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Landschaftsbezogene Identitätsbildung und kollektives Landschaftswissen am Beispiel des Landkreises Mittelsachsen

Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildete die Auseinandersetzung um Landschaft und deren Bedeutung für eine landschaftsbezogene Identitätsbildung aus Sicht der Bewohner ebenso wie aus der planerischen Perspektive. Da Landschaft erst durch die Interpretation ihrer Betrachter und deren Handlungspraktiken zu dem wird, was im Sinne ihrer Nutzer auch den Wert ausmacht, gilt es v. a. sich diesen wertgebenden Prozessen und deren bezugnehmenden Merkmalen zu widmen.
Der planerische Auftrag identifikationsstiftende Landschaftsmerkmale zu erfassen und dabei das konstruktivistische Landschaftverständnis als ein Konstrukt eines kollektiven Sozialzusammenhanges verfolgend, bietet für einen Landschaftsdiskurs den größten Anknüpfungspunkt und bringt in seiner Logik das Anliegen der Landschaftsinterpretation von Bewohnern hervor.
Schwerpunkt dieser Arbeit ist es herauszustellen, welche Aspekte identitätsstiftender landschaftsbezogener Merkmale die Bewohner für die Verhandlung um raumbezogene Zugehörigkeit hinzuziehen und wie diese mit den Merkmalen der planerischen Analyse übereinstimmen oder sich ergänzen bzw. wie sie verhandelt werden. Mithilfe eines Gruppendiskussionsverfahrens sollen diese Merkmale aus Sicht der Bewohner, methodisch aufbauend auf einer „klassischen“ Kulturlandschaftserfassung, angekoppelt und ergänzt werden. Das Gruppendiskussionsverfahren als Methode der qualitativen Sozialforschung eignet sich zum einen als qualitativer Forschungsansatz für diese Arbeit, weil er eine freie Entfaltung der Relevanzsysteme und damit ein kontrolliertes Fremdverstehen ermöglicht. Im Rahmen des Aneignungsprozesses um Landschaft soll das zentrale Prinzip der Offenheit angesetzt werden, was im Sinne von Kruse (2015, 65) bedeutet, das eigene Relevanzsystem (planerischer Hintergrund) zu öffnen, um das Fremde an sich heranzulassen. Es geht weniger darum den eigenen Standpunkt, Wissensbestände und Konzepte anzuzweifeln, als vielmehr eine reflexive Sensibilisierung für eine eigene Relevanz zu erreichen (vgl. Kruse 2015, 71). Zum anderen liegt die hohe Eignung in einer nondirektiven Gruppenleitungsform und zusätzlich in einer Vielfalt der Diskussionsteilnehmenden.
Unter Gruppendiskussion ist ein Gespräch aus bis zu 15 Teilnehmern zu einem gemeinsamen Thema zu verstehen, wobei der Fragende keine vornehmlich gesprächsleitende, sondern v. a. eine beobachtende Position inne hat (nondirektive). Im Rahmen des Forschungsprojektes „Kulturlandschaftspojekt Mittelsachsen“ des Lehrstuhls Landschaftsplanung unter Leitung von Frau Prof. Dr. Catrin Schmidt im Auftrag des Landkreis Mittelsachsen, wurden von der Bearbeiterin in neun Gemeinden des Landkreises Gruppendiskussionen über einen Zeitraum von drei Monaten im Jahr 2014 durchgeführt.
Die Auswertung der Gespräche erfolgte auf Basis der dokumentarischen Methode stufenweise. Dazu wurden die aufgezeichneten Gespräche in einem ersten Schritt transkribiert, im Weiteren durch eine formulierende Interpretation in die wesentlichen Themen selektiert und der immanente Sinngehalt wiedergegeben, um dann mit der refletierenden Interpretation zu forschungsleitenden Kernaussagen und Thesen zu kommen. Außerdem wurden die innerhalb des „Kulturlandschaftspojektes Mittelsachsen“ erarbeiteten, landschaftsbezogenen Merkmale der GIS-basierten Landschaftscharakterisierungen den Aussagen aus den Gruppengesprächen gegenübergestellt.
In einer vertiefenden Interpretation anhand von Thesen wurden zudem die Zusammenhänge aktueller Landschaftsdiskurse in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verifiziert und die Bedeutung für zu erwartende Trends herausgestellt.
Nicht nur die Inhalte und Verhandlungspraktiken innerhalb des Gruppendiskussionsverfahrens wurden an neun geführten Gesprächsrunden analysiert, sondern auch die zur Durchführung notwendigen Schritte. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Zusammenhängen von Auswahl der Gruppenteilnehmenden und Art und Weise der Fragestellungen sowie der Motivation der Teilnehmenden und den Auswirkungen auf den Erfolg der Diskussion, bildeten die Basis für die Modifizierungsvorschläge eines Gruppendiskussionsverfahrens.
Zusammenfassend zeigen diese konkreten Möglichkeiten wie mithilfe von Gruppendiskussionen das Landschaftwissen der Bewohner aufbauend auf einer planerischen Analyse eines Landschaftsausschnittes ermittelt und in ein Kulturlandschaftskonzept integriert werden können. Im Ergebnis wurde dabei deutlich, dass die Wahrnehmung einer Region nicht ohne den Bezug auf den konkreten lokalen Ort funktioniert. Von Vorteil stellte sich dabei das grenzübergreifende Denken der Bewohner heraus. Das Interesse raumbezogener Gesellschaftwissenschaften an Landschaft kann für die Landschaftsplanung sehr inspirierend sein, v. a. wenn das methodische Gerüst der sozialwissenschaftlichen Erhebungsmethoden dabei noch stärker mit den Planungswissenschaften verknüpft werden kann. Es gilt demnach Varianten der empirischen Erhebungsmethoden zum einen und Methoden der Auswertung zum anderen für eine Nutzung in planerischem Kontext weiterzudenken. Diese Arbeit liefert einen wichtigen Ansatz.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:31112
Date31 August 2018
CreatorsHanke, Romy
ContributorsSchmidt, Catrin, Stillger, Verone, Technische Universität Dresden
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typedoc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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