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Fahrscheinfrei im ÖPNV – Eine Alternative für Großstädte?: Ein Maßnahmensortiment und die Realisierbarkeit in Berlin

Die Stadt Berlin verfügt über ein komplexes System im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Es ist jedoch offensichtlich, dass dem Berliner ÖPNV neben den schwierigen und ungeklärten Gegebenheiten in der Finanzierung einige verkehrliche Herausforderungen bevorstehen. Es ergibt sich nicht nur die Forderung nach einer stetigen Anpassung des Angebots an die wachsende Stadt, sondern nach neuen Möglichkeiten zur Kundengenerierung für den gesamten Umweltverbund. Im Sinne einer besseren Lebensqualität sowie einer nachhaltigen und zufriedenstellenden Mobilität in Berlin wird ein attraktives Angebot im ÖPNV als Teil des Umweltverbunds benötigt, um dem motorisierten Individualverkehr (MIV) ernsthaft Paroli bieten zu können und zum Umstieg zu animieren. Es ist fraglich, ob dies auf lange Sicht unter der Anwendung typischer Maßnahmen erreicht werden kann. Angesichts dessen ist es in Berlin an der Zeit, über alternative Ansätze in der Verkehrsplanung zu diskutieren.
Eine Alternative zur Förderung und Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs, ist ein fahrscheinfreier ÖPNV. [...] Der fahrscheinfreie ÖPNV in diesem Konzeptvorschlag ist für alle Bewohnerinnen und Bewohner Berlins, im gesamten Stadtgebiet, in allen Verkehrsmitteln und zu jeder Zeit gültig. Touristen können den ÖPNV ebenfalls fahrscheinfrei nutzen, indem sie bei der Hotelbuchung eine zusätzliche ÖPNV-Abgabe leisten müssen. Weiterhin ist eine Ausweitung auf das gesamte Verbundgebiet Berlin Brandenburg (VBB) zu empfehlen, sodass die enge verkehrliche Vernetzung zwischen diesen Bundesländern nicht gefährdet wird. Aus Gründen der Attraktivitätssteigerung aber auch in Folge einer wachsenden Nachfrage ist die Verbesserung des Angebots eine wichtige Pull-Maßnahme. Im Fokus stehen eine Taktverdichtung, ein Netzausbau und die Beschleunigung des ÖPNV, um die Reisezeiten deutlich zu verkürzen und der Nachfragesteigerung besonders in der Hauptverkehrszeit gerecht zu werden. Hauptanliegen des Netzausbaus ist es außerdem, die Vernetzung im ÖPNV und die Anbindung der Randbezirke und dem Umland zu verbessern. Bezüglich der Intermodalität ist insbesondere die Kombination des Fahrrades mit dem ÖPNV zu fördern. Es sind deutliche Verbesserungen bei der Verfügbarkeit und Qualität von Fahrradabstellanlagen und Bike Sharing Angeboten notwendig. Zusätzlich sind P+R Anlagen im Umland und stadtgrenznahen Gebieten Berlins auszubauen. Um den Umstieg des Radverkehrs auf ein motorisiertes Verkehrsmittel zu vermeiden ist das Radverkehrsnetz in Berlin zudem deutlich zu verbessern. Im Zuge der Beschleunigung des ÖPNV durch Bussonderfahrstreifen und dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur ist die Umwidmung von Flächen des MIV gleichzeitig eine mögliche Push-Maßnahme. Weitere Push-Maßnahmen wie beispielsweise eine Parkraumbewirtschaftung oder eine City-Maut sind ebenfalls sinnvoll, sollten jedoch nur unter kritischer Beachtung der Folgen angewendet werden.
Die Realisierung der flankierenden Maßnahmen benötigt einen langen Zeithorizont. Deren Umsetzung ist jedoch notwendig, da der fahrscheinfreie ÖPNV sonst zu weiteren Problemen führen und sich die Qualität des ÖPNV verschlechtern würde. Daher ist die kurzfristige Einführung eines fahrscheinfreien ÖPNV aus verkehrlicher Sicht kein optimaler Schritt zur Lösung der gegenwärtigen Herausforderungen. Folglich kann die Einführung eines fahrscheinfreien ÖPNV nur eine langfristige Strategie sein, der die Umsetzung der geforderten Maßnahmen vorausgehen muss. Sobald der ÖPNV eine starke Nachfragesteigerung aufnehmen kann und auch in möglichst vielen Bereichen der Stadt als eine attraktive Alternative wahrgenommen wird, kann ein fahrscheinfreier ÖPNV einen deutlichen Umstieg der MIV-Nutzenden bewirken. Es ist jedoch festzuhalten, dass die tatsächlichen Auswirkungen kaum abschätzbar sind und daher immer ein Restrisiko bestehen bleibt.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:87089
Date13 September 2023
CreatorsGehrke, Marvin
PublisherTechnische Universität Berlin
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:workingPaper, info:eu-repo/semantics/workingPaper, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationurn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-876334, qucosa:87633, 2826257-8

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