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Etablierung und Qualifizierung eines humanen Blut-Hirn-Schranken-Modells unter Verwendung von induziert pluripotenten und multipotenten Stammzellen / Establishment and qualification of a human blood-brain barrier model by use of human induced pluripotent stemm cells an multipotent stem cells

Die Blut-Hirn-Schranke (BHS) stellt eine der dichtesten und wichtigsten Barrieren zwischen Blutzirkulation und Zentralnervensystem (ZNS) dar. Sie besteht aus spezialisierten Endothelzellen, welche die zerebralen Kapillaren auskleiden und durch sehr dichte Tight Junctions (TJs) miteinander verbunden sind. Weitere Komponenten der dynamischen Blut-Hirn-Schrankenbarriere stellen Perizyten, Astrozyten, Neurone und Mikrogliazellen dar, welche zusammen mit der extrazellulären Matrix der Basalmembran der Gehirnkapillaren und den zuvor genannten Endothelzellen ein komplexes regulatorisches System, die so genannte neurovaskuläre Einheit bilden (Hawkins und Davis 2005).
Die Hauptfunktionen der BHS lassen sich in drei Untergruppen untergliedern, die physikalische, metabolische und Transport-Barriere (Neuhaus und Noe 2010). Hauptsächlich dient die BHS der Aufrechterhaltung der Homöostase des ZNS und dem Schutz vor neurotoxischen Substanzen sowie Pathogenen, wie Bakterien und Viren. Zudem ist sie auch für die Versorgung der Neuronen mit Nährstoffen und regulierenden Substanzen sowie den Efflux von Stoffwechselendprodukten des ZNS zurück ins Blut verantwortlich. Für die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen, wie Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und Multiple Sklerose oder Gehirntumoren, stellt die Dichtigkeit der BHS gegenüber Substanzen und die hohe metabolische Aktivität der Endothelzellen aber ein großes Problem dar. Viele Medikamente sind nicht in der Lage in ausreichender Konzentration die BHS zu überwinden, um an ihren Wirkort zu gelangen oder werden vor dem Transport metabolisiert und die Wirksamkeit dadurch eingeschränkt. Weiterhin spielen auch Defekte der BHS eine entscheidende Rolle in der Beeinflussung der Pathogenese vieler ZNS-Erkrankungen.
Aufgrund des hohen Bedarfs an geeigneten Testsystemen in der Grundlagen- sowie präklinischen Forschung für Medikamentenentwicklung und Infektionsstudien wurden eine Vielzahl unterschiedlicher BHS-Modelle entwickelt. Neben in silico-, azellulären in vitro- und in vivo-Modellen sind auch zahlreiche zellbasierte Modelle der BHS entwickelt worden. Standardisierte Modelle auf Basis immortalisierter
Zelllinien jedoch weisen nur eine inhomogene TJ-Expression auf und verfügen meist
über eine geringe Barriereintegrität, erfasst über transendotheliale elektrische Widerstände (TEER)
unter 150
· cm2 (Deli et al. 2005). Im Vergleich dazu wurden in Tierexperimenten TEER-Werte
von mehr als 1500
· cm2 an der BHS gemessen (Butt et al. 1990; Crone und Olesen 1982). Die
Verfügbarkeit humaner primärer BHS-Zellen ist sehr limitiert und ihr Einsatz nicht nur im Hinblick
auf ethische Aspekte bedenklich. Humane Gehirnzellen können z. B. aus Biopsie- oder Autopsiematerial
von Patienten mit Epilepsie oder Gehirntumoren isoliert werden. Allerdings besteht hier
das Risiko, dass die isolierten Zellen krankheitsbedingt verändert sind, was die Eigenschaften der
BHS-Modelle erheblich beeinflussen kann.
