Seit Mitte der 1990er Jahre wurden nationale und regionale Schlaganfallregister in Europa etabliert, die Auskunft über die Versorgungsqualität von Schlaganfallpatienten geben. Bislang lagen nur wenige Daten zu zeitlichen Trends der akuten Schlaganfallversorgung vor. Diese sind jedoch essentiell, um beispielsweise Zusammenhänge zwischen der Einführung potentiell qualitätsverbessernder Maßnahmen und der Entwicklung der Versorgungsqualität feststellen zu können. Die Behandlung von Schlaganfallpatienten auf Stroke Units ist aufgrund der eindeutigen Evidenz aus randomisierten- und Beobachtungsstudien zum Standard geworden. Bislang war unklar, ob demografische und klinische Charakteristika die direkte Aufnahme auf eine Stroke Unit beeinflussen. Zudem war nicht bekannt, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß strukturelle Kriterien und der Anteil der Patienten, der auf eine Stroke Unit aufgenommen wurde, die Qualität der Stroke Unit Versorgung beeinflussen. Im Anschluss an die Akutbehandlung im Krankenhaus bzw. nach geeigneten Rehabilitationsmaßnahmen übernehmen pflegende Angehörige häufig die Versorgung der Schlaganfallpatienten im häuslichen Umfeld. Die aktuelle Situation der pflegenden Angehörigen von Schlaganfallpatienten in Deutschland ist bisher jedoch nur unzureichend evaluiert.
In der vorliegenden Dissertation wurden zunächst im Rahmen des „European Implementation Score“-Projektes zeitliche Trends der Qualität der akuten Schlaganfallversorgung in fünf nationalen europäischen Schlaganfallregistern aus Deutschland, England/Wales/Nordirland, Polen, Schottland und Schweden nach zuvor definierten evidenzbasierten Qualitätsindikatoren berechnet. Im zweiten Schritt wurde anhand von Daten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlaganfall Register (ADSR) evaluiert, ob demografische und klinische Patientencharakteristika die direkte Aufnahme auf eine Stroke Unit in Deutschland beeinflussen. Weiterhin wurde der Einfluss struktureller Charakteristika auf die Erfüllung von 11 evidenzbasierter Qualitätsindikatoren in Krankenhäusern, die über eine regionale oder überregionale Stroke Unit verfügen, untersucht. Abschließend wurden im Rahmen des regionalen Telemedizinnetzwerkes TRANSIT-Stroke demografische und klinische Charakteristika von Schlaganfallpatienten, die 3 Monate nach dem Schlaganfall mit dem Erhalt von Pflege durch einen Angehörigen assoziiert waren, identifiziert. Zusätzlich wurden mit standardisierten Erhebungsinstrumenten positive und negative Erfahrungen der Pflege eines Schlaganfallpatienten sowie die selbsteingeschätzte Belastung (deutsche Version des Caregiver Reaction Assessment und Self-Rated Burden Scale) ausgewertet sowie Faktoren, die mit den Pflegeerfahrungen und Belastungen assoziiert sind, evaluiert.
Auf europäischer Ebene konnten wir einen Zusammenhang zwischen der Einführung eines neuen Qualitätsindikators und der Verbesserung der Qualität beobachten. Dies galt insbesondere für die erstmalige Einführung des Qualitätsindikators Dysphagiescreening im deutschen -(2006) und schwedischen Schlaganfallregister (2007). Somit gibt es Hinweise darauf, dass das Monitoring der Qualität der Schlaganfallversorgung zu Qualitätsverbesserungen bzw. auch zu einer vollständigeren Dokumentation führt.
Insgesamt konnten wir ein qualitativ hohes Niveau der akuten Schlaganfallversorgung auf Stroke Units in Deutschland gemäß evidenzbasierter Qualitätsindikatoren feststellen. Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall, die am Wochenende aufgenommen wurden (p<0,0001), innerhalb von 3 Stunden nach Symptombeginn im Krankenhaus aufgenommen wurden (p<0,0001), hypertensiv waren (p<0,0001), unter einer Hyperlipidämie (p<0,0001) litten, wurden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auf einer Stroke Unit aufgenommen. Dagegen hatten Patienten mit einem schwereren Schlaganfall (NIHSS>15) eine geringere Chance, auf einer Stroke Unit aufgenommen zu werden (p<0,0001). Der Einfluss struktureller Charakteristika auf die Qualität der Stroke Unit Versorgung war gering. Eine Verbesserung der Qualität könnte noch durch einen höheren Anteil der auf einer Stroke Unit aufgenommenen Patienten erreicht werden.
Im Rahmen der Nachbefragung von Patienten im regionalen Telemedizinnetzwerk TRANSIT-Stroke stellten Frauen mit 70,1% den größten Anteil der pflegenden Angehörigen dar. 74,4% der pflegenden Angehörigen war älter als 55 Jahre. In univariablen und multivariablen logistischen Regressionsanalysen waren ein hohes Alter, ein niedriger Barthel-Index bei Entlassung sowie das Vorliegen von Diabetes signifikant mit einer höheren Wahrscheinlichkeit assoziiert, Pflege von einem Angehörigen zu erhalten. Der Großteil der pflegenden Angehörigen möchte den Angehörigen pflegen und ist gleichzeitig dem Risiko gesundheitlicher Probleme ausgesetzt. Circa ein Fünftel der pflegenden Angehörigen berichtete finanzielle Belastungen aufgrund der Pflegesituation. Depressive Symptome der Patienten waren mit einer höheren Belastung der pflegenden Angehörigen hinsichtlich der selbsteingeschätzten Belastung und den positiven und negativen Erfahrungen assoziiert. Jüngere, männliche Schlaganfallpatienten, mit einem milderen Schlaganfall, die mit einer Partnerin oder Ehepartnerin zusammenleben, scheinen sich oft nicht bewusst zu sein, dass sie Pflege erhalten. Möglich ist hier, dass sie die Unterstützung und Pflege als „normal“ betrachten, während der Partner bzw. die Partnerin dies als tatsächliche Pflege wertet.
