Die vorliegende Dissertation widmete sich der Aufklärung der Photodissoziationsdynamik der drei Xylyl-Radikale ortho-, meta- und para-Xylyl sowie des Benzyl-Radikals mit Hilfe des Velocity-Map-Imagings. Diese reaktiven Intermediate sind insbesondere im Bereich der Verbrennungschemie von hoher Relevanz, da sie die primären Zerfallsprodukte der Xylole und des Toluols darstellen, welche als Antiklopfmittel in Ottokraftstoffen Verwendung finden.Dementsprechend ist eine Betrachtung des weiteren Zerfalls dieser resonanz-stabilisierten Radikale, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rußbildung, von entscheidender Bedeutung.
Für alle drei Xylyl-Radikale konnte eine selektive pyrolytische Generierung aus den entsprechenden 2-(Methylphenyl)ethylnitriten realisiert werden. Die isomerspezifische Identifikation erfolgte mit Hilfe von REMPI-Spektroskopie der jeweiligen D0 -> D3-Übergänge. Nachfolgend wurde die Photodissoziation aller drei Xylyl-Isomere nach Anregung des D3-Zustandes bei ca. 310 nm und nach Anregung der D-Bande bei 250 nm untersucht. Das „einfachste” Experiment stellte in diesem Zusammenhang die Photodissoziation des para-Xylyl-Radikals dar. Es konnte die von Hemberger et al. in thermischen Zerfallsexperimenten beobachtete Reaktion p-Xylyl -> p-Xylylen + H verifiziert werden. Die VMI-Experimente lieferten die Kennwerte <fT>(309.6nm) = 33 % und <fT>(250nm) = 19 % unter Erhalt isotroper Images für beide Anregungswellenlängen. Die dazugehörigen Dissoziationsratenkonstanten wurden zu kH(309.6nm) ≈ 10^8 s-1 und kH(250nm) ≈ 5*10^7 s-1 bestimmt. Es ist verblüffend, dass die Photodissoziation scheinbar bei der höheren Anregungswellenlänge von 309.6 nm (und somit bei geringerer Anregungsenergie) schneller verläuft als bei 250 nm. Darüber hinaus ist es nicht möglich, die beobachteten Raten mittels des statistischen Modells der RRKM-Theorie zu beschreiben. Des Weiteren konnten auch die Translationsenergieverteilungen nicht mit dem „Quack-Fit” für statistische Dissoziationen angefittet werden. Bei der Photodissoziation des para-Xylyl-Radikals liegt eine Dissoziation nach Rückkehr in den rovibronisch hochangeregten elektronischen Grundzustand infolge der Photoanregung vor. Hierbei thermalisiert die innere Energie im elektronischen Grundzustand vor der Dissoziation scheinbar nur teilweise, sodass keine vollständige statistische Verteilung dieser innerhalb des para-Xylyls gegeben ist. Da dies eine Grundvoraussetzung der gängigen statistischen Modelle darstellt, ist es nicht verwunderlich, dass keine quantitative Reproduktion der experimentellen Ergebnisse durch Anwendung dieser Modelle ermöglicht wird.
Bei entsprechenden Experimenten zum ortho-Isomer konnten diese statistischen Modelle ebenfalls nicht zur quantitativen Beschreibung der Dissoziation verwendet werden. Abermals wurde mit kH(311.1nm) ≈ 10^8 s-1 und kH(250nm) ≈ 5*10^7 s-1 eine schnellere Dissoziation bei geringerer Anregungsenergie festgestellt. Dies erscheint demnach charakteristisch für die Xylyl-Radikale. Innerhalb der VMI-Experimente wurden isotrope Verteilungen erhalten, deren Fragmenttranslationsenergieverteilung nach Anregung des D3-Niveaus bei 311.1 nm jedoch nicht durch die von Hemberger et al. beschriebene Hauptreaktion o-Xylyl -> o-Xylylen + H erklärt werden konnte. Eine Fragmentation nach o-Xylyl -> Benzocyclobuten + H konnte auf diesem Weg als Hauptdissoziationspfad identifiziert werden. Innerhalb der Studien von Hemberger et al. ist eine Reaktion zu Benzocyclobuten bei Anregung mit 311.1 nm energetisch nicht zugänglich. Mittels quantenchemischer Rechnung konnte jedoch ein bislang unbekannter, energetisch zugänglicher Reaktionspfad zur Bildung von Benzocyclobuten unter simultaner Ringschlussreaktion und Wasserstofffragmentation identifiziert und charakterisiert werden. Die Kennwerte der Photodissoziationsreaktion des ortho-Xylyls konnten hierdurch zu <fT>(311.1nm) = 30 % und <fT>(250nm) = 16 % bestimmt werden. Wie bereits im Fall des para-Isomers liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Dissoziation aus dem rovibronisch hoch-angeregten elektronischen Grundzustand handelt, welcher nicht vollständig vor der Fragmentation thermalisiert.
