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Geschwindigkeitswahrnehmung von einspurigen Fahrzeugen: Forschungsbericht

In Deutschland ist die Zahl der Elektrofahrräder (Pedelecs) in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Sie erfreuen sich vor allem wegen der durch Motorunterstützung schnelleren und komfortableren Fortbewegung im Vergleich zum Fahrrad großer Beliebtheit. Allerdings bergen vor allem die höheren Geschwindigkeiten im Vergleich zu konventionellen Fahrrädern Gefahren. So steht zu befürchten, dass andere Verkehrsteilnehmer nicht mit der relativ hohen Geschwindigkeit eines sich annähernden Elektrofahrrades rechnen, und dessen Eintreffen an einem bestimmten Punkt (z.B. eine Kreuzung) falsch bewerten. Als Folge einer solche Fehlbewertung ist gegebenenfalls auch mit riskanterem Verhalten zu rechnen, welches in Kreuzungssituationen im Wesentlichen durch ein sehr knappes Kreuzen der Spur des Elektrofahrradfahrers (z.B. beim Linksabbiegen) charakterisiert ist. Ziel der im Rahmen des Projektes durchgeführten Untersuchungen war es daher, die von anderen Fahrzeugführern vorgenommene Einschätzung der Zeit bis zum Eintreffen an einem vordefinierten Punkt (Time-to-Arrival, TTA) sowie die Lückenwahl im Zusammenhang mit sich annähernden Zweirädern, im Speziellen konventionellen und Elektrofahrrädern, genauer zu betrachten. In einer Versuchsreihe bestehend aus vier Experimenten wurden verschiedene Einflussvariablen auf die Lückenwahl bzw. TTA-Schätzung untersucht. Ziel von Untersuchungen zur Lückenwahl ist es herauszufinden, welche Lücken Verkehrsteilnehmer vor oder zwischen anderen Fahrzeugen zum Einbiegen, Queren oder Einordnen wählen. Untersuchungen zur TTA-Schätzung hingegen befassen sich mit der Frage, für wie groß ein Verkehrsteilnehmer den zeitlichen Abstand zu einem anderen Verkehrsteilnehmer bewertet. Als zentraler Faktor wurde die Geschwindigkeit der sich annähernden Zweiräder variiert. Ebenfalls wurde der Einfluss des Zweiradtyps (Fahrrad o. Pedelec 45), des Blickwinkels sowie des Streckenprofils in einem realistischen Umfeld auf der Teststrecke geprüft (Experiment 1). Anschließend wurden drei weitere Experimente (Experimente 2-4) im Labor mit Hilfe von Videomaterial durchgeführt. Hierbei wurden der Einfluss des Alters des Fahrradfahrers, der Trittfrequenz sowie der Vergleich der beiden Fahrradtypen mit einem Moped auf die Lückenwahl und TTA-Schätzung getestet (Experimente 2-3). In einem vierten Versuch (Experiment 4) standen die Auswirkungen von verschiedenen Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit von Radfahrern auf die TTA-Schätzung im Mittelpunkt. Bei allen vier Experimenten wurde zudem auch das Alter der Beobachter als Einflussfaktor überprüft (30 bis 45 Jahre, 65 Jahre und älter). Auf der Teststrecke (Experiment 1) wurde die Lückenwahl der Teilnehmer erfasst, die dazu in einem echten Pkw saßen. Sie sahen einen Fahrradfahrer auf sich zukommen und sollten ein im Pkw angebrachtes Fußpedal in dem Moment betätigen, in dem ihrer Meinung nach die kleinste von ihnen akzeptierte Lücke zum Abbiegen vor dem Fahrrad erreicht war. In zwei der Laboruntersuchungen (Experimente 2-3) hatten die Teilnehmer die gleiche Aufgabe. Allerdings erfolgte hier die Bewertung anhand von Videos von sich nähernden Zweirädern. Zusätzlich zu der Aufgabe, die kleinste noch sichere Lücke anzugeben, sollten sie im Labor auch die Zeit bis zum Eintreffen an einem vordefinierten Punkt (TTA) für die sich annähernden Zweiräder schätzen (Experimente 2-4). Auch dazu sahen die Teilnehmer kurze Videosequenzen, in denen sich ein Zweiradfahrer näherte. Bevor der Zweiradfahrer jedoch die Höhe der Teilnehmer erreichte, wurde das Video ausgeblendet. Aufgabe der Probanden war es, eine Taste in dem Moment zu drücken, in dem sie glaubten, dass der Zweiradfahrer die vordefinierte Position erreicht hätte. In allen Experimenten konnte gezeigt werden, dass es bei höheren Geschwindigkeiten des sich nähernden Zweirads im Vergleich zu geringeren Geschwindigkeiten zu größeren TTA-Schätzungen und kleineren zum Abbiegen