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Pethidin oder Meptazinol und Regionalanästhesie zur Schmerzlinderung unter der Geburt: Eine vergleichende Beobachtungsstudie

Eine suffiziente und gleichzeitig sichere Geburtsanalgesie zu erreichen ist eine große Herausforderung im geburtshilflichen und anästhesiologischen Alltag. Häufige Verfahren zur Wehenschmerzlinderung sind rückenmarksnahe Regionalanästhesien (RA) und die parenterale Opioidtherapie. Die weltweit meistgenutzten systemisch applizierten Opioide in der Geburtshilfe sind Pethidin und Meptazinol. Sie stehen wegen geringer analgetischer Effektivität und Nebenwirkungen, wie Übelkeit, Müdigkeit und potenzieller maternaler sowie neonataler Atemdepression, in der Kritik. Pethidin wird in der Literatur ein höheres atemdepressives Potential zugeschrieben. Die Opioide unterscheiden sich weiterhin in ihrer empfohlenen Applikationsart. Während für Pethidin eine intramuskuläre Gabe präferiert werden sollte, kann Meptazinol intravenös oder intramuskulär appliziert werden, wobei die intravenöse Gabe etabliert ist. In Studien wurde die analgetische Wirkung der beiden Präparate meist als gleichwertig und insgesamt gering eingestuft.
RA gelten in randomisierten Vergleichsstudien gegenüber parenteralen Opioiden als analgetisch weit überlegen. Gleichzeitig sollen sie für verlängerte Geburten und die Häufung vaginal-operativer Entbindungen verantwortlich sein. In den wenigen Schmerztherapiestudien, in denen die maternale Zufriedenheit als Endpunkt gewählt wurde, ist die Therapiezufriedenheit nach RA regelmäßig größer als nach Opioidtherapie. Gleichzeitig scheint die maternale Zufriedenheit mit dem Gesamterlebnis der Geburt nicht linear mit der Effektivität der verabreichten Analgesiemethode zu korrelieren.
Während sich in der Literatur randomisierte Vergleichsstudien zu den genannten Verfahren häufen, sind Daten zu ihrer klinischen Anwendung und Auswirkung auf Mutter und Kind im geburtshilflichen Alltag rar. Die vorliegende Beobachtungsstudie stellt die Opioide Pethidin und Meptazinol sowie Opioidtherapie und Regionalanästhesie hinsichtlich Handhabung, Effektivität, Nebenwirkungen und maternaler Therapie- und Gesamtzufriedenheit gegenüber. Als Gütekriterium der jeweiligen Opioidtherapie wird die Rate sekundärer, also auf Opioidgabe folgender, RA-Anlagen herangezogen.
Die prospektive, monozentrische Anwendungsbeobachtung lief von März 2012 bis Februar 2013 am Level-1-Perinatalzentrum des Universitätsklinikums Leipzig. Eingeschlossen wurden volljährige Patientinnen mit spontaner oder vaginal-operativer Entbindung in der ≥ 37,0. Schwangerschaftswoche, die eine Wehenschmerztherapie mittels Pethidin, Meptazinol, Regionalanästhesie oder ihrer Kombination erhielten. Die beiden Opioidpräparate standen dabei jeweils sechs Monate zur Verfügung. Zum Studienausschluss führten in erster Linie eine fehlende Patienteneinwilligung und eine sekundäre Sectio caesarea.
Intrapartal wurden die Kreißenden vor analgetischer Intervention sowie 30 und 60 Minuten danach auf einer elfstufigen Numerischen Ratingskala zu ihrer Schmerzstärke befragt. Mutter-, kind- und geburtsbezogene Daten wurden der klinischen Dokumentation entnommen. Anhand eines Fragebogens wurden die Mütter außerdem postpartal insbesondere zu ihrer Zufriedenheit mit der Schmerztherapie und dem Geburtserlebnis befragt.
Es wurden 449 Patientinnen in die Studie eingeschlossen. Insgesamt erhielten 157 Frauen Pethidin (35%), 162 Frauen Meptazinol (36%) und 168 Frauen eine Regionalanästhesie (37%), wobei letztere in 130 Fällen primär (29%) und in 38 Fällen sekundär (8%), also nach vorangegangener Opioidtherapie, angelegt wurde.