Im Rahmen der Experimente zum letzten der drei Xylyl-Isomere, dem meta-Xylyl-Radikal, konnte mit VMI eine Fragmentation nach m-Xylyl -> m-Xylylen + H als Hauptdissoziationpfad ausgeschlossen werden. Innerhalb der Experimente nach Anregung des D3-Niveaus um 310 nm konnten mit para-Xylylen und Benzocyclobuten zwei Reaktionsprodukte festgestellt werden, welche die erhaltene Translationsenergieverteilung erklären könnten, wobei die entsprechende maximale Überschussenergie einer Fragmentation zu para-Xylylen den Nullabfall der Verteilung geringfügig besser widerspiegelt. Die mittlere Fragmenttranslationsenergie liegt mit <fT>(p-Xylylen) = 29 % respektive <fT>(Bcb) = 25 % leicht unterhalb der entsprechenden Kennwerte der para- beziehungsweise ortho-Xylyl Experimente. Durch die nötige, der Dissoziation vorausgehende Isomerisierung scheint ein höherer Thermalisierungsgrad der Schwingungs- und Rotationsenergie innerhalb des elektronischen Grundzustands erreicht zu werden, aus welchem die geringen <fT>-Werte resultieren könnten. Der Effekt verminderter <fT>-Werte wurde in den Experimenten bei 250 nm nicht gefunden (<fT>(p-Xylylen) = 19 % respektive <fT>(Bcb) = 17 %). Vergleicht man an dieser Stelle die <ET>- anstelle der <fT>-Werte (<ET>(para) = 0.41 eV, <ET>(ortho) = 0.38 eV, <ET>(meta) = 0.41 eV), stellt man fest, dass <ET>(meta) = <ET>(para) gilt und somit ein weiteres Indiz dafür gefunden wurde, dass eine Umlagerung zu para-Xylyl mit anschließender Fragmentation zu para-Xylylen möglicherweise gegenüber jener zum ortho-Isomer mit nachfolgender Bcb-Bildung bevorzugt ist. Dies würde darüber hinaus im Einklang mit den Studien von Hemberger et al. stehen, in welchen beim thermischen Zerfall des meta-Xylyls para-Xylylen als alleiniges Fragmentationsprodukt gefunden wurde. Eine Betrachtung der Umlagerung mittels RRKM wies jedoch keinen bevorzugten Isomerisierungspfad aus. Schlussendlich lässt sich aufgrund der ermittelten Ratenkonstanten (kH(310nm) ≈ 10^8 s-1, kH(250nm) ≈ 4*10^7 s-1) sowie den <fT>-Werten vermuten, dass die Isomerisierung langsamer als die Dissoziation bei 310 nm verläuft, jedoch zumindest auf einer ähnlichen Zeitskala wie die entsprechende Dissoziation nach Anregung bei 250 nm. Eine zweifelsfreie Interpretation der meta-Xylyl Experimente gestaltet sich jedoch als schwierig.
