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Kreislaufwirtschaftliche Tiefencharakterisierung des Leichtverpackungs-Abfallanfalls in Deutschland

Das Recycling von post-consumer-Leichtverpackungs(LVP)-Abfällen ist ein in Deutschland flächendeckendes und komplexes System, welches die Abfallwirtschaft vor eine Vielzahl von Herausforderungen stellt. Beispiele sind zum einen das deutsche Verpackungsgesetz und die damit verbundene Erhöhung der Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen von zuvor 58,5 Gew.-% auf aktuell 63,0 Gew.-%. Zum anderen die Änderung der Berechnungsregeln der Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen, welche in Deutschland zu einem Rückgang der Recyclingquote von Kunststoffverpackungsabfällen von derzeit 60,4 Gew.-% (alte Berechnungsmethode) auf 48,1 Gew-% (neue Berechnungsmethode) führt. Diese gilt es zu über-kommen, um das übergeordnete Ziel einer Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Technologische Innovationen stellen eine vielversprechende Option bei der Erreichung dieser Ziele dar. Grundsätzlich sind diese jedoch auf große und präzise Datenmengen des LVP-Abfallstroms angewiesen. Öffentliche Daten zum Entsorgungsverhalten der Verbraucher und Analysen von LVP-Abfällen aus deutschen Haushalten, die über reine Masseanteile z. B. der Polymer-arten (z. B. PE, PP, PET) im LVP-Strom hinausgehen, sind nur begrenzt vorhanden. Relevante Daten zu Verpackungs- und Verschlussart, Verpackungsgeometrien oder -farben bis hin zu Füllgütern spielen jedoch eine wesentliche Rolle, um die Leistungsfähigkeit der Kreislaufwirtschaft zu verbessern. Diese Dissertation zielt daher darauf ab, eine Tiefencharakterisierung von LVP-Abfällen aus deutschen Haushalten durchzuführen.

Zur Erfassung einer möglichst repräsentativen LVP-Probe wurde im Zeitraum von Juni bis November 2019 in insgesamt 249 ausgewählten deutschen Haushalten eine zweiwöchige Sammlung aller in diesen Haushalten anfallenden LVP durchgeführt. Zudem beantworteten die Studienteilnehmer Fragen zu sozio-demografischen Daten (z. B. Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße), deren Reduktions- und Vermeidungsverhalten von Verkaufsverpackungen und dem lokal vorliegenden Sammelsystem (z. B. gelbe Tonne, gelber Sack). Insgesamt wurde eine Gesamtmasse von 254 kg gesammelt. Aus diesem Ausgangsmaterial wurden 207 kg bzw. 21.380 LVP einer eingehenden Charakterisierung z. B. hinsichtlich der Kategorien Ver-packungstyp (z. B. Schale, Flasche), Etikettentyp (z. B. direktbedruckt, Banderole), Ver-schlusstyp (z. B. Hotmelt, Schraubverschluss), Transluzenz (z. B. Transparent, Opak), Masse und Maße mit einer Identifikationsquote von 100 % unterzogen. Der Füllguttyp (z. B. Lebensmittel, Hygieneprodukte) konnte von 87 % der Verpackungen identifiziert werden. Die verwendeten Werkstoffe (z. B. PP, PET) der Verpackungen konnten unter Berücksichtigung der auf den Verpackungen befindlichen Recyclingcodes und der Durchführung von FTIR-ATR-Messungen der Außen- und Innenseite von ca. 97 % der Verpackungen identifiziert werden.

Aus abfallwirtschaftlicher Perspektive wurde mit der hier vorgelegten Arbeit eine 'Inputanalyse' im Sinne des in die abfallwirtschaftlichen Prozesse eintretenden LVP-Stromes aus Privathaushaltungen durchgeführt. Ein Vergleich der Werkstoff-Massenanteile dieser Sortierstudie (Inputanalyse) mit Studien zur Kunststoffproduktion und zum Sortieranlagen-Output zeigt eine gute Übereinstimmung.

