Return to search

Validierung von prädiktiven und prognostischen Biomarkern für die Charcot Marie Tooth Erkrankung 1A

Die Charcot Marie Tooth Erkrankung Typ 1A (CMT1A) stellt die häufigste Unterform aller hereditären Neuropathien dar (Skre, 1974). Es handelt sich hierbei um eine autosomal- dominant vererbte Erkrankung beruhend auf einer Duplikation des Abschnittes auf Chromosom 17, welche das Gen für das periphere Myelinprotein 22kDa beinhaltet. Diese Duplikation resultiert in einer erhöhten Gendosis des pmp22, durch welche es zu einer verstärkten Bildung des Peripheren Myelin Proteins 22kDa unter anderem in Schwannzellen kommt. Es ist noch nicht abschließend geklärt in wieweit diese erhöhte Expression zu der fortschreitenden Demyelinisierung und einer fehlgesteuerten Remyelinisierung peripherer Nerven führt. Die zugrundeliegenden Pathomechanismen sind Gegenstand aktueller Forschung.
Bei der CMT1A sind sowohl die efferenten als auch die afferenten Nerven betroffen. Durch die im Anschluss an demyelinisierende Prozesse stattfindende fehlgesteuerte Remyelinisierung zur Kompensation der Schädigung kommt es zu einer Verdickung der Nerven mit einer typischen Bildung von Zwiebelschalen. Diese entstehen durch die konzentrische Anlagerung überzähliger, Promyeliniserenden Schwannzellen. Im Verlauf kommt es bei einer demyelinisierenden Erkrankung auch zu einem Untergang der zugehörigen Neuronen. Klinisch imponieren diese neurodegenerativen Veränderungen als eine distal betonte, langsam progrediente Muskelschwäche und - atrophie mit variabler Ausprägung. Zusätzlich können bei den Patienten sensible Ausfälle und Schmerzen auftreten. Die klinische Manifestation ist durch das Ausmaß der Demyelinisierung und des darauffolgenden Axonverlusts bestimmt. Die Duplikation des Genes PMP22 führt bei unterschiedlichen Patienten trotz identischer genetischer Ursache zu einer starken Variabilität der Ausprägung der klinischen Symptome. Diese, und ebenfalls Unterschiede in Erstmanifestationsalter und Krankheitsverlauf, zeigen sich sogar innerhalb von Familien und bei eineiigen Zwillingen. Der ursächliche Pathomechanismus dieser Variabilität ist unbekannt.
Aktuell wird der Schweregrad der Erkrankung eines Patienten meist anhand des CMT Neuropathie Scores ermittelt und abgebildet. In der klinischen Beurteilung ist eine schleichende Verschlechterung zu beobachten. Diese langsame Progression der Erkrankung zeigte sich, auch im Rahmen klinischer Studien, in einer Veränderung des CMTNS von ca. 0,23- 0,68 Punkten pro Jahr (Verhamme et al., 2009, Shy et al., 2008, Micallef et al., 2009, Pareyson et al., 2011). Durch die Erkrankung hervorgerufene motorische Einschränkungen äußern sich im Alltag durch eine verminderte Feinmotorik. Die verstärkte Atrophie der Extensoren im Vergleich zu den Flexoren führen zu einem Steppergang oder einem Schleifen der Füße, resultieren aber nur selten in einer absoluten Gehbehinderung. Die Erkrankung verläuft nicht letal. Aktuelle Studien zeigten allerdings bei CMT1A Patienten/innen mit einem langen Krankheitsverlauf eine verminderte Lebenserwartung (Vaeth et al., 2017). Die Ursache hierfür konnte aktuell noch nicht geklärt werden. Trotz intensiver Forschung gibt es noch keine wirksame kausale Therapie. Einige Substanzen (z.B. Ascorbinsäure, Onapriston, Neurotrophin-3 oder PXT3003) zeigten in Tiermodellen vielversprechende Ergebnisse. Teilweise fand bereits eine Erprobung der Substanz in humanen Studien statt. Leider erreichte bisher keine der untersuchten Substanzen ausreichend gute Ergebnisse bei einer vertretbaren klinischen Sicherheit, um eine Zulassung für die Behandlung von CMT1A zu erlangen. Eine Studie mit Ascorbinsäure, welche im Tiermodell zur Verbesserung der Myelinisierung führen konnte, zeigte bei klinischen Studien am Menschen keine signifikanten Veränderungen des klinischen Krankheitsverlaufs. Einige weitere Substanzen, welche bereits in Voruntersuchungen gute Resultate zeigten, befinden sich zurzeit in klinischer Erprobung bei CMT1A Patienten. Es könnte postuliert werden, dass eine fehlende Signifikanz in klinischen Studien auch durch die Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung einer geeigneten Patientenkohorte, begründet liegt. Einerseits steht auf Grund der geringen Prävalenz der Neuropathie jedem Zentrum nur ein kleines Patientenkollektiv zur Verfügung. Andererseits besteht durch die beschriebene Variabilität der Erkrankung eine weitere Herausforderung darin, homogene und vergleichbare Kohorten zu bilden. Hinzu kommt, dass der bislang in der klinischen Routine verwendete CMTNS, in der Auswertung von durchgeführten Studien teilweise eine geringe Sensitivität zeigte und die einzelnen Parameter Ceiling Effekte im oberen und unteren Bereich der Skala aufwiesen. All diese Parameter einzeln und in Kombination ergeben erschwerte Rahmen- bedingungen