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Die reichstrukturierte Agrarlandschaft - ein unbeachteter Lebensraum für die gefährdete Europäische Wildkatze (Felis silvestris)

Seit Ende des 20. Jahrhunderts wird eine Ausbreitung der solitär lebenden und streng geschützten Europäischen Wildkatze (Felis silvestris) registriert, die sich auch aus den bewaldeten Lebensräumen in die weitgehend offene Agrarlandschaft erstreckt. Kenntnisse über Lebensraumansprüche in diesen Landschaftsausschnitten liegen bisher für die Art nicht vor. Ziel der Studie ist es, erstmalig Daten zur Raumnutzung aus einem bisher kaum bekannten Lebensraum zu erfassen. Der ökologische Erkenntnisgewinn soll Empfehlungen für lebensraumverbessernde Maßnahmen in landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften erbringen, die auch den Individuenaustausch zwischen Populationen der Art fördern.
Die Ergebnisse der Telemetriestudie in der Goldenen Aue belegen eine regelmäßige Nutzung der reichstrukturierten Agrarlandschaft durch etablierte Individuen. Darüber hinaus wurde ein erfolgreiches Reproduktionsereignis dokumentiert. Das Geschlechterverhältnis und die Altersstruktur der erfassten Tiere (n = 11) waren ausgeglichen. Die Aktionsraumgrößen der Kater stimmten weitgehend mit dem in bewaldeten Lebensräumen ermittelten Raumanspruch männlicher Wildkatzen überein. Weibliche Wildkatzen nutzten in der reichstrukturierten Agrarlandschaft deutlich (um ca. 60 %) kleinere Streifgebiete als ihre Artgenossinnen in den bewaldeten Lebensräumen. Die Studie bestätigt die strenge Bindung der Wildkatze an deckungsbietende Strukturen. Die Analyse zur Habitatnutzung ergaben geschlechterspezifische Unterschiede: Während weibliche Wildkatzen in dem agrarisch dominierten Landschaftsausschnitt eher eine Bindung an flächige Strukturelemente, wie Feldgehölze- und kleine Waldinseln sowie aus der Nutzung genommene Streuobstwiesen zeigten, nutzten Kater hier lineare Elemente, wie strukturreiche Uferstreifen von Still-, und Fließgewässern sowie Weg- und Ackersäume intensiver.
Die Daten belegen, dass der bisher unbeachtete Lebensraum – die reichstrukturierte Agrarlandschaft - durchaus alle wichtigen Lebensraumfunktionen für die Europäische Wildkatze erfüllen kann. Ein Grund für die geringe Größe der weiblichen Streifgebiete ist eine streng auf qualitativ hochwertige Habitatstrukturen begrenzte Lebensraumnutzung. Dabei scheint neben der Nahrungsverfügbarkeit ein ausreichend hohes Angebot deckungsbietender Strukturen in der Strauch- bis Baumklasse ausschlaggebend für eine Etablierung von Weibchen zu sein. In landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften ist bei einer Mindestausstattung an deckungsbietenden Habitaten mit dem Vorkommen etablierter und reproduzierender Wildkatzen zu rechnen, insbesondere in der Peripherie besiedelter Waldlebensräume. Eine Prüfung der artenschutzrechtlichen Verträglichkeit im Rahmen der planungsrechtlichen Eingriffsregelung sollte zukünftig auch auf die angrenzenden Offenlandschaften (bis zu 4km) von bewaldeten Lebensräumen ausgeweitet werden.
Als lebensraumverbessernde Maßnahme wird grundsätzlich eine Erhöhung der Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft durch Schaffung oder/und Erhaltung von kleinräumigen Strukturen wie Feldgehölzen, Hecken und breiten Feld-Gewässerrainen mit aufkommender Sukzession empfohlen. Darüber hinaus gewährt dies einen Individuenaustausch zwischen räumlich getrennt voneinander liegenden (Teil)Populationen. / Since the end of the twentieth century, the solitary and strictly protected European wildcat (Felis silvestris) has spread from wooded habitats across the largely open agricultural landscape. Knowledge about habitat requirements in these landscape sections is not yet available for the species. The aim of the study is, for the first time, to generate space use data from so far less known habitat. The ecological gain of knowledge should provide recommendations for habitat-improving measures in agriculturally influenced cultural landscapes, which also promote the exchange of individuals between populations of the species. The results from the Golden Aue prove a regular use of a richly structured agricultural landscape by established individuals. In addition, a successful reproduction event was documented. The sex ratio and the age structure of the recorded animals (n = 11) were balanced. The home range sizes of males were largely consistent with the space requirement determined in wooded habitats. In a richly structured agricultural landscape, female animals clearly used (about 60 %) smaller home ranges than their conspecifics in the wooded habitats. The study confirms the strict binding of the wildcat to cover-providing structures. Gender differences were found: While females were more likely to be bound to areal structural elements such as copses, orchards and small forest islands, males used linear elements more extensively than females, such as structurally rich riparian strips of waterbodies and field margins in the agricultural landscape. The data show that the so far neglected habitat - the richly-structured agricultural landscape - can fulfill all important habitat functions for the European wildcat. One reason for the small female home ranges is probably an exclusive use of high-quality habitats, which in addition to the food availability also provide sufficient hiding places. In agricultural landscapes, assuming at least a minimum of cover habitats, the presence of established and reproducing wildcats can be expected, at least in the periphery of forest habitats. Increasing structural diversity in the agricultural landscape through the creation or / and preservation of small-scale structures such as copses, hedgerows and broad field-watercourses with emerging succession is recommended as habitat-improving measures. In addition, it provides for an exchange of individuals between spatially separated (sub) populations. In the future, an examination of the species protection compatibility in the context of the planning intervention regulations should also be extended to the adjacent open landscapes (up to 4 km) of forested habitats.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:75452
Date20 July 2021
CreatorsJerosch, Saskia
ContributorsRoth, Mechthild, Ansorge, Herrmann, Berger, Uta, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageEnglish
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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