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Vergleichende histomorphologische Analyse der Aortenwand bei Patienten mit bikuspider und trikuspider AortenklappeArmonies, Sarah 29 April 2019 (has links)
Hintergrund:
Mit einer Prävalenz von 0,5 – 2% ist die bikuspide Aortenklappe (BAV; engl. Bicuspid Aortic Valve) die häufigste angeborene Anomalie des Herzens (Roberts, 1969; Larson und Edwards, 1983; Tutar et al., 2005; Ward, 2000; Masri et al., 2017). Vorrangig sind mit einem Verhältnis von 3:1 Männer von dieser Pathologie betroffen (Masri et al., 2017). In diversen BAV-Studien finden sich Assoziationen mit dem Vorliegen von Aortenklappenstenose (AS), Aortenklappeninsuffizienz (AI), Aortenisthmusstenose, infektiöser Endokarditis sowie Dilatation und Dissektion der proximalen Aorta (Roberts, 1969; Fedak et al., 2002). Aufgrund der Assoziation der BAV zu Aneurysmen der Aorta asc. und der potenziellen, lebensbedrohlichen Komplikation einer akuten Aortendissektionen Typ A wird die Erkrankung als eine Aortopathie beschrieben (Mordi und Tzemos, 2012). So wird mit dem Vorliegen einer BAV gegenüber TAV ein acht- bis neunmal höheres Risiko für Aortendissektionen verbunden (Larson und Edwards, 1983 ; Michelena et al., 2011). Der Entstehungsmechanismus dieser vermehrten Dilatationen konnte bislang nicht ausreichend geklärt werden.
Im wissenschaftlichen Diskurs werden vor allem zwei Hypothesen zur Entstehung von Dilatationen und Dissektionen der proximalen Aorta in Zusammenhang mit der BAV diskutiert: (1) hämodynamische Alterationen führen zur Dilatation der Aorta, und (2) mögliche genetische Veränderungen in Strukturproteinen äußern sich in einer Schwächung und Ausdünnung der Aortenwand (Mordi und Tzemos, 2012; Stock et al., 2017; Borger et al., 2004).
Die erste Hypothese basiert auf zahlreichen Studien, die veränderte Blutflüsse im 4D MRT bei Probanden mit einer BAV darstellen konnten (Hope et al., 2010; Meierhofer et al., 2013; Mahadevia et al., 2014; Lorenz et al., 2014). So wurden abnorme helikale Blutströmungen im Bereich der proximalen Aorta von BAV nachgewiesen, welche einen vermehrten Stress der Aortenwand, den sog. wall shear stress, verursachen und möglicherweise ursächlich für Dilatationen sowie eine deutliche Degeneration der elastischen Fasern sind (Meierhofer et al., 2013; Hope et al., 2010; Guzzardi et al., 2015). Der zweiten Hypothese liegt die Annahme zugrunde, dass die Erkrankung der BAV erblich sei und die assoziierten Pathologien und somit auch die Dilatation einen genetischen Ursprung haben. So stellten Cripe et al. in einer Untersuchung von 50 Probanden eine Erblichkeit der BAV von 0,89 fest (Cripe et al., 2004). Weiter konnte in einer Studie aus dem Jahre 2007 ein Zusammenhang zwischen Mutationen im NOTCH1 Gen, welches für einen Transmembranrezeptor codiert, der über intrazelluläre Signalkaskaden an der Zelldifferenzierung beteiligt ist, und der Entstehung von thorakalen Aneurysmen festgestellt werden (McKellar et al., 2007). Trotz dieser Belege muss jedoch zusammenfassend konstatiert werden, dass es bis heute nicht gelungen ist, ein spezifisches Gen als verantwortlich für die Erkrankung der BAV zu identifizieren (Giusti et al., 2017).
