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Die Häufigkeit von Diabetes mellitus Typ 1 und der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung im Kindes- und Jugendalter

Die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen ist der Diabetes mellitus Typ 1. Die Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung wiederum ist eine der häufigsten psychiatrischen Störungen im Kindesalter. Kommt es zu einer Kombination beider Erkrankungen, können sich die verschiedenen Krankheitsprozesse durch Veränderungen des Blutglukosespiegels aufgrund von Stresshormonen gegenseitig beeinflussen. Erschwert wird nicht nur die Wahrnehmung von hypoglykämischen Stoffwechsellagen, sondern auch das gesamte Diabetesmanagement, welches sowohl durch die Verwechslungsgefahr der hypoglykämischen mit den hyperkinetischen Symptomen als auch durch die leichte Ablenkbarkeit bzw. Unaufmerksamkeit bei Blutzuckerkontrollen und Injektionen negativ beeinflusst werden kann. Zusätzlich können chronische Stoffwechselentgleisungen die kognitiven Funktionen des Heranwachsenden beeinträchtigen. An diesen Stellen sollte die Therapie von Diabetes mellitus Typ 1 und ADHS ansetzen, denn ihr Erfolg ist abhängig von einer ausgeglichenen Stoffwechsellage und einer konsequenten Selbstwahrnehmung.
Um Aussagen zu der Kombination von Hyperkinetischer Störung und Diabetes mellitus Typ 1 in Deutschland machen zu können, fanden zwei Datenbanken der IMS Health GmbH, die Diagnose-Datenbank IMS® Disease Analyzer und die Medikamenten-Datenbank IMS® LRx, Verwendung. Die Ergebnisse bei dieser Erhebung sollten hierbei Angaben zu den Prävalenzen beider Erkrankungen sowie deren Kombination umfassen. Außerdem wurden die Unterschiede im Vergleich zu Patienten mit ADHS ohne Diabetes mellitus Typ 1 in den Bereichen Altersklassen, Geschlechterverteilung sowie regionale Verteilung und Medikation beleuchtet.
Mit Hilfe der IMS® Disease-Analyzer-Datenbank erfolgte eine Suche nach ICD-10-kodierten Diagnosen zu Diabetes mellitus Typ 1 (E10.-) und der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (F90.-). Diese deutschlandweite Suche ergab für das Jahr 2011 eine Prävalenz von 2,4% für ADHS, 0,1% für Diabetes mellitus Typ 1 und 3,6% für die Kombination von Diabetes mellitus Typ 1 und ADHS. Da nicht alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland ihre Daten an die IMS® Disease Analyzer Datenbank senden und in dieser Studie nur die Gruppe der Pädiater eingeschlossen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass die hierbei ermittelte Prävalenz von 3,6% zu gering und die tatsächliche Prävalenz höher sein dürfte. Die IMS® LRx-Datenbank richtete sich in einer bundesweiten Erhebung gezielt nach Wirkstoffen in Medikamenten gegen Diabetes mellitus Typ 1 (Insulin zur Prandial- und Basalsubstitution) und ADHS (Methylphenidat, Dexamfetamin hemisulfat, Atomoxetin), von welchen auf die Diagnose geschlossen werden konnte. Hierbei wurde für den Zeitraum von Juli 2010 bis Mai 2012 eine Prävalenz von 2,2% an Kindern und Jugendlichen, die sowohl Insulin als auch ein Medikament gegen ADHS verordnet bekamen, ermittelt. Gründe für die geringfügige Abweichung in den unterschiedlichen Methoden könnten die unterschiedlichen Erfassungszeiträume und eventuell durchgeführte Auslassversuche während der Ferienzeit sein. Des Weiteren erhalten nicht alle Kinder und Jugendliche mit der Diagnose ADHS auch ein Medikament, wodurch sich die geringere Prävalenz ebenfalls erklären lässt. Insgesamt sind die Ergebnisse jedoch mit anderen Studien zur Prävalenz von ADHS vergleichbar, was darauf schließen lässt, dass die Hyperkinetische Störung bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 nicht häufiger, aber auch nicht seltener, auftritt als bei Heranwachsenden, die ADHS haben ohne zusätzlich an Diabetes zu leiden.
Wie auch bei Patienten mit Hyperkinetischer Störung ohne Diabetes mellitus zeigte die Kombination von Diabetes mellitus Typ 1 und ADHS im Grundschulalter und in der frühen Pubertät einen Erkrankungsgipfel sowie eine Regredienz ab dem Erwachsenenalter. Begründbar könnte dies mit einer erhöhten Sensibilisierung gegenüber der Diagnose ADHS und Aufgeschlossenheit gegenüber Medikamenten sein sowie mit der Beobachtung, dass sich die Symptome bei ca. zwei Drittel aller Erwachsenen als rückläufig oder gar nicht mehr feststellbar zeigten.
