Zur Verbesserung der Marktsituation des Schienengüterverkehrs und damit zur Umsetzung der verkehrspolitischen Zielvorgaben für eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene sind neben einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vor allem auch eine Steigerung der Qualität der Leistungserstellung und die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Angebotsformen insbesondere des Bündelungsverkehrs erforderlich. Eine entscheidende Voraussetzung hierfür stellt die Verbesserung der Abläufe und Verfahren bei der betrieblichen Planung der Zugbildungsbahnhöfe dar. Die bestehenden Verfahren hierfür weisen allerdings wesentliche Schwachstellen hinsichtlich der Qualität der Planungsergebnisse sowie des zeitlichen und personellen Aufwands für ihre Anwendung auf. Sie sind daher nicht geeignet, die anstehenden Herausforderungen bei der Weiterentwicklung des Schienengüterverkehrs im zunehmenden Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und demografischem Wandel zu bewältigen. Auch die Mehrzahl der diesbezüglichen wissenschaftlichen Ansätze der letzten Jahre und Jahrzehnte besitzt nicht das notwendige Potential für eine entscheidende Weiterentwicklung der Planungsverfahren.
Die Erfahrungen aus angrenzenden Planungsbereichen des Eisenbahnsystems lassen vermuten, dass die mathematische Optimierung geeignet ist, eine neue Qualität bei der betrieblichen Planung von Zugbildungsbahnhöfen zu erreichen, indem das vollständige Planungsproblem in geeigneter Weise als mathematisches Optimierungsproblem formuliert und gelöst wird. Begünstigend wirkt dabei, dass durch die fortschreitende Entwicklung der Computertechnik heute auch umfangreiche reale Problemstellungen mit Hilfe effizienter Lösungsverfahren in akzeptabler Rechenzeit lösbar sind. Für die pratkische Umsetzung des daraus abgeleiteten neuartigen Ansatzes, nämlich der Beschreibung des Problems „Betriebsplanung für einen Zugbildungsbahnhof“ durch ein geeignetes Totalmodell und die Lösung desselben mit Hilfe der mathematischen Optimierung, werden in der vorliegenden Arbeit zunächst die notwendigen wissenschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Die verschiedenen Zugbildungsbahnhöfe weisen weder in Bezug auf ihre bauliche Gestaltung, noch in Hinblick auf die Ausprägung der Betriebsprozesse und die eingesetzten Ressourcen eine einheitliche Form auf. Auch die verkehrlichen und betrieblichen Anforderungen unterscheiden sich teilweise erheblich. Für die Entwicklung eines allgemeingültig auf alle Zugbildungsbahnhöfe anwendbaren Planungsverfahrens sind daher die betriebstechnologischen und ressourcenspezifischen Abhängigkeiten und Randbedingungen zunächst in einer allgemeinen Art und Weise zu formalisieren. Da dies mit den derzeit bekannten Beschreibungsmodellen nicht möglich ist, wurde ein universelles Betriebsprozessmodell abgeleitet, das auf beliebige Zugbildungsbahnhöfe anwendbar ist. Für einen konkreten Zugbildungsbahnhof lässt sich daraus in Verbindung mit den zu erfüllenden Leistungsanforderungen das logische Planungsproblem mit allen einzuhaltenden Abhängigkeiten und Nebenbedingungen vollständig formulieren.
Für die Lösung dieses logischen Planungsproblems mit Hilfe der mathematischen Optimierung ist ein geeignetes mathematisches Optimierungsmodell erforderlich. Dieses muss bezüglich der Art der zu berücksichtigenden Nebenbedingungen und der Detaillierung der Prozessabbildung kompatibel zum Betriebsprozessmodell sein. Hierbei konnte auf bereits vorhandene erste Ansätze für eine entsprechende mathematische Modellformulierung zurückgegriffen werden. Um jedoch das mathematische Optimierungsproblem vollständig formulieren und mit Hilfe geeigneter Lösungsverfahren lösen zu können, ist es zunächst erforderlich, das logische Planungsproblem vollständig zu beschreiben. Da die Leistungsanforderungen in der Praxis durch den teilweise langen zeitlichen Vorlauf häufig nur unvollständig beschrieben werden können, wird ein zusätzlicher Aufbereitungsschritt zur Vervollständigung der planerischen Problemstellung erforderlich. Ein weiterer Aufbereitungsschritt ergibt sich nach der Optimierung, in dem die gefundene Lösung vor der Ausgabe noch bezüglich bestimmter sekundärer Kriterien, die nicht in der Zielfunktion berücksichtigt werden, zu verfeinern ist.
