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Differentielle Charakterisierung von Schmerzsymptomatik und autonomem Nervensystem bei Systemischem Lupus Erythematodes

Der systemische Lupus erythemaodes (SLE) ist eine entzündliche, chronisch verlaufende Erkrankung, die multiple Organsysteme affektieren kann. Ein Hauptsymptom ist der Schmerz, welcher unterschiedlichen Charakters sein kann und dessen Einfluss auf Lebensqualität sowie dessen Zusammenhang mit Krankheitsaktivität, psychisch-emotionalen Komorbiditäten sowie körperlicher Funktionsfähigkeit in der vorliegenden Arbeit untersucht werden sollten. Darüber hinaus war Ziel, das Fibromyalgiesyndrom (FMS) als Komorbidität bei SLE bezüglich Prävalenz und Einfluss auf Schmerzsymptomatik zu untersuchen.
Eine Verbindung zwischen autonomem Nervensystem (ANS) und Stressregulationssystem wurde bis dato umfassend belegt. In der vorliegenden Arbeit wurden Messungen der Herzratenvariabilität (HRV) sowie der sympathischen Hautantwort auf elektrischen Stromimpuls (SSR) vorgenommen, um damit die Einflüsse des ANS auf das Herzkreislaufsystem und die Haut zu quantifizieren. Infolgedessen sollte durch die vorliegende Arbeit untersucht werden, inwieweit sich diese bestehenden Verbindungen auf Schmerzsymptomatik und klinische Charakteristika bei Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Erkrankung auswirken und ob Assoziationen mit einem als Komorbidität vorliegenden FMS bestehen.
In einer prospektiven klinischen Studie wurden dazu von Patienten mit diagnostiziertem SLE klinische Parameter zur Krankheitsaktivität (z. B. SLEDAI-Score), Selbstangaben zu erlebter Schmerzsymptomatik, körperlicher und geistiger Funktionsfähigkeit sowie Lebensqualität erhoben. Zusätzlich erfolgte ein Screening auf das Vorliegen eines FMS als Komorbidität anhand ACR-Kriterien aus dem Jahr 1990. Als Kontrollgruppe wurden FMS-Patienten ohne zugrunde liegende rheumatologische Erkrankung untersucht. Die Untersuchung des ANS erfolgte durch Tests zur HRV sowie SSR mit Messungen in Ruhe, unter Stressbelastung durch mentalen Stress beim Rechnen sowie physischen Stress durch Orthostase-, Valsalva-oder tiefe-Atmung-Tests. Folgenden Aufgaben- und Fragestellungen wurde nachgegangen:

1. Darstellung der Schmerzsymptomatik bei SLE und Auswirkungen auf die Erkrankten hinsichtlich Lebensqualität, Funktionsfähigkeit und Krankheitsaktivität

93 SLE-Patienten wurden untersucht. Sie erleben zum Teil starke Schmerzen (48,4 % Angabe starker Schmerzen während vergangener 4 Wochen, NRS = 7-10), wobei jedoch kein Zusammenhang zwischen Schmerzintensität und erhöhter Krankheitsaktivität anhand SLEDAI oder laborchemischer Parameter nachweisbar ist. Eine höhere Schmerzintensität geht jedoch mit signifikant stärker eingeschränkter körperlicher Funktionsfähigkeit einher (HAQ-DI; in allen untersuchten Kategorien p < 0,001). Zudem erlebten SLE-Patienten mit depressiver Symptomatik in 4 von 5 untersuchten Schmerzkategorien höhere Schmerzintensitäten (p < 0,05 bis p < 0,001). Nachgewiesen wurde ebenfalls eine negative Auswirkung höherer Schmerzintensitäten auf die Lebensqualität anhand negativer Korrelationen mit SF-36-Kategorien (p < 0,01). 22,6 % der SLE-Patienten erfüllten Kriterien für das Vorliegen einer neuropathischen Schmerzkomponente, welche mit stärkerer subjektiver Schmerzintensität assoziiert ist (p < 0,0001). Das Auftreten der neuropathischen Schmerzkomponente führt zudem signifikant häufiger zur Einschränkung der körperlichen Funktionsfähigkeit (p < 0,01). Die überwiegende Mehrheit der SLE-Patienten schätzt ihre Krankheitsschwere subjektiv höher ein als die behandelnden Ärzte (p < 0,0001). Schmerz ist ein wichtiges Symptom mit gravierenden Auswirkungen auf unterschiedliche Aspekte des Lebens von SLE-Patienten und führt bei diesen zu ausgeprägten Einschränkungen.
2. Welchen Einfluss hat das FMS als Komorbidität bei SLE und welche Auswirkungen resultieren für die Schmerzsymptomatik der Betroffenen?