Im Rahmen der hier vorgelegten Arbeit konnte ein Anteil an Multilayer-Verpackungen von 33 Gew.-% im LVP-Strom, mithilfe von FTIR-ATR-Messungen der Außen- und Innenseite der Verpackungen und des Recyclingcodes auf den Verpackungen, identifiziert werden. Der Multilayer-Anteil stellt durch seine Materialmischung aus Sicht der Kreislaufwirtschaft eine besondere Herausforderung dar. Infolgedessen wurden 296 ausgewählte Multilayer-Verpackungen hinsichtlich Werkstoffanteil (Kunststoffe, Metalle, Papier/Kartonagen), Ver-packungstyp, Lagerbedingungen (z. B. Kühlschrank, Raumtemperatur) und Verpackungsinhalt analysiert. Zusätzlich führten mikroskopische Analysen des Aufbaus der Multilayer-Verpackungen zur Ermittlung der Schichtdicke und -anzahl. Innerhalb der 296 Multilayer-Verpackungen konnten 13 polymere Verbundtypen festgestellt werden. Teils wurde für die Erfüllung gleicher Verpackungsaufgaben unterschiedliche Verpackungslösung verwendet, da die Verpackungshersteller bei der Verpackungsgestaltung und Materialauswahl frei entscheiden können. Innerhalb der 296 untersuchten Multilayer-Verpackungen wurde mit einem Anteil von 36 % am häufigsten die Materialkombination PET (Außenschicht)-LDPE (Innenschicht) verwendet, gefolgt von PA-LDPE mit 18 % und PP-PP mit 14 %. Zudem wurde in 19 % der Multilayer-Verpackungen ein Aluminiumanteil festgestellt.

Weiter wurden die tiefencharakterisierten LVP-Abfälle auf Haushaltsebene (gesammelte LVP-Abfälle je Haushalt) mit den von den Haushalten beantworteten Fragen zusammengeführt. Dies ermöglichte die Quantifizierung der Einflüsse der Verbraucher auf das Pro-Kopf-Abfallaufkommen, welches mit der Haushaltsgröße, der Siedlungsstruktur, dem Sammelsystem und dem Reduktions- und Vermeidungsverhalten der Teilnehmer signifikant korreliert. Darüber hinaus konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Fehlwurfanteilen und dem verwendeten Sammelsystem festgestellt werden. Zusätzlich wurde in den LVP-Abfällen (207 kg) der verbliebene Restfüllgehalt in den Verpackungen (7,7 %) und Fehlwurfanteile in der Sammelmenge (8,8 %) ermittelt.

Die Restfüllgehalte und Fehlwurfanteile sowie die ermittelten Verpackungswerkstoffe der vorliegenden Sortierstudie wurden für die Ermittlung des in Deutschland theoretisch zur Verfügung stehenden LVP-Wertstoffpotentials herangezogen. Als Referenzwert diente die in Deutschland im Jahr 2019 angefallene Menge von 2,6 Mio. Mg an LVP-Abfällen aus Kunststoffen, Metallen und Verbundmaterialien.

Bezogen auf die Verwertbarkeit mittels mechanischem Recycling ergibt sich für Deutschland ein Anteil an 1.285.847 Mg (49,5 %) an gut verwertbaren Fraktionen (Verpackungen aus Monomaterialien), ein Anteil von 419.813 Mg (16,2 %) an bedingt verwertbaren Fraktionen (Flüssigkeitskartons) und ein Anteil von 355.333 Mg (13,7 %) an schlecht verwertbaren Fraktionen (z. B. Multilayer-Verpackungen). Ebenfalls wurde die Erweiterungen der Bepfandung auf LVP, die durch das Verpackungsgesetz im Jahr 2022 und 2024 in Kraft treten, berücksichtigt. Hieraus ergibt sich für das Jahr 2022 ein Anteil von 79.779 Mg (3,1 %) und für das Jahr 2024 ein Anteil von 29.968 Mg (1,2 %) an Verpackungsabfällen, die den LVP-Abfallstrom in die Pfandroute „verlassen“.

Die Ergebnisse dieser Dissertation zeigen den Nutzen der tiefencharakterisierten LVP, welcher deutlich über denen üblicherweise abfallwirtschaftlicher Datenerfassung liegt und verbindet abfallwirtschaftliche und verpackungstechnische Informationen, auf deren Basis eine wertstoff- und designgerechte Verpackungsabfallwirtschaft begründet werden kann. Dar-über hinaus motivieren insbesondere die Anteile an mittels mechanischen Recyclings bedingt und schlecht zu verwertenden Verpackungen eine erneute Durchführung der Sortierstudie. Hierdurch können Änderungen beim Verpackungsdesign, z. B. durch das im Verpackungsgesetz verankerte recyclinggerechte Design von Verpackungen und weitere Änderungen den LVP-Abfallstrom betreffend berücksichtigt werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:91335
Date22 May 2024
CreatorsSchmidt, Jannick
ContributorsDornack, Christina, Woidasky, Jörg, Laner, David, Technische Universität Dresden, Hochschule Pforzheim, Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, SLUB
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageEnglish
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relation10.1002/cite.202100110, 10.3390/polym14091825, 10.1016/j.clrc.2024.100185, 10.37307/j.1863-9763.2024.03.03, 10.3390/recycling8010018, 10.37307/j.1863-9763.2021.07.05

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