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Wortklassenprädiktion im syntaktischen Kontext - eine Studie bei Patienten mit linkshemisphärieller Läsion im Sprachnetzwerk

Prädiktion gilt als wesentlicher kognitiver Mechanismus bei der Verarbeitung eingehender äußerer Signale (Bar 2009; Friston, 2005). Das Gehirn entwickelt dazu auf Basis bisheriger Erfahrung kontinuierlich Hypothesen über unmittelbar folgende Reize und führt einen ständigen Abgleich zwischen prädiziertem und tatsächlichem Reiz durch.
Auch Sprachverständnis wird durch Prädiktion unterstützt (Kutas et al., 2011; Sohoglu et al., 2012). Im Laufe eines Satzes lassen sich so anhand des semantischen Gehaltes und der syntaktischen Struktur des Satzes mit zunehmender Sicherheit die weiteren Satzelemente bis hin zum satzfinalen Wort prädizieren.
Sprachgesunde können die Wortklasse des letzten Wortes eines Satzes nicht nur in semantisch und syntaktisch regulären Sätzen prädizieren, sondern auch in Sätzen, die zwar ein syntaktisches Gerüst, aber eine nur reduzierte semantische Information vorgeben. Für solch syntaktisch gestützte Prädiktion zeigte sich in der fMRT die Aktivierung eines linkslateralisierten Sprachnetzwerkes unter Einschluss des Gyrus frontalis inferior, Sulcus intraparietalis und Gyrus temporalis superior (Bonhage et al., 2015).
Ausgehend von den Befunden dieser Studie mit neurotypischen, jungen Probanden wurde in der vorliegenden Arbeit untersucht, inwiefern Probanden mit linkshemisphärieller Läsion im Sprachnetzwerk die Wortklasse eines satzfinalen Wortes prädizieren können. Betrachtet wurden ebenfalls semantisch und syntaktisch reguläre Sätze sowie Sätze, die auf ihr syntaktisches Gerüst reduziert waren. Als Kontrollbedingung dienten Neologismenfolgen. Damit wurde sich des bereits bei sprachgesunden Probanden genutzten experimentellen Paradigmas bedient. Prädiktionsvorgänge wurden dabei mithilfe von Eye-Tracking visualisiert. Im Paradigma wurde zudem durch eine Forced-Choice-Aufgabe die Fähigkeit der Probanden zur syntaktischen Analyse geprüft.
Zusätzlich zum Experiment wurde bei allen Probanden ein klinisch etablierter patholinguistischer Test durchgeführt, der spezifisch syntaktische Störungen bei der Rezeption von Sätzen untersucht ('Sätze verstehen', Burchert et al., 2015). Der Test berücksichtigt typische Einflussfaktoren des Satzverständnisses (semantische Reversibilität, Wortstellung, Morphologie und syntaktische Komplexität). Beurteilt werden sollte, inwiefern die Leistung im Prädiktionsexperiment mit der Leistung im klinischen Test korreliert.
Die Ergebnisse in Experiment und klinischer Testung wurden anschließend mithilfe der Methode des Voxel-Based Lesion-Symptom Mapping mit den Läsionsmustern der Probanden verglichen. Analysiert werden sollte, inwiefern die Fähigkeit zur Wortklassenprädiktion und die Leistung im Test durch Läsionen in spezifischen Hirnarealen alteriert ist.
An der Studie nahmen 32 Probanden teil.
Sie erbrachte folgende Ergebnisse:
Probanden mit linkshemisphärieller Schädigung im Sprachnetzwerk konnten in semantisch und syntaktisch regulären Sätzen und in Sätzen, die nur ein syntaktisches Gerüst erkennen ließen, gleichermaßen die Wortklasse des finalen Wortes eines Satzes prädizieren. Die Ergebnisse in den beiden Konditionen unterschieden sich nicht signifikant, lagen jedoch signifikant oberhalb der Ratewahrscheinlichkeit. Die Ergebnisse der Forced-Choice-Aufgabe zeigten hingegen signifikante Unterschiede zwischen allen getesteten Konditionen.
Die klinische Einschätzung der Probanden bildete sich auf Ebene der geprüften Einflussfaktoren des Satzverständnisses in den Ergebnissen des Prädiktionsexperiments ab, divergierte jedoch bei spezifischem Vergleich von Experiment und Testung, was darauf hinweist, dass unterschiedliche Aspekte syntaktischer Kompetenz selektiv betroffen sein können.
Die Korrelation mit den Läsionen der Probanden ergab, dass operkuläre und insuläre Schädigungen zu einer signifikant schlechteren Prädiktion auf syntaktischer Basis führten, Läsionen im oberen und mittleren Temporallappen dagegen zu einer schlechteren Leistung in der klinischen Syntaxtestung.
Die Ergebnisse der Studie lassen festhalten, dass auch Patienten mit linkshemisphärieller Läsion im Sprachnetzwerk prädiktive Mechanismen bei Satzverarbeitung anwenden, wenngleich dabei qualitative Unterschiede zum Prädiktionsverhalten Sprachgesunder bestehen. Die mithilfe von Eye-Tracking als Echtzeit-Methode gewonnenen Ergebnisse knüpfen grundlegend an Erkenntnisse aus Blickbewegungsstudien zur Satzverarbeitung aphasischer Patienten an. Die in Experiment und klinischer Testung geprüften syntaktischen Teilleistungen stellten sich dabei als verschiedene Facetten syntaktischer Kompetenz dar. Die Läsionsanalyse erbrachte eine Dissoziation der maßgeblichen Areale für die in Experiment und klinischem Test geprüften Leistungen. Die für die Prädiktionsleistung im Experiment relevanten Areale wichen dabei von den gemeinhin an syntaktischer Verarbeitung beteiligten Hirnregionen ab.:1. Einleitung
1.1 Predictive coding
1.2 Prädiktion im Satzkontext
1.3 Syntaktische Störungen bei Patienten mit Aphasie
1.4 Eye-Tracking

