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MRT-gestützte Quantifizierung des abdominellen subkutanen Fettgewebes bei adipösen Patienten

HINTERGRUND: Die Adipositas ist eines der bedeutendsten Gesundheitsprobleme des 21. Jahrhunderts und steht in engem Zusammenhang mit einer erhöhten Gesamtmortalität und -morbidität, die häufig durch kardiometabolische Folgeerkrankungen verursacht werden (Blüher, 2019; Branca et al., 2007; Flegal et al., 2013; Kitahara et al., 2014; World Health Organization, 2005). Aus dieser Problematik ergibt sich ein erhebliches Interesse an robusten Prädiktoren zur Risikostratifzierung und klinischen Verlaufsbeobachtung Adipositas-assoziierter Stoffwechseleffekte. Die Quantifizierung und Verteilungsanalyse des viszeralen und subkutanen Fettdepots gelten dabei als äußerst vielversprechend. In vorangegangenen Studien wurden vorrangig repräsentative Einzelschichtmessungen betrachtet, was jedoch zu uneinheitlichen Ergebnissen führte (Abate et al., 1997; Gronemeyer et al., 2000; Idoate et al., 2011; Irlbeck et al., 2010, 2018; Kuk et al., 2010; Schweitzer et al., 2015; Schwenzer et al., 2010; Springer et al., 2012). Zudem konzentrierten sich die meisten Studien nur auf das viszerale Fettgewebe (VAT) und die Skelettmuskulatur (SM) bei Patienten mit BMI Werten unter 30 kg/qm. Eine große Herausforderung stellt die Quantifizierung des abdominellen subkutanen Fettgewebes (ASAT) bei hochgradig adipösen Patienten mit großem abdominellem Diameter dar, da die Messfeldbreite der MRT-Geräte meist auf 50-55 cm beschränkt ist und laterale oder ventrale Anteile teilweise nicht erfasst werden können. Es besteht daher ein erheblicher Bedarf an zuverlässigen Methoden zur Quantifizierung des ASAT, insbesondere bei Patienten mit höhergradiger Adipositas.
ZIELSETZUNG: Ziel dieser Studie war die Entwicklung und Bereitstellung einer zuverlässigen und klinisch praktikablen Methode zur MRT-gestützten Quantifizierung des ASAT bei adipösen Patienten. Dazu wurden folgende Arbeitsschritte definiert: [I] Identifizierung einer repräsentativen MRT-Einzelschicht, [II] Evaluierung partieller Volumina, partieller Flächen und Strecken als Surrogate bei unvollständiger Erfassung ventrolateraler Anteile, [III] Evaluierung gängiger anthropometrischer Parameter zur Prädiktion des ASAT und [IV] Bestimmung allgemeiner, geschlechtsspezifischer Konversionsfaktoren.
MATERIAL/METHODEN: Die Patienten wurden innerhalb von klinischen Studien des IFB AdipositasErkrankungen der Universitätsmedizin Leipzig rekrutiert und gemäß des Studienprotokolls im MRT untersucht. Nach Datenauswertung wurden die jeweiligen Ergebnisse in eine Datenbank eingetragen. Für die vorliegende Arbeit wurden retrospektiv MRT-Datensätze von 447 adipösen Patienten betrachtet. Bei 254 dieser Patienten (57%) war das ASAT im ventrolateralen Bereich unvollständig erfasst und konnte daher nicht genau quantifiziert werden. Zum Einschluss kamen somit 193 Patienten (116 Frauen, 77 Männer). Nach semiautomatischer Segmentierung der ASAT-Grenzen zwischen Beckenboden (BB) und Zwerchfell (ZF) wurden folgende Surrogatparameter als mögliche Prädiktoren für das gesamte ASAT-Volumen untersucht:
- Referenz V(ASAT ): vollständig gemessenes ASAT-Volumen aus allen segmentierten (axialen) Einzelschichten zwischen ZF und BB
