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Die Beziehung von Inhibitionsfähigkeit und multidimensionaler Impulsivität als Risikofaktoren für Suchterkrankungen

Der Persönlichkeitsfaktor Impulsivität und eine verminderte Inhibitionsfähigkeit werden als Risikofaktoren für Suchterkrankungen diskutiert. Impulsivität ist ein multidimensionales Konstrukt und lässt sich durch Fragebögen wie die Barratt Impulsiveness Scale (BIS-11) quantifizieren. Inhibitionsfähigkeit kann mit Hilfe eines Stop-Signal Task operationalisiert werden und wird von einigen Autoren als Subdomäne von Impulsivität angesehen (Response Inhibition). Welche Domänen des Persönlichkeitsmerkmals Impulsivität die behavioralen und neuronalen Korrelate von Inhibitionsfähigkeit abbilden, ist allerdings bis jetzt nicht eindeutig geklärt. Auch Veränderungen der Belohnungswahrnehmung tragen zur Pathogenese von Suchterkrankungen bei, und belohnungsassoziierte Aktivierungen im ventralen Striatum weisen bei Gesunden eine positive Beziehung zu Impulsivität auf. Die impulsivitätsabhängigen Auswirkungen von Belohnungsverarbeitung auf die Inhibitionsfähigkeit sind jedoch unzureichend verstanden.

Zur weiteren Untersuchung der Beziehung von Impulsivität und Inhibitionsfähigkeit sowie ihrer Interaktion mit Belohnungsverarbeitung selektierten wir aus einer Gruppe von 452 Probanden je 26 hoch und niedrig impulsive Probanden, deren durchschnittliche BIS-11 Werte den Kriterien für hohe bzw. niedrige Impulsivität entsprachen. Alle 52 Probanden absolvierten einen Stop-Signal Task mit integrierter Belohnungskomponente während einer simultanen funktionellen MRT Messung (fMRT). Neben einer neuropsychologischen Testung erhielten die Probanden eine umfassende Charakterisierung ihrer Persönlichkeits- und Impulsivitätsdomänen durch die Fragebögen UPPS (Urgency, Lack of Premeditation, Lack of Perseverance, Sensation Seeking), Sensation Seeking Scale und NEO-Fünf-Faktoren-Inventar. Die Auswertung der Verhaltensdaten erfolgte mit SPSS, die Analyse der fMRT-Daten nach einer Vorverarbeitung mit SPM getreu des General Linear Model.

Für die Extremgruppen des BIS-11 fanden wir, entgegen unserer anfänglichen Vermutung, keinen signifikanten Gruppenunterschied, weder hinsichtlich der behavioral gemessenen Inhibitionsfähigkeit (SSRT), noch im neuronalen Aktivierungsmuster des Inhibitionsnetzwerks. Eine feinere Untersuchung unter Einbezug der Impulsivitätsubdomänen zeigte, dass die Subdimension Urgency die individuelle Inhibitionsfähigkeit der Probanden am besten vorhersagte und eine positive Korrelation mit dem Inhibitionsmaß SSRT aufwies.
Interessanterweise zeigten Urgency-Werte zusätzlich auch eine negative Korrelation mit den neuronalen Aktivierungen im rechten inferior-frontalen Gyrus, einer Schlüsselregion des Inhibitionsnetzwerks. Belohnte erfolgreiche Stop-Trials wiesen gegenüber nicht erfolgreichen belohnten Stop-Trials auf neuronaler Ebene eine verstärkte Aktivierung des ventralen Striatums auf. Diese Aktivierung zeigte Ähnlichkeit mit einem Prädiktionsfehlersignal und könnte möglicherweise ein selbst generiertes Feedbacksignal darstellen. Nur Probanden mit niedrigen Urgency-Werten konnten dieses potentielle Feedbacksignal für eine verbesserte Inhibition (kürzere SSRT) nutzen, während sich dieser Zusammenhang nicht für Probanden mit höheren Urgency-Werten zeigte.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Beziehung zwischen Impulsivität und behavioraler Inhibitionsfähigkeit vorsichtig und gezielt multidimensional betrachtet werden sollte. Während der Gesamtscore des BIS-11 Response Inhibition nicht ausreichend abzubilden scheint, zeigte die Subdimension Urgency sowohl behavioral als auch neuronal eine Assoziation mit einer verminderten Inhibitionsfähigkeit. Interessanterweise weist Urgency auch eine Verbindung zur Belohnungsverarbeitung im Stop-Signal Task auf und scheint mit dem Nutzen von potentiellen individuellen Feedbacksignalen verknüpft zu sein. Da Urgency-Werte sich bei verschiedenen psychischen Störungen, wie Abhängigkeitserkrankungen, erhöht zeigen, stellt Urgency möglicherweise ein Bindeglied zwischen Response Inhibition und Belohnungsverarbeitung dar. Aus diesen Gründen sollte Urgency in zukünftigen Studien zu den Entstehungsmechanismen von Suchterkrankungen als Moderator von behavioraler Handlungsadaption miteinbezogen werden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:21079
Date11 April 2018
CreatorsWilbertz, Tilmann
ContributorsSchroeter, Matthias, Endrass, Tanja, Schlagenhauf, Florian, Villringer, Arno, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
Relationhttps://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2014.09.021

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