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Optimierte Schutzkleidung für Motorradfahrer: Forschungsbericht

Ziel des vorliegenden Projekts ist es, aus dem Unfallgeschehen typische Unfallsituationen und Anprallszenarien für Motorradfahrer herauszuarbeiten. Basierend auf diesen Erkenntnissen und weiterführenden verletzungsmechanischen Betrachtungen wird ausgewählte „optimierte Schutzkleidung“ in Hinblick auf das Potential zur Verletzungsvermeidung bzw. zur möglichen Reduktion der Verletzungsschwere differenziert bewertet. Zudem werden Empfehlungen für die Anpassung aktuell gültiger Prüfverfahren dargestellt. Es wurden die zur Verfügung stehenden Unfalldaten des Instituts für Rechtsmedizin der LMU, eines kooperierenden Sachverständigenbüros und der UDB analysiert. Bei den verfügbaren Daten handelt es sich überwiegend um Schwerstunfallkollektive. Bei weniger schwer verletzten Motorradfahrern sind Verletzungen an den unteren Extremitäten führend. Insbesondere bei schweren und tödlichen Unfällen ist der Thorax die mit Abstand relevanteste und sehr häufig auch am schwersten verletzte Körperregion. Deshalb wurde im Rahmen des vorliegenden Projekts schwerpunktmäßig der Thoraxanprall adressiert. Ergänzend ist zu erwähnen, dass der Anteil an Kopfverletzungen in den betrachteten Fallkollektiven ebenfalls hoch ist. Im vorliegenden Projekt wurde jedoch die Festlegung getroffen, diese Körperregion nicht vertiefender zu betrachten. Mit einer eigens entwickelten Kinematikkodierung bzw. Vorab- Klassifizierung wurde eine Gruppierung und Identifikation von besonders häufigen und relevanten Anprallparametern durchgeführt. Es lassen sich folgende Schwerpunkte bei den relevanten Anprallszenarien für den Thorax feststellen: - Anprall Straße, Vertikalgeschw. vereinfachend ca. 17 km/h - Anprallobjekt Radius ca. 0,075 m, Anprallgeschw. ca. 25 km/h - Anprallobjekt Radius ca. 0,075 m, Anprallgeschw. ca. 60 km/h - Anprallobjekt Radius ca. 0,25 m, Anprallgeschw. ca. 50 km/h Eine zielführende Eingrenzung von Anprallparametern für die unteren Extremitäten war mit der gewählten Methodik nicht möglich. Hier konnten lediglich wenige eher allgemeine Auffälligkeiten festgestellt werden. Anschließend wurden die ermittelten Anprallszenarien simuliert und verletzungsmechanisch bewertet. Um das Schutzpotential eines heutigen und optimierten Thorax-Airbags bestimmen zu können, wurde ein entsprechendes generisches, d.h. allgemeines, FE-Airbagmodell entwickelt und an das verwendete Menschmodell angepasst. Fasst man die Ergebnisse der durchgeführten Analysen zusammen, so ist festzustellen, dass ein heutzutage erhältlicher Thorax-Airbag insbesondere bei eher geringen Anprallgeschwindigkeiten Verletzungsfolgen reduzieren kann. Je höher die Anprallgeschwindigkeit bzw. je kleiner der Radius des Anprallobjekts, desto geringer ist die zu erwartende Schutzwirkung. Spätestens ab einer Anprallgeschwindigkeit von 50 km/h ist keine nennenswerte Reduktion der Verletzungsschwere mehr zu erwarten. Selbst ein großzügig optimierter generischer Airbag, der in diesem Geschwindigkeitsbereich noch eine potentielle Schutzwirkung aufweist, kommt bei spätestens 70 km/h Anprallgeschwindigkeit an das Ende seiner Wirksamkeitsspanne. Bezogen auf das Unfallgeschehen bedeutet dies, dass ein Thorax-Airbag insbesondere bei eher leichten Unfällen ein gutes Schutzpotential aufweist. Dort wären jedoch auch ohne bzw. mit konventioneller Schutzkleidung keine schwersten Verletzungsfolgen zu erwarten. Die ermittelten typischen Anprallbedingungen (ca. 25 km/h) bewegen sich dabei in einem Bereich, für den auch heutige Motorradhelme ausgelegt sind und gut vor Verletzungen schützen. Allerdings zeigt sich in der Unfallanalyse, dass Thoraxverletzungen in diesem leichten Unfallkollektiv weniger häufig vorkommen und selten schwerwiegend sind. Es stehen insbesondere Verletzungen an den Extremitäten im Vordergrund. Bei schwereren Unfällen mit höheren Anprallgeschwindigkeiten nimmt die Relevanz an schweren Thoraxverletzungen deutlich zu, allerdings in gleichem Maße das Schutzpotential von Airbags in der Schutzkleidung ab. / Motorcyclists still have a significantly higher risk than car occupants of being injured or even killed in an ac-cident. That means, in relation to the covered distance, motorcyclists have a considerably higher risk of being killed in a road accident than car occupants. In 2017 the risk was higher by a factor of 20. Moreover, the level of risk is constantly increasing. The accidents of motorcyclists are often serious collisions, since they do not have the benefit of the protective crumple zones or highly developed safety systems that have become standard in virtually all cars. Depending on the circumstances of the impact, the motorcyclist’s body may have to absorb most of the energy involved, which often results in severe and fatal injuries. Accordingly, there is significant scope for optimizing the protective clothing of motorcyclists. In particular, new developments such as airbags in protective clothing are highly promising. However, a detailed analysis of the injury patterns and protective mechanisms is essential so that solutions can be developed and their effectiven-ess assessed. The aim of this study is to analyse the accidents that occur in order to identify typical accident situations and impact scenarios. In addition, a list ranking the regions of the body most badly affected will be produced. Based on these findings, selected “optimized protective clothing” will be thoroughly assessed in terms of its potential to prevent injuries and mitigate the severity of any injuries. Taking the results of the analyses together, it is clear that today’s commercially available thorax airbags can mitigate injuries at lower speeds of impact. The higher the speed of the impact and the smaller the radius of the object involved in the impact, the smaller is the protective effect that can be expected. As of a speed of impact of at most 50 km/h, no appreciable mitigation of injury severity can be expected. Even a significantly optimized airbag, which can still have a protective effect in this speed range, is no longer effective as of a speed of impact of at most 70 km/h.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:74713
Date29 April 2021
CreatorsGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
PublisherGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:book, info:eu-repo/semantics/book, doc-type:Text
SourceForschungsberichte / Unfallforschung der Versicherer, GDV
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-746296, qucosa:74629

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