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Qualitätsbeurteilung der Messung systolischer Zeitintervalle in der neonatologischen Praxis durch Analyse der inter- und intraindividuellen Reliabilität: prospektive klinische Studie

Eine der häufigsten diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen der Neonatologie stellen kardiovaskuläre Pathologien und im Rahmen dessen Kreislaufdysregulationen bei Neugeborenen dar. Eine adäquate postnatale Kreislaufadaptation ist entscheidend für das Überleben der Kinder.3 Die Echokardiographie ist dabei ein außerordentlich bedeutendes diagnostisches Mittel zur Beurteilung der hämodynamischen Situation der Neonaten. Über die beste diagnostische Methode gibt es bisher keinen Konsens. In der vorliegenden Arbeit wurde die Wiederholbarkeit (repeatability) und die Verlässlichkeit (reliability) der dopplersonographischen Messung systolischer Zeitintervalle analysiert. Die Messung der STIs ist einfach. Sie erfordert neben der dopplersonographischen Erhebung der Flussprofile der Semilunarklappen lediglich eine parallele EKG-Ableitung. Die Präejektionsphase (PEP) umfasst das Zeitintervall ab der Ventrikeldepolarisation bis zum Beginn der Austreibungsphase. Die linksventrikuläre Ejektionsphase (LVET) ist begrenzt durch Öffnung und Schluss der Aortenklappe und die rechtsventrikuläre Ejektionsphase (RVET) entsprechend durch das Öffnen und Schließen der Pulmonalklappe.2,15,16

Die STI-Messung stellt somit eine nicht-invasive Möglichkeit dar, die globale Herzfunktion zu beurteilen1,2,14,19, weshalb die Methode deutschlandweit an mehreren Universitätskliniken routinemäßig angewandt wird. Aktuelle Studien haben die Reproduzierbarkeit der STIs hinterfragt, ausführliche statistische Analysen dahingehend gibt es nicht. Das vorrangige Bestreben dieser Arbeit war, die Reliabilität der STIs anhand einer aussagekräftigen Kohorte und differenziert nach möglichen Einflussfaktoren zu überprüfen. Unseres Wissens nach, ist dies die erste Arbeit, die sich derart spezifisch, nicht nur mit der intra-, sondern auch der interindividuellen Übereinstimmung und Reproduzierbarkeit wiederholter STI-Messungen auseinandersetzt. Die statistische Auswertung erfolgte mittels Bland et. Altmann plots, mit Hilfe des Repeatability Koeffizienten (Wiederholbarkeitskoeffizient), des Repeatability Index (Wiederholbarkeitsindex) und dem Kappa Koeffizienten nach Cohen.
Im Zeitraum vom 06.10.2016 bis zum 09.02.2018 wurden in der neonatologischen Abteilung der Universitätsklinik Leipzig alle Kinder, die in der klinischen Arbeit routinemäßig oder indikationsbezogen eine Echokardiographie erhielten, als mögliche Teilnehmer der Studie erfasst. So konnte ein umfangreicher Datensatz mit 98 Teiluntersuchungen zu je drei Messungen an insgesamt 75 Probanden erhoben werden. Die Möglichkeit sowohl einer doppelten Messung durch den ersten Untersucher, als auch einer zeitnahen Kontrollmessung (verblindet) durch einen zweiten Untersucher innerhalb einer maximalen Untersuchungsdauer von 10 Minuten war dabei Voraussetzung. Ein probandenbezogener Studienabbruch aufgrund unerwarteter Ereignisse, wie starker Unruhe, ersichtlichen Schmerzen oder vermutetem Unwohlsein, trat nicht ein. Auf gleichbleibende Untersuchungsvoraussetzungen wurde strikt geachtet. Die Dokumentation fand auf zuvor ausgearbeiteten Bögen statt. Neben den STIs wurden sämtliche unseres Erachtens nach entscheidenden Einflussfaktoren festgehalten, insbesondere die Agitiertheit der Patienten während der Untersuchung, sowie die Herzfrequenz, aber auch Charakteristika wie das Vorhandensein eines PDA, Katecholamin-, oder Beatmungstherapie, Gestationsalter, Geburtsgewicht u.v.m. Diese Faktoren wurden vor Studienbeginn anhand klinischer Erfahrungen festgelegt.