2. Fragestellungen

3. Material und Methoden
3.1 Probanden
3.2 Material
3.3 Durchführung
3.3.1 Versuchsaufbau
3.3.2 Versuchsablauf
3.4 Datenanalyse
3.4.1 Analyse der Eye-Tracking-Daten
3.4.1.1 Prädiktionsparameter
3.4.1.2 Zentrale Fixation
3.4.2 Analyse der Verhaltensdaten
3.4.3 Korrelation von Eye-Tracking- und Verhaltensdaten
3.5 Klinische Diagnostik
3.5.1 Klinische Testbatterie
3.5.2 Sätze verstehen
3.5.2.1 Kerndiagnostik
3.5.2.2 Vertiefende Diagnostik
3.5.2.3 Klassifizierung und Interpretation der Ergebnisse
3.6 Korrelation von klinischen und Eye-Tracking-Daten
3.6.1 Split-Half-Gruppierung
3.6.2 Gruppierung nach Vorliegen einer Störung
3.6.3 Direkte Korrelation von klinischen und Eye-Tracking-Daten
3.7 Läsions-Verhaltens-Analyse
3.7.1 Läsionsdaten
3.7.2 Voxel-Based Lesion-Symptom Mapping
3.7.2.1 Analyse der Eye-Tracking-Daten
3.7.2.2 Analyse der klinischen Daten

4. Ergebnisse
4.1 Experimentelle Daten
4.1.1 Verhaltensdaten
4.1.2 Eye-Tracking-Daten
4.1.2.1 Prädiktionsparameter
4.1.2.2 Zentrale Fixation
4.1.3 Korrelation von Eye-Tracking- und Verhaltensdaten
4.2 Klinische Daten
4.2.1 Klinische Testbatterie
4.2.2 Sätze verstehen
4.2.2.1 Kerndiagnostik
4.2.2.2 Vertiefende Diagnostik
4.3 Korrelation von klinischen und Eye-Tracking-Daten
4.3.1 Split-Half-Gruppierung
4.3.2 Gruppierung nach Vorliegen einer Störung
4.3.3 Direkte Korrelation von klinischen und Eye-Tracking-Daten
4.4 Läsions-Verhaltens-Analyse
4.4.1 Voxelbasierte Läsions-Verhaltens-Analyse
4.4.2 Regionsbasierte Läsions-Verhaltens-Analyse
4.4.2.1 Regionsbasierte Analyse der Eye-Tracking-Daten
4.4.2.2 Regionsbasierte Analyse der klinischen Daten
4.4.3 Zusammenfassung der Läsions-Verhaltens-Analyse

5. Diskussion
5.1 Diskussion der experimentellen Daten
5.1.1 Verhaltensdaten
5.1.2 Eye-Tracking-Daten
5.1.3 Vergleich von Verhaltens- und Eye-Tracking-Daten
5.1.4 Korrelation von Verhaltens- und Eye-Tracking-Daten
5.2 Diskussion der klinischen Daten
5.3 Diskussion der Korrelation von experimentellen und klinischen Daten
5.3.1 Vereinbarkeit von Experiment und klinischer Testung
5.3.2 Einordnung und Stellenwert der Ergebnisse
5.3.2.1 Der Kanonizitätseffekt
5.3.2.2 Aphasische Online-Verarbeitung nicht-kanonischer Sätze
5.4 Diskussion der Läsions-Verhaltens-Analyse
5.4.1 Läsions-Verhaltens-Analyse der Eye-Tracking-Daten
5.4.2 Läsions-Verhaltens-Analyse der klinischen Daten
5.4.3 Vergleich der Ergebnisse
5.5 Beantwortung der Fragestellungen

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

9. Tabellenverzeichnis

10. Anlagen

11. Eigenständigkeitserklärung

12. Danksagung

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:75671
Date10 August 2021
CreatorsBormann, Josef
ContributorsObrig, Hellmuth, Regenbrecht, Frank, Wartenburger, Isabell, Saur, Dorothee, Universität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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