Die Beobachtungen zum Geschlechtertrend zeigten, dass auch bei Vorliegen von ADHS und Diabetes mellitus Typ 1 die Hyperkinetische Störung bei männlichen Patienten ca. viermal häufiger auftritt als bei weiblichen Patientinnen. Dies macht deutlich, dass die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus Typ 1 keinen Einfluss auf die Geschlechtswendigkeit hat. Mögliche Ursachen dafür könnten in den unterschiedlichen Diagnosekriterien der beiden verschiedenen Klassifikations-systeme ICD-10 und DSM-IV liegen. Aber auch eine konditionierte Erwartungshaltung der Ärzte und ein damit verbundenes geschlechterspezifisches Überweisungsverhalten scheinen durchaus dafür ursächlich zu sein.
Bei der Betrachtung der einzelnen Bundesländer hob sich das mitteldeutsche Thüringen mit der höchsten Prävalenz (7,1%) in der Kombination ADHS-relevanter Medikamente und Insulin ab. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen ließ sich die niedrigste Prävalenz (0,4%) beider Erkrankungen ermitteln. Ein reines Nord-Süd-Gefälle war aufgrund der Prävalenzunterschiede zu benachbarten Bundesländern hierbei nicht zu erkennen. Als Erklärungsansatz schienen bei dieser Beobachtung eventuelle regionale Unterschiede in der Facharztdichte und alternative Behandlungsmethoden möglich zu sein.
In Bezug auf die Verordnungshäufigkeit unter den verschiedenen Krankenkassen ergab die Auswertung, dass es lediglich bei der DAK zu signifikant weniger Verordnungen von ADHS-relevanten Arzneimitteln bei Kindern mit Diabetes und ADHS kommt. Bei allen anderen Krankenversicherungen war kein signifikanter Unterschied darstellbar. Anhand der Insulinverordnungen konnte jedoch die Mitgliederverteilung aufgezeigt werden. So ist in der AOK die Verordnungshäufigkeit am größten und in der DAK am geringsten. Diese Verteilung entspricht weitestgehend der Verteilung der Anzahl von Pflichtmitgliedern innerhalb der unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen und verdeutlicht, dass, außer in der DAK, in keiner anderen Krankenkasse übermäßig viele oder wenige Medikamente gegen Diabetes mellitus Typ 1 und Hyperkinetischer Störung verordnet werden.
Bei der Beobachtung der verschiedenen Präparate ließ sich feststellen, dass von den ADHS-relevanten Medikamenten keines häufiger oder weniger häufig bei gleichzeitigem Vorliegen von Diabetes mellitus Typ 1 verordnet wurde. Hingegen ließ sich bei den Insulinverordnungen aufzeigen, dass Kindern und Jugendlichen bei gleichzeitigem Auftreten von Diabetes mellitus Typ 1 und Hyperkinetischem Syndrom häufiger kurz- und langwirksame Insulinanaloga und weniger kurzwirksame Humaninsuline verordnet wurde. Auch die ICT fand bei Patienten, die an beiden Krankheiten gleichzeitig leiden, häufiger Anwendung.
Insgesamt ließen sich bei der Auswertung der Daten keine signifikanten Abweichungen von Kindern und Jugendlichen mit ADHS und Diabetes Typ 1 in Bezug auf Prävalenz, Geschlecht oder Altersgipfelung feststellen. Das Vorhandensein eines Diabetes mellitus Typ 1 hat diesen Erhebungen zufolge keinen Einfluss auf die Epidemiologie der Hyperkinetischen Störung. Lediglich in der Verordnung von Insulin und der Therapie mittels ICT ließ sich ein signifikanter Unterschied zu Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 ohne ADHS feststellen.
Das gleichermaßen häufige Auftreten der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und ohne Diabetes mellitus Typ 1 macht eine Sensibilisierung dafür bei Kinder- und Jugendärzten notwendig, daher sollten betroffene Patienten entsprechende Schulungen und Hilfestellungen erhalten. Dies macht es im Hinblick auf den Blutzuckerspiegel und den damit verbundenen Spätfolgen nicht nur vormittags, sondern vor allem ganztags notwendig.:Inhalt I
Bibliografische Beschreibung II
Referat II
Tabellenverzeichnis III
Abbildungsverzeichnis IV
Abkürzungsverzeichnis V
1. Einleitung 1
2. Theoretische Grundlagen 4
2.1 Diabetes mellitus 4
2.2 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung 11
2.3 Diabetes mellitus Typ 1 und Hyperkinetisches Syndrom 20
3. Ziel der Arbeit 25
4. Material und Methoden 26
4.1 Fragestellungen 26
4.2 Methodik 27
4.2.2 IMS® Disease Analyzer 27
4.2.1 IMS® LRx 30
5. Statistische Auswertung 34
6. Ergebnisse 35
6.1 Daten des IMS® Disease Analyzers 35
6.2 Daten der IMS® LRx-Datenbank 36
7. Diskussion 47
7.1 Daten des IMS® Disease Analyzers 49
7.2 Daten der IMS® LRx-Datenbank 52
8. Zusammenfassung der Arbeit 62
Literatur 66
Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 77
Danksagung 78

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:15843
Date10 July 2017
CreatorsSchott, geb. Reimann, Rebecca
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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