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Kognitive Flexibilität bei Zwangsstörungen und mögliche Einflussfaktoren: Eine Fall-Kontroll-Studie

Die Zwangserkrankung gehört zu den häufigeren psychiatrischen Krankheitsbildern und kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag der Patienten führen. Typisch für diese Erkrankung sind immer wiederkehrende und als belastend empfundene Gedanken einerseits sowie repetitive, ritualisierte Verhaltensweisen andererseits. Bei der Pathogenese der Zwangserkrankung werden genetische, immunologische, psychologische und neurobiologische Faktoren diskutiert. Mit Hilfe unterschiedlicher Bildgebungsverfahren konnten bei Zwangspatienten Veränderungen im orbitofrontalen Cortex, den Basalganglien und dem Thalamus festgestellt werden. Zudem konnten Hinweise auf Veränderungen von Neurotransmittersystemen wie dem Serotonin- und Dopamin-Stoffwechsel festgestellt werden. Aus diesen Erkenntnissen wurde die Hypothese der fronto-striatalen Dysbalance postuliert: Bei Zwangsstörungen kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Bahnen im Regelkreis zwischen orbitofrontalem Cortex, Striatum und Thalamus. Dieser Regelkreis ist bedeutsam für die Verhaltensanpassung an sich ändernde Umgebungsbedingungen. Daher wurde postuliert, dass ein Ungleichgewicht in diesem Regelkreis zu Beeinträchtigungen der flexiblen Verhaltensanpassung führt. Unflexibles, repetitives Verhalten, wie es bei Zwangsstörungen beobachtet wird, könnte also auf Störungen im fronto-striatalen Regelkreis zurückgeführt werden.
Um flexible Verhaltensanpassung an eine sich ändernde Umgebung in einem experimentellen Setting zu testen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Reversal-Learning-Aufgabe verwendet, um Beeinträchtigungen der flexiblen Verhaltensanpassung bei Zwangspatienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen zu testen. Hierfür wurden 30 Patienten mit einer diagnostizierten Zwangsstörung und 30 gesunde Probanden, welche hinsichtlich Alter, Geschlecht und Schulbildung angepasst wurden, in Bezug auf die Leistung während einer Reversal-Learning-Aufgabe verglichen. Zusätzlich wurde der Einfluss von neuropsychologisch erfasster, kognitiver Leistungsfähigkeit, ängstlicher und depressiver Komorbidität und Medikation auf die Leistung während der Aufgabe untersucht. Die Patienten- und die gesunde Kontrollgruppe unterschieden sich jedoch nicht in Bezug auf die Anzahl der Fehler oder der Reaktionszeit. Zwei kognitive Tests hatten einen Einfluss auf die Reaktionszeit aber keiner der Tests hatte einen Einfluss auf die Anzahl der Fehler. Der Einfluss auf die Reaktionszeit unterschied sich jedoch nicht zwischen den Gruppen. Zudem hatte nur die Angstsymptomatik einen Einfluss auf die Reaktionszeit. Auch hier unterschied sich der Einfluss der Angstsymptomatik nicht zwischen den Gruppen. Zuletzt unterschied sich die Anzahl der Fehler nicht zwischen medizierten und unmedizierten Patienten. Interessanterweise brauchten aber gerade die medizierten Patienten länger zur Bearbeitung der Aufgabe, obwohl die Symptomausprägung sich nicht zwischen den beiden Gruppen unterschied.
Die vorliegende Studie konnte auf behavioraler Ebene das postulierte Ungleichgewicht im fronto-striatalen Regelkreis und die daraus resultierende Inflexibilität bei Menschen mit Zwangsstörungen nicht belegen. Es wurden jedoch Hinweise auf potentielle Einflussfaktoren gefunden. Durch Berücksichtigung solcher Einflussfaktoren, aber auch der teils starken Heterogenität der Gruppe, der geringen Fallzahl und durch Verbesserung der verwendeten Reversal-Learning-Aufgabe, wäre es in weiteren Studien eventuell möglich, die postulierten Defizite bei Zwangspatienten zu finden.

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:31760
Date20 September 2018
CreatorsHuss, Martin
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/acceptedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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