- Einzelschichten: geschätztes ASAT-Volumen aus der segmentierten Fläche einer Einzelschicht auf Höhe von L1/L2 bis L5/S1 [A(L1-S1)], des Bauchnabels [A(UM)], der Spinae iliacae anteriores superiores [A(SIAS)] bzw. der Femurköpfe [A(FH)]
- Strecken: geschätztes ASAT-Volumen aus einer dorsalen [d(dor-lat)] bzw. ventralen [d(ven)] Streckenmessung
- Partialflächen: geschätztes ASAT-Volumen aus einer partiell segmentierten Fläche, mit lateraler Begrenzung durch die Femurköpfe [PA(FH)] bzw. die Spinae iliacae anteriores superiores [PA(SIAS)]
- Partialvolumina: geschätztes ASAT-Volumen aus einem lateral durch die Femurköpfe [PV(FH)] bzw. die Spinae iliacae anteriores superiores [PV(SIAS)] und axial durch BB und ZF begrenzten Teilvolumen
- Anthropometrie: geschätztes ASAT-Volumen aus einem anthropometrischen Parameter [BMI, Hüftumfang (HC), Taillenumfang (WC), Waist-to-Hip Ratio (WHR), Waist-to-Height Ratio (WHtR) bzw. Hip-to-Height Ratio (HHtR)]
Aus Surrogaten abgeschätzte und vollständig gemessene ASAT-Volumina wurden statistisch miteinander verglichen. Die deskriptiven Daten wurden mittels Bestimmtheitsmaß (R2), Pearson-Korrelationskoeffizient (rp) sowie Mittelwert (d) und Standardabweichung (sd) der Messwertdifferenzen dargestellt. Die einfache lineare Regressionsanalyse zwischen dem vollständig gemessenen ASAT-Volumen (Referenz) und den eingeführten Surrogatparametern ergab neben dem Bestimmtheitsmaß die jeweilige Steigung m und den y-Achsenabschnitt b, welche entsprechend der linearen Gleichung V~ASAT (p)=m*p+b als Konversionsfaktoren für die Abschätzung des ASAT-Volumen (V~ASAT) dienen.
ERGEBNISSE: Die R2-Werte zwischen lumbosakralen Einzelschichtmessungen und V(ASAT ) lagen zwischen 0,60 und 0,90 für Frauen - mit bester Übereinstimmung bei A(L5/S1). Bei den Männern lag R2 zwischen 0,72 und 0,92 mit höchster Korrelation etwas kranialer [A(L4/L5)]. Eine aggregierte Betrachtung beider Geschlechter favorisierte A(L5/S1) mit R2=0,92 und sd=9,2 %. Bei Männern befand sich der zweitgrößte, bei Frauen der drittgrößte ASAT-Anteil auf Bauchnabelhöhe entsprechend gut korrelierte A(UM) bei beiden Geschlechtern mit V(ASAT). d(ven) war mit einem R2 von 0,54 gegenüber d(dor-lat) (R2=0,47) leicht überlegen, wenngleich auf mäßigem Niveau. Sehr ähnliche Ergebnisse zeigten die dorsalen Flächen PA(FH/SIAS) mit R2-Werten leicht unterhalb von 0,5 (R2=0,47). Die stärkste Übereinstimmung mit V(ASAT) wurde erwartungsgemäß für dorsale Partialvolumina beobachtet mit leichter Präferenz von PV(FH) (R2=0,78) gegenüber PV(SIAS) (R2=0,69). Der direkte Vergleich mit d(dor-lat/ven) und PA(FH/SIAS) favorisierte PV(FH) als bestes Surrogat zur Abschätzung von V(ASAT). Der BMI erreichte mit einem R2 von knapp 0,5 (R2=0,47) und einer einfachen Standardabweichung von 26,8 % äquivalente Ergebnisse wie d(dor-lat) und PA(FH/SIAS). Übergreifend betrachtet war der BMI den bildgebenden Surrogaten A(L1-S1)/A(UM/SIAS/FH) und PV(FH/SIAS) deutlich unterlegen. Der Hüftumfang korrelierte vergleichsweise stark mit V(ASAT). Der Taillenumfang zeigte für Männer mit R2=0,58 und sd=26,0 % eine akzeptable Übereinstimmung mit V(ASAT), jedoch nicht für beide Geschlechter gemeinsam betrachtet (R2 0,23). Die WHR erwies sich als unbrauchbar (R2=0,05), die WHtR erreichte darüber hinaus schlechtere Ergebnisse als die zuvor betrachteten MRT-Einzelschichten, BMI oder der Hüftumfang. Einzig die HHtR erreichte eine gute Korrelation (R2=0,53) vergleichbar mit d(ven) und marginal besser als PA(FH/SIAS) und d(dor-lat).