Schlaganfallregister eignen sich, um die Qualität der Akutversorgung im Zeitverlauf zu monitorieren und Zusammenhänge zwischen der Einführung potentiell qualitätsverbessernder Maßnahmen und der tatsächlichen Qualität darstellen zu können. Die Qualität der Stroke Unit Versorgung in Deutschland ist auf einem hohen Niveau. Eine Verbesserung der Qualität könnte noch durch einen höheren Anteil der auf einer Stroke Unit aufgenommenen Patienten erreicht werden. Ein Großteil der Schlaganfallpatienten lebt im Anschluss an die Akutversorgung im häuslichen Umfeld, in dem pflegende Angehörige eine wichtige Rolle bei der Versorgung spielen. Pflegenden Angehörigen ist ihre Aufgabe wichtig, sind jedoch aufgrund der Pflege zugleich Belastungen hinsichtlich ihrer Gesundheit, der Gestaltung ihres täglichen Zeitplans und der Finanzen ausgesetzt. / Since the mid-1990s, national and regional stroke registries have been established in Europe to provide information on the quality of acute stroke care. Up to now, little data on temporal trends regarding acute stroke care was available. However, these data are essential, for example, to evaluate associations between the introduction of a new quality assurance measure and the development of quality of care. The treatment of stroke patients at a stroke unit has become the standard of care due to clear evidence from both randomised and observational studies. Until now, it remained unclear whether demographic and clinical characteristics have an impact at direct admission to a Stroke unit. Furthermore, it was not known whether, and if so, to what extent, structural criteria and the proportion of patients being directly admitted to a stroke unit influence the quality of care. Following acute hospital treatment or appropriate rehabilitation, relatives often take care of stroke patients in the home environment. The situation of family caregivers of stroke patients in Germany has not been sufficiently evaluated so far.
Based on this, in the first step of the present dissertation, temporal trends of the quality of acute stroke care of five national European stroke registries from Germany, England/Wales/Northern Ireland, Poland, Scotland, and Sweden were calculated according to previously defined evidence-based quality indicators within the framework of the “European Implementation Score” project. Subsequently, it was evaluated whether demographic and clinical characteristics influence the direct admission to a stroke unit as well as the influence of structural characteristics on the fulfilment of 11 evidence-based quality indicators in hospitals with a regional or supra-regional stroke unit. In the third step, demographic and clinical characteristics of stroke patients associated with receiving care by a family caregiver 3 months after stroke were evaluated. In addition, positive and negative experiences of caring for a stroke patient as well as self-rated burden were evaluated with standardised instruments (German version of the Caregiver Reaction Assessment and the Self-rated burden Scale) and factors associated with caregiving experiences have been identified.
At the European level, we observed associations between the introduction of a new quality indicator and the improvement of quality of care. This was especially true for the introduction of the quality indicator screening for dysphagia within the German (2006) and Swedish stroke register (2007). Thus, it is possible that monitoring quality of care will lead to quality improvements respectively a more complete documentation.
Overall, we found a high level of quality of acute stroke care at stroke units according to evidence-based quality indicators. Patients with ischemic stroke who were admitted at weekends (p<.0001), admitted within 3 hours of symptom onset (p<.0001), with hypertension (p<.0001), suffering from hyperlipidaemia (p<.0001) were more likely to be admitted directly to a stroke unit. In contrast, patients with a more severe stroke (NIHSS>15) had a lower chance of being admitted to a stroke unit (p<.0001). The influence of structural characteristics on the quality of stroke unit care was small. A larger proportion of patients being directly admitted to a stroke unit could still improve quality of care.
Women made up the largest proportion of family caregivers with 70.1%. About 74% of family caregivers were older than 55 years. In univariable and multivariable logistic regression analyses, advanced age, a lower Barthel Index at discharge and having diabetes were significantly associated with a higher probability of receiving care from a family caregiver. The majority of family caregivers want to take care of their relatives and are exposed to the risk of health problems at the same time. About one fifth of family caregivers reported financial burden du the care situation. Patients’ depressive symptoms were associated with higher burden among family caregivers in terms of self-rated burden and all domains of the positive and negative experiences. Younger, male stroke patients, with less severe stroke, living with a female partner or spouse, are often unaware that they are receiving care. It is possible that they see the support as “normal”, while the partner sees it as actual care. If possible, the perspective of family caregivers could be taken into account when applying for a care level.
Stroke registries are suitable for monitoring the quality of acute care over time and observing correlations between the introduction of potentially quality-improving measures and actual quality. The quality of acute stroke care in Germany is at a high level. An improvement in quality could still be achieved through a higher proportion of patients admitted directly to a stroke unit. A large proportion of stroke patients is living at home following acute stroke care. Family caregivers care deeply about their role, but face difficulties at the same time with their health, daily schedule and finances because of the care they provide.
Identifer | oai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:26144 |
Date | January 2022 |
Creators | Jirù-Hillmann, Steffi |
Source Sets | University of Würzburg |
Language | deu |
Detected Language | German |
Type | doctoralthesis, doc-type:doctoralThesis |
Format | application/pdf |
Rights | https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de, info:eu-repo/semantics/openAccess |
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