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Ideal und Wirklichkeit: Justus Mösers Menschenbild zwischen Aufklärung und Ständepolitik

Die vorliegende Studie untersucht die Rahmenbedingungen und bestimmenden Faktoren der Genese von Mösers Menschenbild, um die hieraus gewonnenen Einsichten anhand konkreter Äußerungen in Wort und Tat zu überprüfen. Als Generalthese wird hierbei vorausgesetzt, dass Mösers gesamtes Handeln als Schriftsteller und Staatsmann maßgeblich von seinem Bild des Menschen geleitet war, sodass unter dieser Perspektive die vermeintlichen Widersprüche seines Agierens zwischen Aufklärung und Ständepolitik entschlüsselt werden können.

Um die Entstehung, Entwicklung und Ausprägung von Mösers Menschenbild nachzeichnen und dessen kausale Rückwirkung auf das facettenreiche Schaffen des Politikers und Publizisten dekodieren zu können, wurde von mir als konzeptioneller Leitfaden ein Begriffsgerüst entwickelt, das auf den Entwurf der psychologischen Anthropologie , wie sie Jochen Fahrenberg beschrieben hat, und auf den von Axel Montenbruck entwickelten Ansatz der Rechtsanthropologie zurückgreift, um so belastbare Kriterien für die Untersuchung und die Überprüfung der genannten Prämissen bereitzustellen.
Soziale Kultur und humane Natur werden von den beiden genannten Leitauto-ren als zwei grundlegende Ebenen des Menschenbildes bestimmt, welches zugleich als individuelles Muster grundsätzlicher Überzeugungen definiert wird. Das Selbstbild und Fremdbilder bilden die Basis für deskriptive und nor-mative Annahmen über den Menschen. Vorstellungen über und Erwartungen an den Menschen fußen auf Prinzipien, die in einem differenzierten Men-schenbild gruppenbezogen variieren und anhand ausgewählter Perspektiven überprüft werden können.

Gleichzeitig bezieht sich das Menschenbild auf das kooperative Staats- und Rechtsmodell seiner Umgebung und bestimmt so-wohl die Wahrnehmung als auch die eigenen Ansichten von gesellschaftlicher Organisation und ihrer Determinanten.

Mösers amtliches und literarisches Schaffen werden im Verlauf der Untersu-chung als Projektionsflächen seines durch Individuation und Sozialisation ent-standenen Menschenbilds unter stetigem Rekurs auf die zuvor dargelegten theoretischen Vorgaben der anthropologischen Konzeption beleuchtet, um eine wirklichkeitsnahe Überprüfung der aufgeworfenen Thesen durchzuführen.

Hierzu wertet die vorliegende Spezialstudie den edierten Quellenbestand de-tailliert aus, ohne dabei neues archivalisches Material zu erschließen, und zieht neben dem umfangreichen publizistischen Werk insbesondere aussage-kräftige Egodokumente mit hoher persönlicher Gültigkeit in Bezug auf die auf-geworfenen Fragen heran. Hierunter fallen die hinterlassenen autobiografi-schen Fragmente Mösers und sein umfangreiche Briefwechsel.

Diese Möser-Interpretation auf anthropologischer Grundlage, welche quellen-gestützt dessen Menschenbild nachzeichnet und die Bedeutung für sein Schaffen beleuchtet, vermag an Ansätze vorangegangener Arbeiten anzuknüpfen und die älteren mit den aktuelleren Ansichten integrativ zu verbinden.

Die vorliegende Untersuchung erhebt den Anspruch, diese bereits erarbeite-ten, fragmentarischen Versatzstücke erstmals in einer ganzheitlichen Erfas-sung des Möserschen Menschbildes zu einem schlüssigen Gesamtbild zu-sammenzufügen und somit auch dem Desiderat einer modernen Möserbiogra-fie annähernd gerecht zu werden.

Der hierbei zugrundeliegende Ansatz stellt eine von mehreren anthropologi-schen Dimensionen der Geschichtswissenschaft dar, indem er der Frage nach den Vorstellungen vom Wesen des Menschen exemplarisch nachgeht. Zu diesem Zweck wird zunächst eine umfangreiche Exegese der literarischen Produktion Mösers nachgegangen, um sie danach mit einer breit angelegten Interpretation seines Handels als Politiker zu konfrontieren.

Der methodisch-hermeneutischen Herausforderung, trotz einer engen Quellenbindung nicht in eine durch Bewusstseinstheorien geleitete psychologisierende biografische Interpretation abzugleiten, wird auf zweifache Weise begegnet: Zum einen durch die diskursive Analyse von persönlichen Dokumenten Mösers, die wertvolle Auskunft über dessen Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung geben, zum anderen durch den Rückbezug auf den Osnabrücker Handlungskosmos als konstitutiven politisch-kulturellen Kontext.

Erste Ergebnisse der Untersuchung wurden vom Autor bereits auf der Mösertagung im März 2019 in Osnabrück vorgetragen und in dem nachfolgenden Tagungsband veröffentlicht:Vorwort I
Inhaltsverzeichnis II
1 Einleitung 1
1.1 Gegenstand und Ziel 1
1.2 Quellen und Literatur 8
2 Ausgangslage und Erfahrungshorizont. Determinanten der Entwicklung von Mösers Menschenbild 13
2.1 Selbstbild – Fremdbild – Menschenbild. Eine Begriffsbestimmung 13
2.2 Entwicklung im Umfeld – Sozialisation und Individuation 21
2.2.1 Ein Repräsentant des Bürgertums – Familie, Bildung, Aufstieg 21
2.2.2 Karriere in Osnabrück 28
2.2.3 Literarisches und publizistisches Werk im Zeichen der Aufklärung 48
2.2.4 Möser privat 74
2.3 Osnabrück – ein geistlicher Kleinstaat im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation am Ende des 18. Jahrhunderts 96
2.4 Selbstbild und Fremdbild als Determinanten des Menschenbildes 112
3 Erkenntnis, Reflexion und Ausdruck – Prinzipien und Perspektiven im Menschenbild Justus Mösers 117
3.1 Prinzipien, Überzeugungen, Vorstellungen und Erwartungen 117
3.2 Perspektiven 121
3.2.1 Das Körper-Geist-Problem 121
3.2.2 Freier Wille und Determiniertheit 124
3.2.3 Pluralismus 131
3.3 Organisation und Kontrolle gesellschaftlicher Kooperation 137
3.3.1 Individualität und Freiheit 138
3.3.2 Identität und Gleichheit 153
3.3.3 Kollektivität und Solidarität 170
3.3.4 Das Leitkonzept 181
4 Problembewältigung durch das Wort 183
4.1 Die Patriotischen Phantasien 184
4.2 Schöne Literatur 198
4.2.1 Arminius 198
4.2.2 Harlekin 212
4.3 Der Wert wohlgewogener Neigungen und Leidenschaften 222
4.4 Die Osnabrückische Geschichte 225
5 Problembewältigung durch die Tat 235
5.1 Rechtspflege 243
5.2 Landwirtschaft, Gewerbe und Handel 258
5.3 Sozialwesen 298
5.4 Auswärtige Beziehungen 324
6 Realisierungskontext und Wirkungsgrad 333
6.1 Gegner und Widerstände 333
6.2 Pragmatismus und Utilitarismus 346
6.3 Kollateralschäden 351
6.4 Reformen in der Zeitenwende 355
7 Ergebnisse 363
Quellen- und Literaturverzeichnis 374
Abbildungsverzeichnis 391

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:91281
Date07 May 2024
CreatorsSchoenen, Roman
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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