Innerhalb der Studien zur Photodissoziation des Benzyl-Radikals konnten literaturbekannte Daten zur Fragmentation nach Anregung um 250 nm in guter Übereinstimmung reproduziert werden. Die experimentellen Daten zur Untersuchung der Photodissoziation nach Anregung des D3-Niveaus konnten jedoch nicht eindeutig interpretiert werden. Die literaturbekannte Lage des D3-Niveaus bei 305.3 nm konnte mittels REMPI-Spektroskopie reproduziert werden und anschließende 1H-Photofragmentspektren zeigten, dass eine Anregung des D3-Niveaus zur Bildung von Wasserstofffragmenten führt. Die beobachteten 1H-Fragmente zeigten jedoch eine deutlich zu hohe Überschussenergie für eine Einphotonenabsorption, sodass diese Mehrphotonenabsorptionen zugeordnet werden müssen. Es lässt sich vermuten, dass die Wasserstofffragmente aus einer Anregung eines „superexcited states” oberhalb des Ionisationspotentials, wahrscheinlich durch Zweiphotonenabsorption, stammen. Dieser „superexcited state” zeigt scheinbar keine (vollständige) Autoionisation und führt nachfolgend zumindest teilweise zur Fragmentation des Benzyl-Radikals. In der Folge liegt die Vermutung nahe, dass die Energien eines einzelnen 305 nm-Photons nicht zur Initiierung einer Photodissoziation des Benzyl-Radikals ausreichend ist oder aber, dass diese Photodissoziation zu langsam ist, um sie in einem VMI-Experiment zu beobachten. Potential für weitere Experimente zur Photodissoziation des Benzyl-Radikals nach Anregung des D3-Niveaus wird an dieser Stelle nicht gesehen. / The photodissociation dynamics of the xylyl radicals ortho-, meta- and para-xylyl and the benzyl radical have been studied within this thesis using velocity-map-imaging spectroscopy. The reactive intermediates are the primary fragmentation products in the combustion of xylenes as well as toluene, which are used as fuel additives due to their anti-knock properties. Therefore, these radicals play a key role in combustion chemistry. Accordingly, studies of further reactions of these resonance-stabilized radicals are crucial, especially for the formation of soot.
All xylyl isomers were produced selectively via pyrolysis of the corresponding 2-(methylphenyl)ethyl nitrite precursors and identified using REMPI spectroscopy of the D0 -> D3 transition. Afterwards, the dissociation of all three xylyl isomers has been studied after excitation into the D3 level around 310 nm and the D band at 250 nm, respectively. The photodissociation of the para-xylyl radical was the "easiest" experiment. In agreement with thermal decomposition studies of Hemberger et al. p-xylyl -> p-xylylene + H was verified as the fragmentation reaction. VMI experiments yielding isotropic images showed that after excitation at 309.6 nm roughly 33 % of the excess energy is released into translational energy of the dissociation fragments, while at 250 nm the value decreases to approximately 19 %. Values of kH(309.6nm) ≈ 10^8 s-1 and kH(250nm) ≈ 5*10^7 s-1 were measured for the dissociation. The fact that the rate constant of the photodissociation is higher at 309.6 nm than at 250 nm is puzzling. RRKM theory is not suitable to describe the dissociation rate constants. Furthermore, the translational energy distribution could not be fitted using the "quack fit" for statistical dissociations. The fragmentation of the para-xylyl radical occurs in the electronic ground state. After photoexcitation para-xylyl deactivates non-radiatively into a rotational and vibrational highly excited state of the electronic ground state. Due to incomplete thermalization of the electronic ground state prior to dissociation, there is no complete statistical distribution of the internal energy of the xylyl radical. Therefore, an important basic requirement of common statistical models is absent, so that these models are not able to describe the para-xylyl photodissociation quantitatively.