Zwischen den Opioiden können maßgebliche Anwendungsunterschiede festgestellt werden. Bei vergleichbarer mittlerer Opioiddosis pro Geburt (99,8 mg für Pethidin vs. 95,3 mg für Meptazinol), wird Meptazinol hochsignifikant häufiger intravenös (83%) und repetitiv (27%) verabreicht als Pethidin (jeweils nur 6%; p < 0,001). Bei insgesamt kürzerer Wirkdauer (erneuter Schmerzanstieg
30-60 Minuten nach Intervention 22% unter Meptazinol vs. -3% unter Pethidin) ist der Applikationsabstand zur Geburt für Meptazinol geringer als für Pethidin (1,9 ± 2,7 h vs. 2,6 ± 2,8 h; p < 0,05). In der Folge führt Meptazinol zu einer geringeren Rate sekundärer Regionalanästhesien (8% vs. 16%; p < 0,05). Die logistische Regressionsanalyse bestätigt dieses Ergebnis. Hier zeigt sich eine 2,4-fache Chancenerhöhung einer RA-Anlage unter Pethidingabe. Weitere in der multivariaten Regressionsanalyse ermittelte Prädiktoren für vermehrte RA-Anlagen sind eine Geburtsdauer > 7 h (9,9-fache Chancenerhöhung), ein hoher maternaler BMI (1,85-fache Chancenerhöhung pro BMI-Wert-Erhöhung), Primiparität (1,8-fache Chancenerhöhung) und die maternale Einstellung, eine schmerzfreie Geburt sei erstrebenswert (1,7-fache Chancenerhöhung). Der Besuch von Geburtsvorbereitungskursen wiederum senkt das RA-Risiko (0,35-fache Chancenerhöhung).
Zusammengefasst scheint Meptazinol durch die intravenösen, repetitiven Applikationen, die nah an die Kindsentwicklung heranreichen, besser steuerbar und an den Geburtsverlauf adaptierbar zu sein und führt so zu einer geringeren Notwendigkeit einer Analgesieeskalation mittels RA.
Die durchschnittliche relative Schmerzlinderung ist durch beide Opioide gering und vergleichbar (17% durch Pethidin vs. 11% durch Meptazinol im 60-minütigen Gesamtzeitraum). Gemäß der IMMPACT-Definition erreicht keines der Opioide eine moderate Schmerzlinderung. Maternale und fetale Nebenwirkungen sind unter beiden Opioiden vergleichbar, mit Ausnahme eines niedrigeren postnatalen Nabelschnurarterien-pHs nach Pethidin (7,23 ± 0,09 vs. 7,26 ± 0,08; p < 0,01), welcher klinisch jedoch nicht relevant ist. Die maternale Zufriedenheit mit Therapie (4,9 ± 1,6 mit Pethidin vs. 4,8 ± 1,7 mit Meptazinol auf 7-Punkte-Skala) und Geburtserlebnis (5,8 ± 1,3 unter Pethidin vs. 5,7 ± 1,3 unter Meptazinol auf 7-Punkte-Skala) ist zwischen den Opioidpräparaten vergleichbar und trotz geringer Analgesie jeweils im oberen Skalendrittel. Hier scheinen neben der bloßen Schmerzlinderung weitere Faktoren die Therapie- und Gesamtzufriedenheit positiv zu beeinflussen.
Regionalanästhesien wurden in Form einer PDA (16%) oder einer CSE (84%) angelegt. Sie erreichen eine deutlich stärkere Schmerzlinderung als parenterale Opioide (69% durch primäre RA vs. 13% durch Opioide im 60-minüten Gesamtzeitraum). Eine sekundäre RA ist vergleichbar stark schmerzlindernd wie eine primäre RA (72% im 60-minütigen Gesamtzeitraum). Gleichzeitig ist die Geburt unter Regionalanästhesien signifikant länger als unter systemischen Opioiden (7,6 ± 2,5 unter primärer RA bzw. 9,3 ± 4,0 h unter sekundärer RA vs. 5,7 ± 2,5 unter Opioiden; jeweils p < 0,001). Es bleibt jedoch unklar, ob die Geburtsverlängerung eine Nebenwirkung der RA ist, oder ob komplizierte und prolongierte Geburten im Verlauf zu einer verstärkten RA-Nachfrage führen. Die Rate peripartaler Oxytocinanwendungen ist unter RA im Vergleich zur Opioidtherapie signifikant erhöht (70% unter primärer RA vs. 40% unter Opioiden; p < 0,001). Die Rate vaginal-operativer Entbindungen ist zwischen den Gruppen vergleichbar (11% unter primärer RA vs. 7% unter Opioiden), ebenso wie alle anderen maternalen und fetalen Nebenwirkungen.