Die Arbeit demonstriert die Ergebnisse einer höchst differenzierten statistischen Auswertung des Datensatzes. Zunächst erfolgte die Generierung von Bland et. Altmann Diagrammen zur Veranschaulichung der Schwankungsbreite der Differenzen zwischen den intraindividuell/ interindividuell wiederholten Messwerten der STIs. Systematische Messfehler konnten dadurch ausgeschlossen werden. Anschließend erfolgte eine erste explizite Analyse der Reproduzierbarkeit mit Hilfe des Repeatability Coefficient (RC). Er beschreibt den Erwartungswert, unter dem mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% die absolute Differenz zwischen zwei Ergebnissen einer wiederholten STI-Analyse liegt.40 Der Repeatybility index (RI) ist das Ergebnis der Division des RC durch den Mittelwert aller Messungen. Er stellt somit das Verhältnis der doppelten Standardabweichung des Mittelwertes der Differenzen sämtlicher Messungen gegenüber dem Mittelwert der Ergebnisse aller Messungen dar.31 Außerdem analysierten wir die Daten durch den Koeffizienten nach Kappa qualitativ. Der Wert beschreibt das Verhältnis zwischen der zufällig zu erwartenden Übereinstimmung pe und der tatsächlich beobachteten Übereinstimmung.41
Es erfolgte in jeder Untersuchung zunächst die Analyse des gesamten Datensatzes, anschließend gefiltert nach entsprechenden Kategorien hinsichtlich festgelegter möglicher Einflussfaktoren. Bei der RC-, RI-, sowie der Cohens Kappa-Analyse filterten wir die Daten in einer zusätzlichen Auswertung nach gleichbleibenden Untersuchungsvoraussetzungen bezüglich Agitiertheit und Herzfrequenz des Neugeborenen währen der Untersuchung.
Die Mehrheit der Ausreißer in den Bland et. Altmann Diagrammen waren Frühgeborene. Ein weiteres häufig assoziiertes Charakteristikum der aberranten Werte in der Bland et Altmann Analyse war ein GG<1500 g. Bei sämtlichen STI-Betrachtungen lagen >90% der Differenzen innerhalb des jeweiligen 95%-Konfidenzintervalls. Bezüglich der Repeatability Indices (RI) konnte zunächst gezeigt werden, dass nur die intraindividuell wiederholten VET-Messungen im Akzeptanzbereich RI≤0,1 lagen. Dieser Wert wurde bei Ermangelung eines offiziellen Richtwertes in der Literatur durch uns festgelegt. Nachdem die Kohorte bzgl. gleichbleibender HF und unveränderter Vigilanz selektiert wurde, war auch die interindividuelle LVET-Messung ausreichend reproduzierbar. Bei der anschließenden Analyse der akzeptablen RIs hinsichtlich möglicher Einflussfaktoren, wurden die schlechtesten RIs zumeist in der Kategorie Geburtsgewicht (Subgruppe GG <1500g) bzw. APGAR (Subgruppe 5-Minuten APGAR von 5-7) detektiert.

Kinder mit einem GG ≥ 1500g oder einem APGAR ≥ 8 erzielten innerhalb der akzeptablen RIs äußerst zufriedenstellende Werte. Die statistische Auswertung der Daten anhand des Kappa- Koeffizienten nach Cohen zeigte ebenfalls eine ausgeprägte Reliabilität der intraindividuellen VET-Messungen. Sowohl in der Gesamtheit aller Untersuchungen, als auch selektiert nach gleichbleibender HF und Vigilanz. Auch die Kappa Werte wiesen auf eine besonders hohe Reliabilität der STI-Messungen bei Probanden mit einem APGAR-Wert ≥8 und einem GG≥1500g hin.
Insgesamt muss jedoch gesagt werden, dass keine klaren Tendenzen in den nach Kategorien gefilterten Daten feststellbar waren. Weder bei der RI-, noch bei der Kappa-Analyse waren klare Trends in den Subgruppenanalysen erkennbar. Es gab vereinzelt Hinweise auf einen möglichen Einfluss der einzelnen Charakteristika.
Die untersuchte Methode ist simpel, kostensparend, leicht zu erlernen, ubiquitär verfügbar und nicht invasiv. Verlaufsbeurteilungen sind möglich. Der Messung systolischer Zeitintervalle wird in der aktuellen Literatur vergleichend zu anderen echokardiographisch eruierbaren Parametern teilweise eine bessere (vgl. Varianzanalyse zu LVEF, GLS)16, teilweise eine schlechtere Reproduzierbarkeit zugesprochen (vgl. RI-Erhebung zu Flussmessung ACA, CA und LA/Ao-ratio).31