gewählten Zeitlücken kommt. / In Germany, electric bicycles (pedelecs) have become highly popular over the past few years. Reasons for that are their potential to reach higher speeds and the reduction of cycling effort. While these are desirable effects, safety concerns have been raised. Pedelecs are, with regard to their design, hardly distinguishable from conventional bicycles. It has been argued that this could result in other road users misjudging the approach of an oncoming pedelec (e.g. at intersections) and subsequent unsafe behaviour, e.g. choosing rather small time gaps for crossing in front of pedelec riders. Therefore, the goal of this study was to conduct a series of experiments investigating road users’ time-to-arrival estimations (TTA; the estimation of time gaps between the road user and other vehicles) and their gap acceptance behaviour (the gap a road user selects in front of or between other vehicles for turning or crossing) in relation to approaching two-wheelers, especially pedelecs and conventional bicycles. Three experiments were conducted to investigate the influence of two-wheelers’ approach speed, bicycle/vehicle type (conventional bicycle, S-pedelec, scooter), road gradient, observer perspective, observer age, cyclist age, and pedalling frequency on TTA estimation and/or gap acceptance. A fourth experiment investigated the impact of measures to enhance the visibility of cyclists on TTA estimation. An intersection scenario was implemented either in a realistic setting on a test track (Experiment 1) or in a laboratory using video material (Experiments 2 to 4). On the test track, participants were seated in a real car. They observed an approaching cyclist and were instructed to depress a foot pedal to indicate the smallest acceptable gap to turn in front of the bicycle rider (gap acceptance). In the laboratory studies, participants were asked to indicate the smallest acceptable gap, too, but provided their judgements on the basis of videos of approaching cyclists. For TTA estimations, participants watched short videos of approaching two-wheelers. Before the rider reached the position of the participant, the videos were masked, and the participants were required to press a button to indicate the moment they believed the rider would have reached a predefined position (TTA estimation, Experiment 2 to 4 only). In all four experiments, a higher approach speed of the two wheeler lead to higher TTA estimates and smaller accepted gaps in comparison to a lower approach speed. That means participants’ turning decisions tended to be riskier for higher speeds. In addition, there were differences in gap acceptance and TTA estimation between the two bicycle types. Participants selected smaller gaps for the S-pedelec compared to the bicycle. Likewise, TTA estimations for the S-pedelec were higher, i.e. participants judged the time remaining until the S-pedelec reached the observers’ position as longer compared to the bicycle, resulting in riskier turning behaviour. For the scooter, we found larger accepted gaps and smaller TTA estimations in comparison to the two bicycle types. This suggests a somewhat safer turning/crossing behaviour around scooters compared to bicycles. Furthermore, cyclists’ age influenced TTA estimations, with an older cyclist being judged as arriving earlier at the observers’ position than a younger cyclist. In addition, the participants chose smaller gaps and provided higher TTA estimations for a lower pedalling frequency in comparison to the higher one. The age of the participants affected only TTA estimation, not gap acceptance behaviour.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:74674
Date28 April 2021
CreatorsGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
PublisherGesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:book, info:eu-repo/semantics/book, doc-type:Text
SourceForschungsberichte / Unfallforschung der Versicherer, GDV
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-746296, qucosa:74629

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