EMPFEHLUNGEN: Bei vollständiger Darstellung des abdominellen SAT auf axialen Einzelschichten ist eine Messung auf Höhe L4/L5 bei Männern und L5/S1 bei Frauen die Methode der Wahl zur Abschätzung von V(ASAT). Gemeinsam betrachtet ist L5/S1 zu favorisieren. Bei unklarer sagittaler oder coronarer Zuordnung bestimmter Wirbelkörperhöhen eignet sich eine umbilikale Einzelschichtmessung zur ASAT-Quantifizierung, einhergehend mit einer akzeptablen Einschränkung der Genauigkeit. Im Falle einer unvollständigen Darstellung ventraler oder lateraler SAT Anteile, insbesondere bei höhergradiger Adipositas, bietet sich das dorsale Partialvolumen PV(FH) als geeignetes Surrogat zur Abschätzung von V(ASAT) an. Der wesentliche Nachteil aller anthropometrischen Parameter ist deren Unfähigkeit in der Differenzierung einzelner Fettkompartimente. Sollten MRT-gestützte Verfahren jedoch zu aufwändig erscheinen oder nicht möglich sein, so empfehlen sich die Messung des Hüftumfangs oder die Bestimmung der HHtR zur Abschätzung des V(ASAT).:Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Motivation
1.2 Zielsetzung
2 Material und Methoden
2.1 Design
2.2 Patientenkollektiv
2.3 MRT-Protokoll
2.4 Prädiktoren
2.4.1 Einzelschichten
2.4.2 Strecken, Partialflächen und -volumina
2.4.3 Anthropometrische Parameter
2.5 Software zur semiautomatischen Bildsegmentierung
2.6 Statistische Auswertung
3 Ergebnisse
3.1 Konversionsfaktoren
3.2 Einzelschichten
3.2.1 Geschlechtsspezifische ASAT-Verteilung
3.2.2 Bandscheibenfach L4/L5
3.2.3 Bandscheibenfach L5/S1
3.2.4 Umbilikus
3.2.5 sd: Standardabweichung der Messwertdifferenzen
3.3 Strecken, Partialflächen und –volumina
3.3.1 ddor-lat/ven: Strecken
3.3.2 PAFH/SIAS: Partialflächen
3.3.3 PVFH/SIAS: Partialvolumina
3.3.4 sd: Standardabweichung der Messwertdifferenzen
3.4 Anthropometrische Parameter
3.4.1 BMI
3.4.2 Umfangsmessungen
3.4.3 Quotienten
3.4.4 sd: Standardabweichung der Messwertdifferenzen
4 Diskussion
4.1 Einzelschichten
4.1.1 Literaturvergleich
4.1.2 ASAT-Verteilung: Sexueller Dimorphismus
4.1.3 Lumbosakrale Einzelschichten – Exzellentes Surrogat zur Abschätzung
des abdominellen SAT
4.1.4 Umbilikale Einzelschicht: Einfach lokalisierbare Alternative bei fehlender
Schnittbildanalyse
4.2 Strecken, Partialflächen und -volumina
4.2.1 Literaturvergleich
4.2.2 Dorsale Partialvolumina bei ventrolateralen Bildartefakten
4.2.3 Dorsale Partialflächen erlauben keine verlässlichen Vorhersagen
4.2.4 Einfache Streckenmessungen: Klinisch praktikabel und vergleichsweise
genau
4.3 Anthropometrische Parameter
4.3.1 BMI als grober Richtwert – keine Aussage zu individueller
Körperzusammensetzung
4.3.2 Umfangsmessungen zeigen stärkeren Zusammenhang bezüglich
subkutaner Fettgewebsverteilung
4.3.3 Quotienten: HHtR ist anderen Quotienten deutlich überlegen
4.4 Empfehlungen
4.4.1 Lumbosakrale Einzelschichtmessungen – Reliable Methode abdomineller
Fettquantifizierung
4.4.2 Adipositasbildgebung: Partialvolumina und ventrale Streckenmessungen
bei unvollständiger Erfassung ventrolateraler ASAT-Anteile
4.4.3 Anthropometrische Parameter – ungenau bezüglich abdomineller
Fettverteilung
4.5 Methoden
4.5.1 MRT-gestützte Fettgewebsquantifizierung
4.5.2 Statistische Auswertung und Konversionsfaktoren
4.6 Ausblick
4.6.1 Akkurate Bildgebungsmethoden für Forschungszwecke bevorzugt
4.6.2 Monitoringparameter bariatrischer Studien
4.6.3 Unabhängiger prädiktiver Faktor onkologischer Grunderkrankungen
4.7 Limitationen
5 Zusammenfassung der Arbeit
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
8 Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit
9 Danksagung

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:70864
Date26 May 2020
CreatorsMichel, Sophia
ContributorsBusse, Harald, Blüher, Matthias, Hesse, Swen, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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