Langfristig wird in größeren Studien untersucht werden müssen, ob sich die STI Erhebung gegenüber neueren Methoden, wie beispielsweise der seit einigen Jahren populären Speckle- strain-Echokardiographie, durchsetzen kann.
Die vorliegende Studie hat zu wichtigen Erkenntnissen bezüglich der klinischen Anwendbarkeit der STI-Erhebung geführt. Die wichtigste Erkenntnis für den klinischen Alltag ist, dass nur die dopplersonographische VET-Ermittlung eine ausreichende Reproduzierbarkeit und damit diagnostische Verlässlichkeit gewährleistet. Die PEP hat im optimalen Fall eine moderate Verlässlichkeit geboten. Zudem zeigten intraindividuell wiederholte Messungen in der Regel eine höhere Übereinstimmung. Auch ein 5-Minuten-APGAR ≥8, sowie ein Geburtsgewicht ≥1500g scheinen die Übereinstimmung der Messungen positiv zu beeinflussen. Umgekehrt verringern ein 5-Minuten-APGAR <8 und ein GG<1500g, sowie Frühgeburtlichkeit die Genauigkeit. Es gilt zu erwähnen, dass eine Ko-Abhängigkeit zwischen den Faktoren besteht.
Entsprechend kann die VET-Messung als Standarddiagnostikum im Alltag auf neonatologischen Stationen zur Beurteilung des hämodynamischen Status Neugeborener in Betracht gezogen werden, insbesondere, wenn die Individuen ein GG≥1500g und einen 5- Minuten-APGAR-Wert≥8 aufweisen. Derzeit gibt es dahingehend noch keine generellen Empfehlungen.:1. Abkürzungsverzeichnis
2. Einführung 1
2.1 Herzmechanik 1
2.2 Herz- und Kreislauffunktion in der Neonatologie 2
2.3 Systolische Zeitintervalle 3
2.3.1 Allgemeines 4
2.3.2 Bedeutung systolischer Zeitintervalle in der Diagnostik des hsPDA 7
3. Aufgabenstellung 9

4. Material/Methodik 10
4.1 Patientenkollektiv 10
4.2 Datenerhebung und Dokumentation 11
4.3 Theorie und Durchführung der Echokardiographie zur STI-Ermittlung 14
4.4 Grundlagen zur Statistik 16
4.4.1 Allgemeine Statistik 16
4.4.2 Bland et Altmann Plots 16
4.4.3 Repeatability Coefficient and Repeatability Index 18
4.4.4 Cohen’s Kappa coefficient 20 

5. Ergebnisse 24
5.1 Basisdaten 24
5.2 Übersicht der Ergebnisse der Messungen der STIs 26
5.2.1 Untersuchungsvoraussetzungen 26
5.2.2 Übersicht zur durchschnittlichen Dauer der erhobenen STIs und zu den ermittelten WR 28
5.3 Betrachtung der Daten mittels Bland et Altmann plots 29
5.4 Inter-/Intraindividuelle Wiederholbarkeit anhand des RC und dem RI 32 
 5.5 Inter-/Intraindividuelle Wiederholbarkeit anhand des RC und dem RI bei gleichbleibenden Voraussetzungen hinsichtlich HF und Agitiertheit 38 
 5.6 Inter-/Intraindividuelle Wiederholbarkeit anhand des Cohens Kappa Koeffizienten 46
5.7 Inter-/Intraindividuelle Wiederholbarkeit anhand des Cohens Kappa Koeffizienten bei 
gleichbleibenden Voraussetzungen hinsichtlich HF und Agitiertheit 54 
 5.8 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 61
6. Diskussion 62
Zusammenfassung 71
Abbildungsverzeichnis 76
9. Tabellenverzeichnis 77
10. Literaturverzeichnis 79
11. Anhang 83
12. Selbstständigkeitserklärung 85
13. Lebenslauf 86
Danksagung 89

Identiferoai:union.ndltd.org:DRESDEN/oai:qucosa:de:qucosa:76164
Date06 October 2021
CreatorsIsberner, Riekje
ContributorsUniversität Leipzig
Source SetsHochschulschriftenserver (HSSS) der SLUB Dresden
LanguageGerman
Detected LanguageGerman
Typeinfo:eu-repo/semantics/publishedVersion, doc-type:doctoralThesis, info:eu-repo/semantics/doctoralThesis, doc-type:Text
Rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess

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