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Systematische Erfassung und vergleichende Charakterisierung maligner Erkrankungen nach Nierentransplantation am Universitätsklinikum Leipzig

Unter Nierentransplantations (NTx)-Empfängern zeigen sich erheblich höhere Malignom-Inzidenzen im Vergleich zur Normalbevölkerung. Zusammen mit Infektionen und kardiovaskulären Ereignissen sind die Posttransplantations-Malignome (PTM) die häufigste Todesursache nach NTx. Deren multifaktorielle Genese wird durch Hauptrisikofaktoren wie die Immunsuppression, das Alter und onkogene Viren beeinflusst.
Der non-melanozytäre Hautkrebs (NMSC), darunter das Basalzell- (BCC) und Plattenepithelkarzinom (SCC), stellt die häufigste Tumorentität nach NTx dar. Es folgen das Nierenzellkarzinom (RCC) sowie lymphoproliferative Erkrankungen (PTLD). Diese Häufigkeitsverteilung der Entitäten scheint allerdings abhängig von der geografischen Lage des untersuchenden Zentrums zu sein (z. B. durch unterschiedliche Intensität der UV-Strahlung). Für jedes Transplantationszentrum ist es daher relevant, die Inzidenzen der PTM-Entitäten und deren Einflussfaktoren zu identifizieren. Zudem sind strukturiert erhobene Daten deutscher Nierentransplantationszentren hinsichtlich Tumorentitäten, deren Determinanten und Einfluss auf das Überleben unterrepräsentiert.
Unser übergeordnetes und langfristiges Ziel ist die Verlängerung des Transplantat- und Patientenüberlebens durch ein individualisierteres Management.

Wir erfassten monozentrisch am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) alle Patienten, die im Zeitraum zwischen 01.01.1993 und 31.12.2019 mindestens einmal nierentransplantiert wurden. Die Rekrutierung erfolgte mittels eines Patientenfragebogens, über den direkten Kontakt in der NTx-Ambulanz und über die Klinikdatenbank des UKL. Die Datenerhebung beinhaltete insbesondere die Erfassung der Inzidenz der PTM, deren Entität und Häufigkeitsverteilung, des Patientenüberlebens und diverser Einflussfaktoren (Alter, Grunderkrankung, Familienanamnese etc.).

Wir untersuchten 788 NTx-Patienten, die im Zeitraum zwischen 01.01.1993 bis 31.12.2019 am UKL transplantiert wurden. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 12,06 ± 7,62 Jahre. Der Anteil weiblicher Patienten bezifferte sich auf 39,97%.
Wir erfassten in unserer Kohorte 206 PTM bei 165 Patienten, die nach NTx auftraten. Somit betrug der PTM-Anteil 20,94% (n=165/788). 39 der 165 Patienten (23,64%) entwickelten mindestens zwei verschiedene Tumorentitäten, von denen annähernd die Hälfte (48,71%) multiple non-melanozytäre Hauttumore (BCC und SCC) aufwiesen.
In unserer Kohorte nahm der NMSC über die Hälfte und mit Abstand den größten Anteil aller Tumore ein (51,46%; n=106/206). Es folgten Nierenzellkarzinome (RCC) mit einem Anteil von 11,17% und die gynäkologischen Tumore mit 9,22%. Es schlossen sich daran die Tumore des Gastrointestinaltrakts (7%), der Lunge (4%), hämatologische Tumore (4%), Prostatakarzinome (4%) und Melanome (1%) an.
Im Vergleich von PTM- und Vergleichskohorte fiel das signifikant höhere Alter zum Zeitpunkt der NTx in der PTM-Gruppe auf (52,26 ± 12,73 Jahre vs. 47,42 ± 15,84 Jahre; p=0,0011). Der Anteil der Lebendnierenspenden war unter den PTM-Fällen signifikanter niedriger als in der Vergleichskohorte (10,29% vs. 20,63%; p=0,0061). Den Calcineurin-Inhibitor Cyclosporin nahmen signifikant mehr Patienten der Tumorgruppe ein (27,20% vs. 18,59%; p=0,0426).
Wir konnten anschließend das Alter bei NTx (OR 1,046; CI 1,023 bis 1,071), sowie die Dauer der Immunsuppression (OR 1,118; CI 1,074 bis 1,167) als signifikante Einflussfaktoren auf die PTM-Entwicklung bestätigen. Außerdem zeigte sich ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines PTM bei einer Glomerulonephritis als Ursache des chronischen Nierenversagens (ESKD) (OR 2,116; CI 1,190 bis 3,781).
Mehr als ein Drittel (43,64%; n=72/165) der PTM-Kohorte waren bereits verstorben. In der Gegenüberstellung der Überlebenskurven bestätigte sich die signifikant geringere Überlebenswahrscheinlichkeit der PTM-Patienten (Log-rank p=0,0281). Im Vergleich zu einer nach NTx-Alter und Nachbeobachtungszeitraum gematchten Kohorte ergab sich ein noch hochsignifikanterer Unterschied in den Überlebenswahrscheinlichkeiten (Log-rank p<0,0001).