Die Therapiezufriedenheit ist mit primärer Regionalanästhesie am größten (6,1 ± 1,2), gefolgt von sekundärer Regionalanästhesie (5,1 ± 1,7; p < 0,01) und zuletzt Opioidtherapie (4,8 ± 1,6; p < 0,001). Die maternale Gesamtzufriedenheit ist zwischen den Gruppen statistisch vergleichbar (5,6 ± 1,3 unter primärer RA, 5,3 ± 1,6 unter sekundärer RA und 5,7 ± 1,3 unter Opioiden), wobei unter Opioidtherapie tendenziell höhere Werte auffallen. Die in der Literatur diskutierte These, eine stärkere Schmerzlinderung sei nicht zwangsläufig mit einem positiveren Geburtserlebnis assoziiert, kann im Rahmen dieser klinischen Beobachtung bestätigt werden.:Inhaltsverzeichnis I
Abbildungsverzeichnis IV
Tabellenverzeichnis V
Abkürzungsverzeichnis VI
1 Einleitung 1
1.1 Die Individualität von Schmerz 1
1.2 Der Geburtsschmerz 2
1.2.1 Entstehung und Verarbeitung des Geburtsschmerzes 2
1.2.2 Funktionen und Effekte des Geburtsschmerzes 3
1.2.3 Einflussfaktoren des Geburtsschmerzes 4
1.3 Historie der Geburtsanalgesie 5
1.4 Peripartale Schmerztherapie – Was findet Anwendung? 7
1.4.1 Parenterale Opioide 8
1.4.2 Regionalanästhesieverfahren 11
1.5 Patientenzufriedenheit 16
1.6 Wissenschaftliche Lücke 17
1.7 Fragestellung und Zielsetzung 18
2 Patienten, Material, Methoden 19
2.1 Studienzeitraum und -design 19
2.2 Patientenkollektiv 19
2.3 Prä-, peri- und postpartaler Ablauf 20
2.4 Parameter zur Evaluation der Schmerztherapieverfahren 21
2.4.1 Intrapartale Schmerzerfassung mittels NRS 21
2.4.2 Mutter-, kind- und geburtsbezogene Daten 22
2.4.3 Postpartaler Patientenfragebogen 22
2.5 Statistische Auswertung 24
3 Ergebnisse 25
3.1 Deskriptive Statistik 25
3.2 Einteilung und Vergleichbarkeit der Stichproben 25
3.3 Analgesieverfahren im Vergleich 27
3.3.1 Pethidin und Meptazinol 27
3.3.2 Regionalanästhesie und Opioid-Monotherapie 35
3.4 Schmerzreduktion 41
3.4.1 Schmerzreduktion durch Pethidin und Meptazinol 41
3.4.2 Schmerzreduktion durch Opioid-Monotherapie und primäre Regionalanästhesie 42
3.4.3 Schmerzreduktion durch primäre und sekundäre Regionalanästhesie 44
3.5 Maternale Zufriedenheit mit der Schmerztherapie und dem Geburtserlebnis 45
3.5.1 Zufriedenheit unter Pethidin und Meptazinol 45
3.5.2 Zufriedenheit unter Opioidtherapie und Regionalanästhesie 46
3.6 Rate sekundärer Regionalanästhesien 47
4 Diskussion 50
4.1 Methodenkritik 50
4.1.1 Studiendesign 50
4.1.2 Patientengut 50
4.1.3 Datenerfassung 53
4.2 Schmerztherapieverfahren deskriptiv 55
4.3 Vergleich der Schmerztherapieverfahren in der Literatur 56
4.3.1 Vergleichsstudien zu Pethidin und Meptazinol 56
4.3.2 Vergleichsstudien zu Regionalanästhesie und Opioidtherapie 57
4.4 Schmerzreduktion 59
4.4.1 Schmerzreduktion durch Pethidin und Meptazinol und ihre klinische Handhabung 59
4.4.2 Schmerzreduktion durch Opioidtherapie und Regionalanästhesie 61
4.5 Nebenwirkungen 62
4.5.1 Nebenwirkungen von Pethidin und Meptazinol 62
4.5.2 Nebenwirkungen von Regionalanästhesie und Opioidtherapie 63
4.6 Notwendigkeit additiver Schmerztherapien 65
4.6.1 Additiva nach Pethidin und Meptazinol und Rate sekundärer Regionalanästhesien 65
4.6.2 Additiva nach Opioidtherapie und Regionalanästhesie 67
4.7 Zufriedenheit der Patientinnen 67
4.7.1 Therapiezufriedenheit nach Opioiden und Regionalanästhesie 68
4.7.2 Gesamtzufriedenheit nach Opioiden und Regionalanästhesie 68
4.8 Fazit 69
5 Zusammenfassung der Arbeit 71
6 Literatur 75
7 Anhang 85
7.1 Protokoll zur intrapartalen Schmerzdokumentation: Opioidgabe 85
7.2 Protokoll zur intrapartalen Schmerzdokumentation: Anlage Regionalanästhesie 86
7.3 Peripartale Angaben der Mutter, postnatale Angaben des Kindes 87
7.4 Protokoll zur Datenerfassung der Regionalanästhesie 88
7.5 Postpartaler Fragebogen 89
Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 93
Lebenslauf und wissenschaftlicher Werdegang 94
Danksagung 96

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:16847
Date27 November 2017
CreatorsSinger, Josefine
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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