Um die Genese der Dilatation von BAV-Aorten weiter zu analysieren wurden bereits Wandproben histopathologisch untersucht. So konnten Analysen zeigen, dass die Aortenwand der BAV weniger Veränderungen aufweist, als die der TAV-Vergleichsgruppe. Histologisch wurden dabei Veränderungen wie Fibrose, Arteriosklerose, Medianekrose, Orientierung der glatten Muskelzellen, Fragmentierung der elastischen Fasern und Inflammation untersucht (Bechtel et al., 2003). Auch in einer aktuelleren Untersuchung dilatierter Aorten konnte gezeigt werden, dass die generelle Struktur der Aorten (TAV und BAV) durch eine Reduktion der smooth muscle cells (SMC), einen vermehrten fibrotischen Umbau und den Verlust der Faserorientierung zerstört war. Die Proben der TAV-Aorten waren im Bereich der Media deutlich verändert (Blunder et al., 2011). Zudem wiesen weitere Studien eine schwerwiegendere Degeneration der Media bei dilatierten Aorten von TAV-Patienten nach (Heng et al., 2015). Neben diesen Veränderungen können aber auch arteriosklerotische Läsionen und die daraus folgenden inflammatorischen Prozesse zur Ausbildung von Dilatationen der Aorta führen (Ladich et al., 2016). Insbesondere Caveolin (20 kDa), ein Hauptprotein der Caveolae, scheint an der Pathogenese von Neoplasien, der Arteriosklerose oder der Ausbildung neointimaler Läsionen beteiligt zu sein (Spisni et al., 2005; Rothberg et al., 1992; Williams und Lisanti, 2009). So ist es nicht nur vorwiegend im kardiovaskulären System zu finden (Zhu et al., 2016), sondern auch für die Aufnahme von LDL in den subendothelialen Raum verantwortlich, womit eine direkte Beteiligung von Caveolin-1 bei der Entstehung früher arteriosklerotischen Stadien postuliert wird (Pavlides et al., 2014).
Fragestellung:
1. In einer retrospektiven Analyse sollen Unterschiede im Vergleich trikuspider und bikuspider Patientendaten sowie Besonderheiten der BAV-Gruppe detektiert werden und eine Einordnung in die aktuelle Studienlage erfolgen.
2. Es erfolgt eine histomorphologische Untersuchung dilatierter trikuspider und bikuspider Aortenwänden. Im Fokus der Analyse stehen Veränderungen im Aufbau der Aortenwand, dem Vorhandensein arteriosklerotische Läsionen und inflammatorischer Prozesse, die an der Dilatation beteilgt sein könnten. Sind diese Veränderungen bei BAV und TAV-Aorten zu gleichen Anteilen zu finden? Zeichnet sich ein Verlust der glatten Muskelzellen und elastischen Lamellen ab? Und finden sich darin unterschiedliche Ausprägungen bei BAV und TAV-Aorten?
Methoden:
Es wurden 1516 Patientendaten retrospektiv untersucht, die zwischen 01/2012 und 03/2015 am Herzzentrum Leipzig einen Ersatz der Aortenklappe mit oder ohne zusätzliche Operation der proximalen Aorta erhielten. Für die vergleichende statistische Analyse wurden signifikante Unterschiede zwischen beiden Patientengruppen unter Nutzung des Students t-Tests sowie des Chi-Quadrat- Tests ermittelt. Im Rahmen dieser Auswertung wurde ein Wert von p ≤ 0.05 als signifikant angenommen. Untersuchungsgegenstand waren dabei das Geschlecht, Alter, die Nebendiagnosen, der Aortendurchmesser sowie die Art des operativen Eingriffes.
Für die histomorphologische Analyse wurden dilatierte Aortenproben im Rahmen des chirurgischen Aortenersatzes entnommen und untersucht. Nachfolgend wurden alle Proben in die Gruppen BAV und TAV unterteilt. Die histomorphologische Analyse umfasste drei histologische und eine immunhistochemische Färbung. Dafür wurden 20 Präparate mittels Sudan-IV, 73 Proben mittels der HE-Färbung und weitere 37 Proben mittels der Elastika-Färbung angefärbt und anschießend hinsichtlich des Aufbaus der Aortenwände, arteriosklerotischer Läsionen, Verluste an SMC und der Degradation elastischer Lamellen analysiert. Ergänzend erfolgte die immunhistochemische Untersuchung von Alpha smooth muscle actin, als Strukturmarker, und Caveolin-1 als Marker der Arteriosklerose.
Ergebnisse:
Die retrospektive statistische Analyse verdeutlichte eine Reihe signifikanter Unterschiede zwischen beiden Gruppen. So wiesen die BAV-Patienten einen höheren Anteil an Männern, größere Aortendurchmesser, ein jüngeres Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation sowie weniger begleitende AS, bei mehr kombinierten Klappenvitien als die trikuspide Vergleichsgruppe auf. Weiter erhielten signifikant mehr TAV-Patienten einen Aortenklappenersatz, während BAV-Patienten neben dem Aortenklappenersatz signifikant häufiger einen zusätzlichen Ersatz der Aorta asc. erhielten.