Eine Alternative, die diese Probleme umgeht, ist die Verwendung von humanen induziert pluripotenten
Stammzellen (hiPSCs), um standardisierte humane BHS-Modelle unter reproduzierbaren
Bedingungen bereitzustellen.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es gelungen, hiPSCs in vitro nach etablierten und standardisierten Methoden
in Endothelzellen der BHS, neurale Stammzellen (hiPS-NSCs) sowie Astrozyten (hiPS-A)
zu differenzieren (Lippmann et al. 2012; Lippmann et al. 2014; Wilson et al. 2015; Yan et al. 2013;Reinhardt et al. 2013) und zum Aufbau der Modelle einzusetzen. Die Endothelzellen wurden mit
Hilfe protein- und genbasierter Nachweismethoden auf das Vorhandensein von endothelzellspezifischen
TJ-Markern sowie spezifischen Transportern untersucht und funktionell charakterisiert. Die
Kryokonservierung der hiPS-EC-Progenitoren, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickelt
wurde, ermöglicht eine größere räumliche und zeitliche Flexibilität beim Arbeiten mit den stammzellbasierten
Modellen sowie das Anlegen standardisierter Zellbanken. Weiterhin wurden multipotente
NSCs aus fetalen Gehirnbiopsien isoliert (fNSCs) und als Kontrollkulturen zu den hiPS-NSCs
für den Aufbau von BHS-Modellen eingesetzt.
Mit dem Ziel die in vivo-BHS bestmöglich zu imitieren und die Modelleigenschaften zu optimieren,
wurde ein Set aus zehn unterschiedlichen BHS-Modellen basierend auf primären Zellen, hiPSCs
und fNSCs analysiert. Der Aufbau der BHS-Modelle erfolgte unter Verwendung von Transwellsystemen.
Durch die systematische Untersuchung des Einflusses der unterschiedlichen Zelltypen der
neurovaskulären Einheit auf die Barriereintegrität und Genexpression des BHS-Endothels, konnten
die Quadrupel-Kulturen mit Perizyten, Astrozyten und hiPS-NSCs als die Kultur mit den physiologischsten
Eigenschaften identifiziert werden. Auf Grund der signifikant erhöhten TEER-Werte
von bis zu 2500
· cm2 und einer um mindestens 1,5-fachen Steigerung der Genexpression BHSrelevanter
Transporter und TJ-Moleküle gegenüber den Monokulturen, wurden diese Modelle für
weiterführende Studien ausgewählt.
Das Vorhandensein eines komplexen, in vivo-ähnlichen TJ-Netzwerkes, bestehend aus Occludin,
Claudin 1, 3, 4 und 5, konnte mittels quantitativer Realtime-PCR, Western Blot sowie ultrastruktureller
Analyse in der Gefrierbruch- und Raster-Elektronenmikroskopie nachgewiesen werden.
Neben der Begrenzung der parazellulären Permeabilität, welche über die geringe Permeation von
FITC-Dextran (4 kDa und 40 kDa), Fluoreszein und Lucifer Yellow nachgewiesen wurde, stellt die
BHS ebenfalls eine Barriere für den transzellulären Transport von Substanzen dar. Eine Beurteilung
der Modelle hinsichtlich der Qualifikation für die Nutzung im Wirkstoffscreening wurde mit
Hilfe von Transportversuchen unter dem Einsatz von BHS-relevanten Referenzsubstanzen durchgeführt.
Die Klassifikation der Testsubstanzen erfolgte analog ihrer Permeationsgeschwindigkeiten:
Diazepam und Koffein gelten als schnell transportierte Wirkstoffe, Ibuprofen, Celecoxib und Diclofenac
werden mit einer mittleren Geschwindigkeit über die BHS transportiert und Loratadin sowie
Rhodamin 123 sind langsam permeierende Substanzen. Innerhalb der Versuche mit den Quadrupelkulturen
wurde diese Reihenfolge bestätigt, lediglich für Koffein wurde ein signifikant niedrigerer
Permeationskoeffizient verglichen mit der Monokultur erzielt.
Der Einsatz der hiPSC-Technologie ermöglicht es zudem, aus einer Stammzelllinie große Mengen
an humanen somatischen Zelltypen zu generieren und für gezielte Anwendungen bereitzustellen.