Anhand dieser grundsätzlichen Funktionsweise konnte ein Verfahren zur Betriebsplanung in Zugbildungsbahnhöfen auf Basis der mathematischen Optimierung abgeleitet und beschrieben werden. Es erlaubt für die der Disposition zeitlich vorgelagerten Planungsteilbereiche erstmals die Erstellung optimaler Betriebspläne, wobei sämtliche Betriebsprozesse und Ressourcen simultan geplant werden. Das Verfahren kann über die verschiedenen zeitlichen Planungsebenen durchgehend angewandt werden und bildet zudem die Grundlage für eine Automatisierung der einzelnen Teilschritte.
Es konnte außerdem gezeigt werden, dass das entwickelte Planungsverfahren für die Anwendung auf eisenbahnbetriebswissenschaftliche Fragestellung erweiterbar ist und dabei ein hohes Potential für die Weiterentwicklung der eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Verfahrenswelt besitzt. Hierbei ergibt sich insbesondere bei der Untersuchung des Leistungsverhaltens von Gleisgruppen und Zugbildungsbahnhöfen erstmals die Möglichkeit zur Bestimmung einer optimalen Betriebsqualität. Die praktische Anwendbarkeit dieses Ansatzes und die Eignung des hierfür entwickelten mathematischen Optimierungsmodells konnten im weiteren Verlauf der Arbeit ebenfalls gezeigt werden.
Die Einhaltung einer geforderten Betriebsqualität stellt neben wirtschaftlichen und leistungsbezogenen Vorgaben eine wesentliche Zielstellung bei der betrieblichen Planung von Zugbildungsbahnhöfen dar. Die erzeugten Betriebspläne müssen also gegenüber vielfältigen stochastischen Einflüssen robust sein. Um dies zu gewährleisten ist eine Erweiterung des Planungswerkzeugs um eine Komponente zur Auswahl und Bemessung der hierfür notwendigen planerischen Maßnahmen erforderlich. Als Grundlage hierfür dient die zuvor hergeleitete Vorgehensweise zur Untersuchung der Betriebsqualität in Zugbildungsbahnhöfen. Das darin formulierte mathematische Modell zur Optimierung der Betriebsqualität bildet die Basis für eine systematische Vorgehensweise zur Auswahl und Bemessung der planerisch vorzusehenden Robustheitsmaßnahmen, womit ein völlig neuer Ansatz gegenüber bisherigen Verfahren verfolgt wird. Durch diese Erweiterung des zuvor entwickelten Planungsansatzes liegt schließlich das vollständige Verfahren zur robusten Betriebsplanung in Zugbildungsbahnhöfen auf Basis der mathematischen Optimierung ('ROBEZO') vor. Dieses stellt nicht nur eine neue Qualität von Planungsverfahren für Zugbildungsbahnhöfe dar, sondern schafft zudem die Voraussetzungen für eine vollständige Automatisierung der betrieblichen Planung in Zugbildungsbahnhöfen.
In der Arbeit erfolgte überdies eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung der verschiedenen stochastischen Einflüsse aus dem Betriebsablauf. Es konnte gezeigt werden, dass diese kategorisierbar sind und sich nicht nur in Form ihrer qualitativen und quantitativen Ausprägungen, sondern auch hinsichtlich ihrer prinzipiellen Wirkungen auf einen Betriebsplan deutlich unterscheiden. Für eine Reihe dieser Einflüsse gelang in diesem Zusammenhang erstmals eine tiefgehende Analyse und theoretische Darstellung. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die gefundene Möglichkeit zur allgemeingültigen modellmäßigen Beschreibung von Einbruchsverfrühungen durch Weibull-Verteilungen, die auch eine hohe Relevanz für andere eisenbahnbetriebswissenschaftliche Anwendungen besitzt.
Identifer | oai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:73302 |
Date | 12 January 2021 |
Creators | Eisold, Jan |
Contributors | König, Rainer, Clausen, Uwe, Technische Universität Dresden |
Source Sets | Hochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden |
Language | German |
Detected Language | German |
Type | info:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text |
Rights | info:eu-repo/semantics/openAccess |
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