in fibroblasts derived from DM2 patients. Chronic ER stress in DM2 patient fibroblasts is characterised by the activation of the ATF6 signalling pathway, which is thought to support the adaptation of cells to prolonged stress. Interestingly, a connection between the increased ISG expression levels and ATF6 pathway activation was established, as a reduction of ATF6 in DM2 patient fibroblasts led to a reduction of ISG levels. The chronic stress within the patient fibroblasts also extended to the mitochondria. Evidence of mitochondrial stress was found in the form of increased mitochondrial reactive oxygen species (ROS) and downregulation of essential mitochondrial genes. Notably, an increased presence of mitochondrial DNA (mtDNA) in the cytoplasm of DM2 patient fibroblasts was detected, although its release due to a high apoptosis rate was ruled out. Remarkably, depletion of this mtDNA also resulted in a reduction of ISG expression levels in DM2 patient fibroblasts, indicating the involvement of mtDNA in the increased interferon production in these patients and a connection between the ER and mitochondria. To elucidate how mtDNA can lead to increased interferon production, knockdowns of the cytoplasmic DNA sensing receptor cGAS and the downstream adaptor protein STING were performed. Surprisingly, this genetic manipulation led to a reduction of ISG expression levels in DM2 patient fibroblasts, suggesting that the increased interferon production in DM2 patients is triggered by the activation of the cGAS-STING signalling pathway. This study unveils a heightened stress response in fibroblast derived from DM2 patients. This elevated stress is likely triggered by the combined effect of the RNA repeat accumulation and the presence of RAN proteins in the cytoplasm, manifesting as chronic ER and mitochondrial stress. This persistent stress may lead to the selective permeabilization of mitochondrial membranes, allowing the release of mtDNA into the cytoplasm without inducing apoptosis. Remarkably, this cytoplasmic mtDNA activates the cGAS-STING signalling pathway, resulting in increased interferon production. This cascade of events predisposes DM2 patients to developing autoimmune disorders. The mechanism revealed in this study opens up a new perspective on potential therapies for DM2 patients, as effective treatments have been lacking thus far. The involvement of the cGAS-STING pathway provides the opportunity to explore the use of cGAS or STING inhibitors, which are currently in clinical trials, as a therapeutic approach for DM2 patients.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:94060 |
Date | 29 October 2024 |
Creators | Rösing, Sarah |
Contributors | Günther, Claudia, Behrendt, Rayk, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | English |
Detected Language | English |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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