Es konnte im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden, dass mit Hilfe eines eigens für diese Zwecke
konstruierten Rührreaktorsystems eine reproduzierbare Expansion der hiPSCs unter definierten Bedingungen
ermöglicht wurde. Basierend auf dieser Grundlage ist nun ein Hochdurchsatz-Screening
von Medikamenten denkbar.
Die in dieser Arbeit präsentierten Daten belegen die Etablierung eines stammzellbasierten in vitro-
Quadrupelmodels der humanen BHS, welches über in vivo-ähnliche Eigenschaften verfügt. Die
Anforderungen, die an humane BHS-Modelle gestellt werden, wie die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse,
eine angemessene Charakterisierung, welche die Untersuchung der Permeabilität von Referenzsubstanzen
einschließt, die Analyse der Expression von BHS-relevanten Transportermolekülen sowie die solide und physiologische Morphologie der Zellen, wurden erfüllt.
Das etablierte BHS-Modell kann in der Pharmaindustrie für die Entwicklung von Medikamenten
eingesetzt werden. Ausreichend qualifizierte Modelle können hier in der präklinischen Forschung
genutzt werden, um Toxizitäts- und Transportstudien an neu entwickelten Substanzen durchzuführen
und eine bessere in vitro-in vivo-Korrelation der Ergebnisse zu ermöglichen oder Mechanismen
zu entwickeln, um die BHS-Barriere gezielt zu überwinden. / The blood-brain barrier (BBB) presents one of the tightest and most important barriers between the
blood circulation and the central nervous system (CNS). The BBB consists of specialized endothelial
cells, which line the cerebral capillaries and are connected through very dense tight junctions
(TJs). Together with pericytes, astrocytes, neurons, microglial cells and the extracellular matrix of
the basal membrane of the brain capillaries, they form a dynamic and complex regulatory system,
the so-called neurovascular unit (Hawkins and Davis 2005).
The main functions of the BBB can be divided into three subgroups, the physical-, metabolic- and
transport-barrier (Neuhaus and Noe 2010). The BBB mainly serves to maintain the homeostasis
of the CNS and for protection against neurotoxical substances and pathogens, such as bacteria
and viruses. Moreover, the BBB ensures the supply of neurons with nutrients and regulatory substances.
Furthermore, it is responsible for the efflux of CNS metabolism waste products.
For the development of drugs applied for the treatment of neurodegenerative diseases such as
Alzheimer’s disease, Parkinson’s disease and Multiple Sclerosis or even brain tumors, the tightness
of the BBB models towards substances and the high metabolic activity of the endothelial cells pose
a problem. Numerous drugs cannot overcome the BBB in sufficient enough concentration to reach
the target location or they are metabolized before transportation and thus become less effective.
Moreover, defects of the BBB play a decisive role in the manipulation of the pathogenesis of numerous
CNS diseases. Due to the high demand for test systems in basic and preclinical research
of drug development and infection studies, a range of different BBB models have been developed.
Besides the in silico, acellular in vitro and in vivo models, numerous cell-based BBB models have
been developed. However, standardized models based on immortalized cell lines show only inhomogeneous
TJ expression and possess low barrier integrity which is detected through transendothelial
electrical resistance (TEER) below 150
· cm2 (Deli et al. 2005). In comparison, the TEER values
in animal tests reached more than 1500
· cm2 at the BBB (Butt et al. 1990; Crone and Olesen
1982). The availability of human primary BBB cells is highly limited. Moreover, using human
primary BBB cells is an extremely serious matter, not only in respect of ethical aspects. Human
brain cells can, for instance, be isolated from biopsy or autopsy material obtained from patients
suffering epilepsy or brain cancer. However, there is the risk that the isolated cells are altered due
to disease, which may significantly change the features of the BBB models.
An alternative to avoid such problems and to provide standardized human BBB models by the use
of reproducible conditions, is the application of human induced pluripotent stem cells (hiPSCs).