Bei 30,1 % (n = 28) der SLE-Patienten wurde anhand der verwendeten ACR-1990-Kriterien ein FMS als Komorbidität diagnostiziert. Bei dem Vergleich von SLE-Patienten mit FMS gegenüber SLE-Patienten ohne FMS zeigen sich signifikante Unterschiede. SLE-Patienten mit FMS erleben eine deutlich höhere Schmerzintensität (p < 0,01). Ein zusätzlich vorliegendes FMS ist zudem signifikant häufiger mit neuropathischem Schmerz assoziiert (37,0 % vs. 16,7 %, p < 0,05). Sowohl Lebensqualität, ermittelt anhand Kategorien im SF-36 (p < 0,05 bis p < 0,01), als auch körperliche Funktionsfähigkeit (HAQ-DI, p < 0,05) sind bei SLE mit FMS als Komorbidität signifikant eingeschränkt. Fatigue ist bei SLE-Patienten mit FMS signifikant stärker ausgeprägt (p < 0,05). Keine Assoziation zeigte sich zwischen FMS als Komorbidität und Krankheitsaktivität, erhoben mittels SLEDAI (p = 0,092). SLE-Patienten mit FMS schätzen die subjektive Krankheitsaktivität signifikant höher ein (5,0 ± 1,7 vs. 3,6 ± 2,0; p < 0,005). Kein Zusammenhang zeigte sich zwischen zusätzlich vorliegendem FMS und verstärktem Stresserleben oder vermehrten Angstreaktionen auf Stress (PSQ, STAI-T und –S).
Bei dem Vergleich SLE+FMS gegenüber den FMS-Patienten ohne SLE zeigte sich eine signifikant höhere Lebensqualität (in SF-36-Kategorien p < 0,05 bis 0,0001) bei den SLE-Patienten. Sowohl die durch Patienten (p < 0,05) als auch die behandelnden Ärzte (p < 0,001) eingeschätzte Krankheitsschwere ist in der FMS-Kontrollgruppe signifikant höher. Ebenso erleben FMS-Patienten Stress intensiver (p < 0,0001) und haben eine höhere Prädisposition für Angstreaktionen auf Stresssituationen (p < 0,0001) als in der SLE+FMS-Gruppe.

3. Besteht ein Zusammenhang zwischen Dysfunktion des ANS, ermittelt anhand HRV und SSR, und klinischen Parametern bei SLE- sowie FMS-Patienten?

Bei SLE-Patienten besteht ein Zusammenhang zwischen erhöhter Krankheitsaktivität und ANS-Dysregulation. SLE-Patienten mit hoher Krankheitsaktivität im SLEDAI haben verglichen mit Patienten mit mittlerer Krankheitsaktivität im SLEDAI signifikant häufiger eine pathologische Herzratenvariabilitäts- (HRV) Gesamttestbatterie (75,0 % vs. 14,3 %, p < 0,05). Die Ruhemessungen sind bei Patienten mit höherer Krankheitsaktivität im SLEDAI häufiger pathologisch. Nachweisbar ist ein Zusammenhang mit erhöhter Entzündungsaktivität (CRP) und laborchemischer Krankheitsaktivität (anti-dsDNA), p jeweils < 0,05. Darüber hinaus ist bei erhöhter Entzündungsaktivität häufiger das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus gestört (Valsalva-Test; p < 0,05). Insgesamt zeigt sich bei SLE-Patienten im mentalen Stresstest (MST) zur Sympathikusstimulation eine pathologische Reaktion; im tiefe-Atmung-Test (deep breathing test = DBT) zur Parasympathiksstimulation überwiegt wiederum inadäquaterweise der Sympathikus.
Es besteht keine Assoziation zwischen pathologischer Herzratenvariabilität und Vorliegen eines FMS bei SLE-Patienten. Ebenso zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Dysfunktion des sympathischen Anteils des autonomen Nervensystems, evaluiert anhand sympathischer Hautantwort (sympathetic skin response = SSR), und FMS bei SLE-Patienten. Eine pathologische Reaktion des sympathischen Nervensystems ist bei SLE-Patienten assoziiert mit erhöhter laborchemischer Krankheitsaktivität (33,3 % pathologische SSR-Tests bei erhöhten anti-dsDNA-Werten vs. 7,4 % pathologische Tests bei anti-dsDNA-Werten innerhalb der Norm, p < 0,05). Ein Zusammenhang mit erhöhter Entzündungsaktivität (CRP) oder höherer Krankheitsaktivität im SLEDAI besteht dagegen nicht.

Schmerz ist ein Hauptsymptom bei SLE und führt zu Einschränkungen von Lebensqualität und körperlicher Funktionsfähigkeit. Neuropathischer Schmerz kommt bei SLE-Patienten häufig vor und ist mit höherer subjektiver Schmerzintensität und reduzierter körperlicher Funktionsfähigkeit assoziiert. Diese Schmerzkomponente sollte bei SLE evaluiert werden, um damit verbundene Einschränkungen zu minimieren. Eine hohe Prävalenz des FMS bei SLE mit konsekutiver Einschränkung der Lebensqualität wurde aufgezeigt. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines FMS-Screenings. Daraus schlussfolgernd könnten Anpassungen von Therapieschemata zur Verbesserung eingeschränkter Komponenten des Alltagslebens führen. Ein Zusammenhang zeigte sich zwischen erhöhter Krankheitsaktivität und ANS-Dysfunktion bei SLE-Patienten. Es müsste untersucht werden, ob eine Sympathikus-Überfunktion mit erhöhter Krankheitsaktivität einhergeht und ob eine Reduktion der Sympathikus-Aktivität, beispielsweise durch gezielte Programme zur Stressbewältigung, die Krankheitsaktivität reduzieren und damit Lebensqualität sowie Funktionalität bei SLE erhöhen könnten. HRV-Parameter könnten im klinischen Alltag zudem als Marker der Krankheitsaktivität dienen. Gegenwärtig sind weitere Untersuchungen, auch in größeren Patientenpopulationen, notwendig, um weitere Zusammenhänge zwischen ANS-Dysfunktion und Krankheitsaktivität sowie Auftreten eines FMS als Komorbidität bei SLE zu evaluieren. Dadurch könnten konsekutiv auch weitere Optionen zur Diagnostik und möglichen Therapie des SLE gewonnen werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:16951
Date04 January 2018
CreatorsKraußlach, Oliver
ContributorsBaerwald, Christoph, Seifert, Olga, Wagner, Ulf, Sack, Ulrich, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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