für eine erfolgreiche Erforschung von wirksamen Therapien für die CMT1A. Wie auch beim Menschen zeigte sich auch bei dem am häufigsten verwendeten Tiermodell der CMT Ratte (Sereda et al., 1996) eine Variabilität der Krankheitsausprägung und des Manifestationszeitpunktes. Bei anderen Erkrankungen werden bereits erfolgreich Biomarker zur genauere Beurteilung der Erkrankungsschwere eingesetzt. Für CMT1A existieren bisher keine derartigen Biomarker in der klinischen Routine. Daher wurden zur Identifikation in einer ersten Studie Hautbiopsien von CMT1A Ratten untersucht. Mittels mRNA Genexpressions- analysen konnten hierbei sechs potenzielle Biomarker gefunden werden, welche sich auch in einer kleinen Kohorte von humanen CMT1A Patienten/innen für die Eignung als diagnostisches Mittel bestätigen ließen (Fledrich et al., 2012).
In der vorliegenden Forschungsarbeit wurde eine weitere Validierung der potenziellen Biomarker zur Diagnostik der Krankheitsschwere durchgeführt. Zusätzlich wurden weitere Marker analysiert, die Hinweise auf den Verlauf der Progression liefern können. Die Validierung erfolgte in einem ersten Schritt an einer paneuropäischen und amerikanischen Kohorte von insgesamt 266 genetisch gesicherten, klinisch gut charakterisierten Patienten mit CMT1A. Für die mRNA Expressionsanalyse wurden Gene analysiert, welche in einer, dieser Dissertation vorangegangenen Untersuchung bei CMT1A Patienten und im Tiermodell eine signifikant veränderte Expressionen aufwiesen (ANPEP, BGN, CDA, CTSA, CRISP3, ENPP1, FN1, FN3KRP, GRIA1, GSTT1, GSTT2, GSTA4, MUCL1, PPARG, SPRR1A und NRG1-I). Den für diese Studie ausgewählten Patienten wurde eine Hautbiopsie an der Fingerkuppe entnommen, mRNA extrahiert, aufbereitet und mithilfe quantitativer Realtime- PCR analysiert. Die Ergebnisse der Expressionsanalysen wurden mittels stabiler Housekeeping Gene und Kallibratoren normalisiert und bezüglich der klinischen Parameter wie Alter, BMI, Geschlecht und untersuchendes Zentrum kontrolliert ausgewertet. Die Expressionsergebnisse wurde mit den aktuell verwendeten klinischen Scores als Marker für die Krankheitsschwere korreliert. Dabei wurden sowohl der ursprüngliche Neuropathie Score für CMT, seine Erweiterungen und Subscores sowie weitere klinische Parameter, wie beispielweise der 9HPT oder der T10MW verwendet. In vorherigen Untersuchungen hatten sich variierende Sensitivitäten der einzelnen Parameter der Scores gezeigt. Daher wurden die Untersuchungsparameter einzeln und in unterschiedlichen Kombination analysiert. Von den 16 untersuchten potenziellen Biomarker zeigten acht Gene (CDA, CTSA, GRIA1, ENPP1, ANPEP, FN3KRP, GSTT2 und PPARG) eine signifikante Korrelation mit der Erkrankungsschwere. Mit einer Sensitivität von 90% und einer Spezifität von 76,1% kann die Kombination dieser acht Gene die Patienten anhand ihres Schweregrades in mild, moderat und schwer betroffen einteilen.
Um anschließend die Biomarker für eine Progressionsdetektion zu validieren, erfolgte in einer kleineren Patientenkohorte nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren eine zweite klinische Untersuchung und erneute Biopsieentnahme. Die klinische Progression der Patienten/innen wurde auch hier durch einen erhöhten CMTNS Punktwert oder die Veränderung von sekundären Parametern ermittelt. Sechs Gene (CDA, CTSA, ENPP1, GSTT2, PPARG und NRG1-I) zeigten eine signifikante Veränderung Ihrer Expression über den untersuchten Zeitraum. Die Kombination dieser sechs Gene korreliert signifikant mit der Veränderung der Erkrankungsschwere, welche durch die Veränderung des CMTNS abgebildet wird. Es zeigte sich eine Sensitivität von 63,2% und eine Spezifität von 100%.
Insgesamt konnte bestätigt werden, dass Genexpressionsanalysen aus Hautbiopsien und die daraus identifizierten Biomarker für die Bestimmung der Krankheitsschwere geeignet sind. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die kutane Expression von individuellen Genen über den definierten Zeitraum eine signifikante Veränderung aufweist, welche mit dem Verlauf der Erkrankung korreliert und damit ebenfalls einen geeigneten Marker für die Progression der Erkrankung bilden kann. Die fünf Gene (CDA, CTSA, ENPP1, GSTT2, PPARG), die sowohl bei der Erkrankungsschwere- als auch bei der Progressionsbeurteilung identifiziert werden konnten, stellen damit ein aussichtsreiches Set von Biomarkern dar, welche im Verlauf im klinischen Alltag und in Studien weiter validiert werden sollten. In Zukunft kann die Implementierung geeigneter Biomarker in klinische Studien entscheidend dazu beitragen, die Entwicklung von erfolgreichen Therapien zu ermöglichen und weiter voranzutreiben.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:79092
Date09 May 2022
CreatorsEhbrecht, Caroline Marie
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

Page generated in 0.0032 seconds