Return to search

Togetherness and resistance: a multispecies ethnography of organic tea plantations in India

Meine Dissertation untersucht die ökologische Landwirtschaft auf indischen Teeplantagen. Basierend auf sechsmonatiger Feldforschung auf drei Plantagen in verschiedenen Teeanbaugebieten (im Dibrugarh-Distrikt von Assam, in der Darjeeling-Region in Westbengalen und in den Nilgiri-Bergen in Tamil Nadu) beschreibe ich, wie die Interaktionen zwischen Menschen, Teepflanzen und anderen nichtmenschlichen Spezies Einfluss auf Arbeits- und Produktionsverhältnisse nehmen. Mit Bezug auf Erin Mannings Denkbild der „minor gestures“ (2013) theoretisiere ich solche Interaktionen als spontane, nicht-intentionale, kollektive Handlungen. Über das analytische Instrument der „kleinen Gesten“ skizziere ich
die Akteur-Netzwerke des ökologischen Teeanbaus. Hier zeige ich zum einen die
Ungleichheiten bei der Arbeit auf, die durch ökologische Anbautechniken reproduziert werden, zum anderen die verschiedenen Formen menschlichen und nichtmenschlichen Widerstands gegen das Plantagenmanagement.

Kernargument der Dissertation ist, dass Bio-Pflanzer (Plantagenbesitzer) und -Berater die „kleinen Gesten“ zwischen Teepflanzen und anderen nichtmenschlichen Arten gezielt einsetzen, um Teepflanzen produktiver wachsen zu lassen. Sie weisen ArbeiterInnen und Aufseher an, Insekten, Pilze, Bodenbakterien, Kühe und Wildpflanzen strategisch in die tägliche Arbeit einzubeziehen und ökologische Zusammenhänge für die Teeproduktion nutzbar zu machen. So soll etwa der Dung von Kühen die Bodenbakterien ernähren, damit diese wiederum die Teepflanzen nähren. Pilze, die vormals als Schädlinge angesehen wurden, sollen den Geschmack von Teeblättern verfeinern. Während andere Studien Plantagen vor allem als „ökologische Vereinfachungen“ beschreiben (Tsing et al 2019: 186), wollen Pflanzer
auf Bio-Teeplantagen ökologische Vielfalt nicht grundsätzlich ausschließen, sondern vielmehr gezielt beeinflussen. ArbeiterInnen und Aufseher sollen vielfältige ökologische Beziehungen gezielt kultivieren, um landwirtschaftliche Monokulturen zu optimieren. So soll ein ertragreiches „Miteinander“ (Münster 2017) verschiedener Arten innerhalb der „ökologischen Vereinfachungen“ entstehen. Meine Ethnographie arbeitet zwei zentrale Aspekte dieses Miteinanders heraus:

Erstens betone ich, dass die Zusammenarbeit mit nichtmenschlichen Lebewesen mit
menschlichen Ungleichheiten einhergehen kann. Das Miteinander verschiedener Arten beruht zumeist auf prekärer Arbeit, wie sie auf indischen Teeplantagen seit der Kolonialzeit vorherrscht. Ökologische Anbautechniken erhöhen den Arbeitsaufwand, da sich ArbeiterInnen und Aufseher zusätzlich zu den Teepflanzen mitunter auch noch um Mikroorganismen kümmern, Dünger herstellen oder das Wetter beobachten müssen. Für die aufwendige Pflege nichtmenschlicher Lebewesen verdienen sie dennoch weniger als den Mindestlohn. Pflanzer und Berater sind in erster Linie darum bemüht, das nichtmenschliche Miteinander zu optimieren; gute Bedingungen für ArbeiterInnen und Aufseher sind meist zweitrangig.

Zweitens zeige ich, wie der Widerstand von ArbeiterInnen und Aufseher gegen ihre
Arbeitsbedingungen das produktive Miteinander anderer Spezies verändert. Bisweilen protestieren ArbeiterInnen und Aufseher offen gegen ihre prekäre Situation, so auch während des Generalstreiks in Darjeeling im Jahr 2017, in dessen Folge ganze Plantagen brachlagen und verwilderten. Für gewöhnlich jedoch verhandeln ArbeiterInnen und Aufseher ihre Arbeitsbedingungen weniger offensiv, sie leisten „alltäglichen Widerstand“ (Scott 1985). Indem sie zum Beispiel bestimmte Anweisungen zu ökologischen Anbautechniken missachten, beeinflussen ArbeiterInnen und Aufseher auch die „kleinen Gesten“ zwischen Teepflanzen und anderen nichtmenschlichen Arten, was die Erträge der Teepflanzen zurückgehen lassen kann. Alltäglicher Widerstand ist also häufig kontraproduktiv, weil der Arbeitsaufwand dadurch langfristig steigt. Ähnliches gilt auch für den nicht-intentionalen Widerstand, den Teepflanzen und andere Nichtmenschen vermittels „kleiner Gesten“ leisten: Wenn der Monsun die Teepflanzen zu schnell und zu hoch wachsen lässt, oder sich die „invasive“ Lantanapflanze auf den Plantagen ausbreitet, entsteht auch hier zusätzliche Arbeit für ArbeiterInnen und Aufseher.

Die Kombination von Plantagenstudien und Studien zu alternativer Landwirtschaft
erweitert das Repertoire der Multispecies-Forschung. Beide Landwirtschaftsformen werden, besonders im indischen Kontext, zumeist als Gegenspieler dargestellt; alternative Landwirtschaft gilt als ökologisch und sozial regenerativ, während Teeplantagen Ökosysteme zerstören und koloniale Ausbeutungsverhältnisse reproduzieren. An dieser Schnittstelle zeigt meine Forschung, wie Bio-Teeplantagen alternative Anbautechniken als zentrale Elemente in industrielle Produktionsabläufe einbinden. Somit konsolidiert umweltfreundlichere Teeproduktion das Plantagensystem – und damit auch prekäre Arbeit. Indem ich das Zusammenspiel von Agrarökologie und sozialen Arbeitsfragen untersuche, verdeutliche ich auch das kritische Potenzial der Multispecies-Ethnographie: Gegen das ökologische Miteinander, welches das Plantagemanagement kultivieren will, leisten sowohl ArbeiterInnen und AufseherInnen als auch nichtmenschliche Lebewesen Widerstand.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:75490
Date22 July 2021
CreatorsKumpf, Desirée
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageEnglish
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

Page generated in 0.0016 seconds