Analogous to the para isomer, statistical models cannot describe the ortho-xylyl data quantitatively either. Once again the dissociation rate constant after excitation into the D3 level at 311.1 nm was determined to be larger compared to the dissociation rate constant at 250 nm (kH(311.1nm) ≈ 10^8 s-1, kH(250nm) ≈ 5*10^7 s-1) indicating that this effect is systematic for xylyl isomers. VMI experiments show isotropic angular distributions. The corresponding translational energy distributions of the hydrogen atom fragment at 311.1 nm cannot be explained by the reaction channel o-xylyl -> o-xylylene + H, which was proposed by Hemberger et al. to be the main step in the decomposition pathway. In contrast, a fragmentation to benzocyclobutene (o-xylyl -> benzocyclobutene + H) matches the ET distribution much better. According to Hemberger et al., this pathway should not be accessible at the energy of a 311.1 nm photon. Theoretical studies resulted in an identification of a new, yet unknown fragmentation pathway yielding benzocyclobutene via a direct pathway from ortho-xylyl by simultaneous ring closure and C-H bond fissure, which was computed to be energetically accessible. With this new pathway <fT>(311.1nm) = 30 % and <fT>(250nm) = 16 % were determined. Analogous to the para isomer, ortho-xylyl also shows a photodissociation after relaxation to the electronic ground state. Furthermore, the assumption of a not fully thermalized electronic ground state holds as well.
Meta-xylyl VMI experiments showed that m-xylyl -> m-xylylene + H can be ruled out as the dominant fragmentation path. Experiments around 310 nm led to the identification of two suitable fragmentation products, para-xylylene and benzocyclobutene, which can explain the measured translational energy distribution of the hydrogen atom fragments. In this case, para-xylylene represents the ET distribution slightly better, because the maximum excess energy of a fragmentation yielding para-xylylene is reproduced by the drop-off of the distribution almost exactly. Slightly less energy is released into the translation of the dissociation fragments compared to para-xylyl and ortho-xylyl experiments with <fT>(p-xylylene) = 29 % and <fT>(bcb) = 25 %, respectively. This suggests that in the meta-xylyl experiments internal distribution is more thermalized in the electronic ground state due to previous isomerisation prior to dissociation, which could lead to lower translational energies of the dissociation fragments. In contrast, this effect was not found (<fT>(p-xylylene) = 19 %, <fT>(bcb) = 17 %) within the 250 nm experiments. The comparison of <ET> instead of <fT> values (<ET>(para) = 0.41 eV, <ET>(ortho) = 0.38 eV, <ET>(meta) = 0.41 eV) shows <ET>(meta) = <ET>(para) indicating that isomerisation to para-xylyl and therefore fragmentation to para-xylylene is prefered over isomerisation to ortho-xylyl and subsequent fragmentation to benzocyclobutene. This observation matches thermal decomposition experiments by Hemberger et al. showing para-xylylene as the only decomposition product of meta-xylyl. RRKM studies do not show a preference of isomerisation to either para- or ortho-xylyl. The determined dissociation rate constants (kH(310nm) ≈ 10^8 s-1, kH(250nm) ≈ 4*10^7 s-1) as well as the <ft> values within the VMI experiments suggest that the isomerisation of the meta-xylyl radical is slower than the fragmentation afterwards at 310 nm, but occurs at least on the time scale of the fragmentation at 250 nm. All in all, a reliable interpretation of the meta-xylyl data remains somewhat tentative.
Within the benzyl radical studies, literature data of the photodissociation at 250 nm were well reproduced. In contrast, experimental data of the investigation of the photodissociation initiated by excitation into the D3 level at 305.3 nm could not be interpreted unambiguously. Despite the reproduction of the REMPI spectrum of the D3 level known by literature and action spectra showing hydrogen fragments as a result of excitation at 305.3 nm, the translational energy distribution indicates that these hydrogen atoms originate from multi-photon processes instead of a single-photon excitation. Thus, these hydrogen fragments most likely originate from an excitation of a superexcited state above the ionization potential with two photons. It can be presumed that this superexcited state does not show complete autoionization and therefore leads at least partly to a fragmentation of the benzyl radical. Accordingly, the energy of a single photon seems to be too low to initiate a photodissociation or the dissociation could be too slow for an investigation via VMI. At this point, no further potential for additional and profitable photodissociation experiments is seen.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:17062 |
Date | January 2018 |
Creators | Pachner, Kai |
Source Sets | University of Würzburg |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralthesis, doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
Rights | https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/doku/lic_mit_pod.php, info:eu-repo/semantics/openAccess |
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