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Einfluss des Versorgungs- und Versorgerkontexts auf die Patient:innensicherheit am Beispiel der Geburtshilfe, kolorektalen Chirurgie und Dekubitus

Hintergrund: Patient:innensicherheit nimmt als ethischer Grundpfeiler medizinischen Handelns sowie als Gut öffentlichen Interesses eine Schlüsselposition in der Gesundheitsversorgung ein. Die Patient:innensicherheit der stationären Akutversorgung soll unter anderem durch legislativ verbindliche Qualitätssicherung und -indikatoren sowie mittels Durchsetzung leistungsberechtigender Mindestfallmengen bei komplexen medizinischen Fällen gewährt und kontinuierlich verbessert werden. Medizinische Fälle unterscheiden sich in ihrer Komplexität im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Komorbiditäten. Das stationäre Versorgungssetting unterscheidet sich beispielsweise im Aufnahmezeitpunkt und Aufnahmeanlass, durchgeführter (chirurgischer) Prozedur und der Anzahl an der Versorgung beteiligten Stationen. Stationäre Versorger selbst weisen Unterschiede unter anderem hinsichtlich Versorgungsfähigkeit und -auftrag, Trägerschaft, Bettengröße, Personalschlüssel und -qualifikation sowie Fallmenge auf. Fallindividuell werden in der Qualitätssicherung und in Fallmenge-Outcome-Analysen die Risiko-faktoren Alter, Geschlecht und Komorbiditäten statistisch berücksichtigt, jedoch nicht das rahmengebende Versorgungs- oder Versorgersetting. Fragestellung / Hypothese: Das Ziel dieser Dissertation war es, den Einfluss von Versorger- und Versorgungs-variablen auf multiple Patient:innensicherheitsoutcomes mehrerer stationär behandelter Indikationen unter Nutzung unterschiedlicher Daten und Methoden zu analysieren. Für den stationären Versorgungskontext steht der Aufnahmeanlass als Surrogatvariable für die Akuität des Falls (Forschungsziel 1) im Fokus. Für die stationären Versorger sollte aufgrund der legislativen Implikation der Einfluss der Fallmenge untersucht werden (Forschungsziel 2). Aus diesen zwei Forschungszielen wurden drei Einzelfrage-stellungen abgeleitet, analysiert und im Rahmen von drei Publikationen beantwortet: (1) Ist das Geburtsoutcome bei Niedrigrisiko-Geburten mit der Fallmenge des Krankenhauses assoziiert? (2) Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Versorger- und Versorgungsvariablen bei der Patient:innensicherheit kolorektaler Resektionen? (3) Welche Rolle nimmt der Versorgungskontext als Risikofaktor bei der Inzidenz von Dekubitalulcera ein? Material und Methoden: Publikation (1) - Systematisches Review Publikation (1) wurde als systematisches Review konzipiert. Zu den Einschlusskriterien gehörten die Analyse von Einflüssen der Fallmenge (Exposition/ Vergleichsgröße) auf die Mortalität (primäres Outcome), Komplikationen/ Kaiserschnitten (sekundäres Outcome) bei Mutter und Kind bei Niedrigrisiko-Geburten (Population) in analytisch ausgewerteten Primärstudien (Studientyp). Vor dem Hintergrund internationaler Vergleichbarkeit musste die Studie in einem Land mit Neonatalmortalität <5/1000 gemäß UN Child Mortality Report durchgeführt, in englischer oder deutscher Sprache verfasst und ab dem 01. Januar 2000 veröffentlicht worden sein. Das systematische Review wurde gemäß den Berichts- und Qualitätsstandards der „Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses“ (PRISMA) und der zweiten Version des „A MeaSurement Tool to Assess systematic Reviews“ (AMSTAR 2) Instrumentes durchgeführt. Es wurde a priori ein Reviewprotokoll im International Prospective Register of Systematic Reviews (PROSPERO) veröffentlicht. Die Identifikation relevanter Literatur beinhaltete eine maschinelle Suche in Medline und Excerpta Medica Database (EMBASE) via OVID, eine Handsuche referenzierter