In this context, it has been successful to differentiate hiPSCs in vitro – under established and reproducible
methods – into endothelial cells of the BBB (hiPS-ECs), neural stem cells (hiPS-NSCs)
as well as astrocytes (hiPS-A) (Lippmann et al. 2012; Lippmann et al. 2014; Wilson et al. 2015;
Yan et al. 2013; Reinhardt et al. 2013) and to use them for model establishment. The endothelial
cells were examined for the existence and the functionality of endothelial-specific markers as well as
specific transporters by protein- and gene-based methods. Within this work, the croypreservation
of hiPS-EC progenitors was established. This will allow an increase of the spatial and temporal
flexibility while working with the stem cell based models as well as the establishment of standardized
cell banks. Furthermore, multipotent NSCs, isolated from fetal brain biopsies (fNSCs), were used as a control population for hiPSC-NSCs and for BBB modelling.
In order to imitate the in vivo BBB in the best possible way and to optimize model characteristics,
a set of ten different BBB models based on primary cells, hiPSCs and fNSCs was analyzed. Model
establishment was done by the use of transwell systems. By the systematically analysis of the
influence of the different neurovascular unit cell types on barrier integrity and on endothelial cell
gene expression, the quadruple culture with pericytes, astrocytes and hiPS-NSCs was identified
demonstrating the most physiological properties. Due to the significant increase of TEER results
up to 2500
· cm2 as well as the at least 1.5-fold increase in gene expression of BBB relevant transporter
and TJ markers compared to the mono-cultures, this model was selected for further studies.
The presence of a complex in vivo-like TJ network, based on occludin, claudin 1, 3, 4 and 5 was
detected by quantitative reale time PCR, Western blot analyses as well as on ultrastructural level
by freeze fracture electron microscopy and transmission electron microscopy.
Beside the limitation of the paracellular permeability, proven by the low permeation of FITC dextran
(4 kDa and 40 kDa), fluorescein and Lucifer yellow, the BBB represents also a barrier for
transcellular transported substances. A model evaluation, to assess the models qualification to be
used for drug screenings, was proven by transport studies based on BBB relevant reference substances.
The classification of the test substances was made analog their permeation rates: diazepam
and caffeine are classified as fast, ibuprofen, celecoxib and diclofenac as medium, and loratadine
and rhodamine 123 as slow permeating substances. Within our tests, this ranking based on literature
data could be confirmed by using the quadruple-culture models, only caffeine was transported
with a significantly decreased permeation coefficient compared to the mono-cultures.
Furthermore, the implementation of the hiPSC technology allows the generation of a large quantity
of human somatic cell types form only one single stem cell line and their provision for specific applications.
Within this work it was shown, that by the use of an in-house constructed stirred tank
bio-reactor, providing defined culture conditions, a reproducible expansion of hiPSCs was enabled.
On this basis, a high throughput drug screening might be possible.
The data presented within this work demonstrate the establishment of a stem cell based in vitro
quadruple-model of the human BBB with in vivo-like characteristics. All minimal requirements for
human BBB modeling, including the reproducibility of the results, adequate characterization with
regard on the permeability of reference components, expression of BBB transporters as well as the
robust and physiological morphology are fulfilled.
The established BBB model can be used in pharmaceutical drug development. In preclinical research
adequate qualified models are asked for toxicity and transport studies with new developed
substances in order to allow a better in vitro-in vivo correlation of the results. Moreover, the model
can be used to develop mechanisms to selectively overcome the barrier.

Identiferoai:union.ndltd.org:uni-wuerzburg.de/oai:opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de:13464
Date January 2016
CreatorsAppelt-Menzel, Antje
Source SetsUniversity of Würzburg
Languagedeu
Detected LanguageGerman
Typedoctoralthesis, doc-type:doctoralThesis
Formatapplication/pdf
Rightshttps://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/doku/lic_mit_pod.php, info:eu-repo/semantics/openAccess

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