Unser Anteil von 20,94% Posttransplantations-Malignomen ist beim Vergleich mit der bisherigen Literatur verhältnismäßig hoch. In den meisten Studien wird ein Anteil von 4 – 18% beschrieben. Gerade in den ersten 5 Jahren fällt unsere vergleichsweise größere Inzidenzrate auf, was diesen Zeitraum zu einer vulnerablen Phase für unsere NTx-Patienten werden lässt.
Unser Anteil von NMSC-Patienten von über 50% an der gesamten PTM-Kohorte ist auffällig. Obwohl Deutschland verglichen mit Ländern wie Spanien und Australien einer geringeren Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, lässt sich die Häufigkeitsverteilung der PTM gerade mit Kohorten aus diesen geografischen Lagen gut vergleichen. Dieser Sachverhalt und das auffallend häufige multiple sowie rezidivierende Auftreten von BCC und SCC sollten Anlass geben das Management des Hauttumor Screenings zu überdenken. Es gilt schlussfolgernd die Dokumentation und Befundübermittlung gerade bezüglich des NMSC zu verbessern, möglicherweise mittels einer digitalen Transplantationsdatenbank. Bei Risikofaktoren wie zum Beispiel langer Immunsuppression oder multiplen NMSC sollte angesichts unserer hohen NMSC-Inzidenz eine 2x jährliche dermatologische Kontrolle durchgeführt werden. Die frühe Diagnose sowohl von prämalignen Läsionen als auch von NMSC gilt schließlich als prognostisch günstig durch eine Senkung der Morbidität. In Anbetracht des häufigen multiplen Auftretens des NMSC wäre auch das Wahrnehmen einer vierteljährlichen Kontrolle, im Falle von schon posttransplantär aufgetretenen NMSC vorteilhaft, um PTM-Rezidive zu verhindern. Zudem könnte möglicherweise dem multiplen Auftreten eine bisher nicht-identifizierte hereditäre Prädisposition zugrunde liegen, die es gilt nachfolgend zu untersuchen.
Das Nierenzellkarzinom hatte im Einklang mit bisherigen Untersuchungen die zweithöchste Inzidenz. Der hohe Anteil an gynäkologischen Tumoren und der unterrepräsentierte Anteil der hämatologischen und virusassoziierten Tumoren differiert zur Literatur und ist damit hervorzuheben. In Anbetracht unserer vergleichsweise hohen Inzidenz von gynäkologischen PTM wäre die explizite Aufklärung und Sensibilisierung für den 1x jährlichen gynäkologischen Arztbesuch unbedingt notwendig.
Unsere Ergebnisse zu den Risikofaktoren, Alter bei NTx und Dauer der Immunsuppression, decken sich gut mit bisherigen Erkenntnissen. Die Lebendnierenspende sahen wir ebenfalls als protektiven Faktor bezüglich der PTM-Entstehung. Eine Besonderheit stellte die Assoziation zwischen RCC-Entwicklung unserer Patienten und der Glomerulonephritis als Grunderkrankung dar. Dieser Zusammenhang lässt bei Patienten, die an einer tumorassoziierten Nierengrunderkrankung leiden ein engmaschigeres sonographisches Screening sinnvoll erscheinen. Dieses sollte vor allem die verbliebene Eigenniere einbeziehen, in der sich 86,96% unserer RCC entwickelten. Diesen erst in wenigen Studien gefundenen Zusammenhang gilt es weiter in großangelegten randomisierten Fall-Kontrollstudien zu analysieren, um eine medizinisch verifizierte Korrelation bestätigen zu können.