und referenzierender Artikel in den eingeschlossenen Studien sowie den Einbezug klinischer Experten. Einschluss, Extraktion und Qualitätsbewertung wurden doppelt unabhängig durchgeführt. Publikation (2) und (3) - Querschnittstudien Für die explorativen Fragestellungen der Publikationen (2) und (3) wurde jeweils ein Querschnittdesign mit unterschiedlichen Datenquellen angwendet. Publikation (2) untersuchte explorativ unter anderem die Assoziationen zwischen Aufnahmeanlass sowie Fallmenge und Mortalität, post¬operativem Lungenversagen, Nierenversagen und postoperativen Wundinfektionen nach kolorektalen Resektionen in 232 Krankenhäusern. Zur Analyse konnten Abrechnungs¬daten nach §21 Krankenhaus-entgeltgesetz (KHEntgG) aus den Jahren 2016 - 2018 verwendet werden. Für eine korrekte Definition kolorektaler Resektionen (German Inpatient Quality Indicators), Komorbiditäten (Elixhauser Comorbidity Index) und den nicht letalen Patient:innensicherheitsoutcomes des postoperativen Lungenversagens, Nierenversagens und postoperativen Wundinfektionen konnten validierte und publizierte Definitionen herangezogen werden. Die statistische Analyse erfolgte mit einer Mehrebenen¬regression zur Abbildung der verschiedenen Ebenen zwischen individuellem Fall, Versorgungs- und Versorgersetting. Publikation (3) untersuchte in einem monozentrischen Setting mit gematchten klinischen Daten und Abrechnungsdaten nach §21 KHEntgG des Universitätsklinikums Dresden (2014 - 2018) die Assoziationen zwischen Dekubitusinzidenz und beispielsweise Aufnahmeanlass, Anästhesiedauer Anzahl behandlungsbeteiligter Stationen. Mit dem zusätzlichen Ziel, die Prädiktierbarkeit inzidenten Dekubitus auf Grundlage der assoziierten Risikofaktoren zu analysieren, kam mit Bayesian Additive Regression Trees (BART) ein Machine-Learning-Ansatz zum Einsatz. Ergebnisse: In Publikation (1) zeigten die nach einem Title-Abstract-Screening mit 7.955 Einträgen 13 eingeschlossenen Beobachtungs- und Registerstudien eine akzeptable Studienqualität. Eine quantitative Auswertung (Meta-Analyse) wurde aufgrund heterogener Definitionen bei Population, Fallschwellen, Outcomes und statistischer Methodik nicht durchgeführt. Die Fallmenge war protektiv mit der perinatalen Mortalität in der Mehrheit der Studien assoziiert. Für die weiteren Outcomes Totgeburt, Neonatalmortalität, maternale Mortalität, Kaiserschnitte oder Komplikationen bei Mutter oder Kind zeigte das Review keinen über die Mehrheit der Studien konsistenten Fallmengeneffekt. Die Analyse von 54.168 Kolonresektionen (209 Versorger) und 20.395 Rektum-resektionen (200 Versorger) in Publikation (2) identifizierte Aufnahmen als Notfall oder Zuverlegung und Wochenendchirurgie als durchgehend signfikanten Risikofaktor für die Patient:innensicherheit (Mortalität, postoperatives Lungenversagen, Nierenversagen und postoperative Wundinfektionen) bei Kolon- sowie Rektumresektionen. Fallmenge und Patient:innensicherheit waren mehrheitlich insignifikant mit Kolonresektionen und protektiv mit Rektum¬resektionen assoziiert. In der Auswertung von insgesamt 149.006 stationär behandelten Fällen, inklusive 4.663 inzidenten Dekubitusfällen aus Publikation (3), war Dekubitus mit der Auf¬nahme als Notfall oder Zuverlegung und einer OP-Dauer >50 Minuten assoziiert. Die Prädiktierbarkeit erwies sich aufgrund einer hohen Anzahl von falsch-negativen Werten als eingeschränkt. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der publizierten Analysen dieser Arbeit weisen darauf hin, dass der Aufnahmeanlass als Teil des Versorgungssettings trotz umfassender Adjustierung durchgängig als Risikofaktor mit der Patient:innensicherheit assoziiert war. Bezüglich dem Einfluss der Fallmenge auf die Patient:innensicherheit zeigten sowohl das systematische Review (Publikation (1)) zur Niedrigrisiko-Geburtshilfe als auch die Querschnittstudie zur Patient:innensicherheit kolorektaler Resektionen (Publikation (2)) heterogene Ergebnisse. Im Rahmen der Untersuchung von Fallmenge-Outcome-Vergleichen konnten unter anderem die Risikoadjustierung, die Definitionen von Populationen und Outcomes sowie die Detailtiefe des verwendeten Datensatzes als zu berücksichtigende Faktoren identifiziert werden und unterstreichen die Notwendigkeit umfassender und gründlicher Risikoadjustierungen. Qualitätssicherung und Mindestmengen besitzen eine hohe versorgungs- und gesund-heitswirtschaftliche Relevanz. Im Sinne Evidenzbasierter Medizin sind entsprechende Ansätze oftmals auf die Beforschung durch Beobachtungsstudien als bestverfügbare Evidenz angewiesen. Gemessen an der skizzierten Relevanz von externer Qualitätssicherung und Mindestmengen definiert diese Arbeit auf Grundlage einer umfassenden inhaltlichen und statistischen Analyseplanung die Notwendigkeit einer gründlichen (risikoadjustierten) Analyse von Fall-, Versorgungs- und Versorgervariablen als relevante Risikofaktoren der Patient:innensicherheit.:Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung III
Summary VII
Abbildungsverzeichnis X
Tabellenverzeichnis XI
Abkürzungsverzeichnis XII
1 Einführung in die Thematik - Begriff und Relevanz der Patient:innensicherheit 1
1.1 Patient:innensicherheit und Qualität im deutschen Gesundheitswesen 4
1.2 Patient:innensicherheit im Rahmen der (externen) Qualitätssicherung 4
1.3 Mindestmengen als Instrument der Patient:innensicherheit 6
1.4 Risikoadjustierung: ein Schlüsselelement in Qualitätssicherung und (Fall-)Menge-Outcome-Analysen 7
1.5 Versorgungs- und Versorgersetting in der Risikoadjustierung 8
2 Forschungsziele und Einzelfragestellungen 10
3 Methoden, Ergebnisse und Publikation 13
3.1 Methodische Überschneidungen 13
3.2 Systematisches Review 15
3.3 Querschnittstudie 16
3.4 Einzelfragestellung (1): Ist das Geburtsoutcome bei Niedrigrisiko-Geburten mit der Fallmenge des Krankenhauses assoziiert? 17
3.5 Einzelfragestellung (2): Welche Assoziationen bestehen zwischen Versorger- und Versorgungsvariablen und Patient:innensicherheitsoutcomes bei kolorektalen Resektionen? 19
3.6 Einzelfragestellung (3): Welche Rolle nimmt der Versorgungskontext als Risikofaktor bei der Inzidenz von Dekubitalulcera ein? 22
3.7 Übergreifende Einordnung 25
4 Publikationen und Impact-Faktoren nach Journal Citation Report 26
4.1 Publikation (1): Are birth outcomes in low risk birth cohorts related to hospital birth volumes? 27
4.2 Publikation (2): The relationships between multiple patient safety outcomes and healthcare and hospital-related risk factors in colorectal resection cases: Cross-sectional evidence from a nationwide sample of 232 German hospitals 51
4.3 Publikation (3): Prediction of Inpatient Pressure Ulcers Based on Routine Healthcare Data Using Machine Learning Methodology 91
5 Diskussion und Ausblick 112
5.1 Zusammenfassung der drei Publikationen 112
5.2 Stärken und Limitationen der Publikationen 114
5.3 Implikationen für externe Qualitätssicherung und Mindestmengen 116
5.4 Ausblick - Versorgungssteuerung und Evidenzgrad 117
Literaturverzeichnis 119
Darstellung des Eigenanteils XIII
Peer-Review-Veröffentlichungen und Vorträge XIV
Danksagung XIX
Anlage 1 - Erklärungen zur Eröffnung des Promotionsverfahrens XX
Anlage 2 - Erklärungen über die Einhaltung rechtlicher Bestimmungen XXII

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:86962
Date30 August 2023
CreatorsWalther, Felix
ContributorsSchmitt, Jochen, Siepmann, Timo, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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