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit unserer PTM-Patienten ist hochsignifikant geringer als in der Vergleichskohorte und deckt sich mit bisheriger Literatur, was die Notwendigkeit intensivierter präventiver Konsequenzen unterstreicht.
Letztlich gilt es aufgrund der Limitationen retrospektiver Studien noch einige Wissenslücken bezüglich der Entwicklung maligner Erkrankungen nach NTx und deren Prävention zu schließen. Hierfür werden prospektiven Daten zur Tumorbiologie einschließlich genomischen Profilings benötigt.:Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung und Fragestellung
1.1. Wissenschaftlicher Hintergrund
1.1.1. Stand des Wissens
1.1.2. Risikofaktoren der PTM-Entstehung
1.1.3. PTM-Entitäten in der Literatur
1.1.4. Bisheriges Screening Management nach NTx
1.2. Fragestellung und Ziele
2. Material und Methoden
2.1. Retrospektive und prospektive Datenerhebung
2.1.1. Erste Kalkulation unserer Kohortenfallzahl
2.1.2. Rekrutierungsmaßnahmen
2.1.3. Umfang der Datenerfassung
2.2. Ein- und Ausschlusskriterien
2.2.1. PTM-Kohorte
2.2.2. Vergleichskohorte
2.3. Datenauswertung
2.4. Statistik
2.5. Nutzen-Risiko-Abwägung
3. Ergebnisse
3.1. Charakteristik der Gesamtkohorte
3.2. PTM-Kohorte versus Vergleichskohorte
3.3. Einflussfaktoren auf die Entwicklung eines PTM
3.4. Einflussfaktoren auf das Überleben unserer Kohorte
3.5. Vergleich der einzelnen Tumorentitäten
3.5.1. Überlebenswahrscheinlichkeiten der Erstmalignome
3.5.2. Non-melanozytärer Hautkrebs (NMSC)
3.5.3. Nierenzellkarzinome (RCC)
3.5.4. Gynäkologische Tumore
4. Diskussion
4.1. Charakterisierung der PTM- und Vergleichskohorte
4.2. Inzidenz und Entitäten der PTM
4.3. Risiko– /Einflussfaktoren der PTM-Entstehung
4.4. Überleben nach Nierentransplantation
4.5. Separate Betrachtung der Tumorentitäten
4.5.1. Non-melanozytärer Hautkrebs (NMSC)
4.5.2. Nierenzellkarzinome (RCC)
4.5.3. Gynäkologische Tumore
4.6. Kritische Auseinandersetzung mit der vorliegenden Studie
5. Resümee und Ausblick
5.1. Management und Tumorscreening nach NTx
5.2. Perspektive und anschließendes Projekt
6. Zusammenfassung der Arbeit
7. Literaturverzeichnis
8. Anlagen
8.1. Patientenanschreiben
8.2. Fragebogen und Einwilligungserklärung
8.3. Patienteninformation
Selbstständigkeitserklärung
Lebenslauf
Danksagung

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:91116
Date30 April 2024
CreatorsBaum, Anna Friederike
ContributorsSeehofer, Daniel, Hacker, Ulrich, Lindner, Tom H., Halbritter, Jan, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman, German
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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