Die makroskopische Analyse der TAV-Aorten zeigte deutliche Lipidauflagerungen im Bereich der gesamten Aorta, sodass die Gefäßoberfläche unregelmäßig erschien. Vergleichbare Unregelmäßigkeiten der Oberflächenstruktur waren in der Betrachtung der bikuspiden Aorta nicht erkennbar. Sie stellte sich glattwandig dar und wies keine Anzeichen von Ulzerationen auf. In der weiteren histomorphologischen Analyse waren pathologische Veränderungen in der Grundstruktur der Aortenwände signifikant häufiger bei TAV-Aorten detektierbar. Die pathologische Verbreiterung der Tunica intima als Ausdruck von arteriosklerotischen Läsionen (Wu et al., 2017; Weissberg, 1999) sowie (vor allem schwerwiegende) arteriosklerotische Veränderungen waren ebenfalls signifikant häufiger TAV-Patienten zuzuordnen. So ließen sich etwa komplizierte Läsionen (wie die Einlagerung von Cholesterinkristallen) ausschließlich bei TAV-Aorten beobachten. Ein weiteres Ergebnis der vorliegenden Untersuchung war, dass BAV-Proben signifikant öfter geschlängelte Lamellen als Ausdruck einer normgerechten Media aufwiesen. Im Gegensatz dazu, wurde in der Auswertung deutlich, dass rudimentäre Areale mit kleinen Gruppen elastischer Lamellen ausschließlich bei Präparaten der TAV-Gruppe erkennbar waren, was sich als signifikanter Unterschied zwischen der bikuspiden und trikuspiden Gruppe zu bewerten ist. So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die trikuspiden Aorten quantitativ sowie qualitativ schwerwiegendere Veränderungen der elastischen Lamellen aufwiesen, während die BAV-Aorten eine weniger veränderte Tunica media aufzeigten. Die Analyse der immunhistochemischen Färbung zeigte - in der Intima wie auch Media - keine signifikanten Unterschiede zwischen den BAV– und TAV–Proben. Dem hinzuzufügen ist allerdings, dass im Hinblick auf die Verteilung deutlich mehr bikuspide Aorten einen geringen Anteil an Caveolin-1 aufwiesen, wohingegen die TAV-Aorten häufiger ein reiches Vorkommen an Cavoelin-1 aufzeigten. Weiter konnte festgestellt werden, dass Caveolin-1 als Marker der Arteriosklerose, insbesondere in der Intima vertreten war.
Diskussion:
Die beschriebenen Unterschiede in der Alters- und Geschlechterverteilung, dem Aortendurchmesser und der Art des operativen Eingriffes können als Hinweise auf eine verschiedene Genese in der Dilatation der Aorta asc. von BAV und TAV-Patienten gewertet werden. So machten Eleid et al. darauf aufmerksam, dass die Ursache bei TAV-Patienten möglicherweise in der Kombination von durchschnittlich höheren Alter und vermehrter Arteriosklerose liegen kann (Eleid et al., 2013). Die Ergebnisse der vorliegenden histomorphologischen Untersuchung lassen einen ähnlichen Rückschluss zu. Dies gilt auch für die Erkenntnis von Michelena et al., wonach die Formation von bikuspiden Aortenaneurysmata unabhängig von Arteriosklerose und Alter sei, dafür aber eine hämodynamische Ursache durchaus denkbar wäre (Michelena et al., 2011). Möglicherweise liegen Veränderungen in der Tunica media der BAV-Aorten den vermehrten Dilatationen der Aorta asc. und nachfolgenden Dissektionen zu Grunde (Sa et al., 1999; Eleid et al., 2013). Eine solche Assoziation konnte durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht festgestellt werden. Vielmehr zeigten sich signifikante histomorphologische Veränderungen der Tunica media der TAV-Gruppe, während die Aortenwände der BAV-Proben signifikant weniger strukturelle Defizite aufwiesen. Dies steht in Einklang mit den Erkenntnissen anderer Studien, in denen deutliche Degenerationen der Tunica media in dilatierten trikuspiden Aorten nachgewiesen worden (Waters et al., 2017). Vor dem Hintergrund vergleichbarer Ergebnisse machten Heng et al. auf ein möglicherweise weniger aggressives chirurgisches Vorgehen an der Aorta asc. bei BAV aufmerksam (Heng et al., 2015). Im Gegensatz dazu legten Leone et al. nahe, eine frühe chirurgische Intervention an der Aorta asc. zur Prävention weiterer Dilatationen oder gar Dissektionen in Betracht zu ziehen. Dies beruht jedoch auf Ergebnissen, in der deutlich veränderte Aortenwände von BAV-Proben nachgewiesen wurden (Leone et al., 2011). Unter Berücksichtigung der signifikant häufiger fragmentierten elastischen Lamellen in der TAV-Gruppe und der daraus resultierenden pathologisch Veränderungen in der Tunica media erscheint eine erneute Bewertung des Zeitpunktes einer chirurgischen Intervention der Aorta asc. bei TAV und BAV angemessen. Hinweise auf funktionell veränderte elastische Lamellen in Proben der BAV fanden sich wenig bis gar nicht. In der Folge liegen genetisch determinierte Strukturveränderungen als Ursache der Dilatationen bei BAV, wie sie etwa McKellar et al. beschrieben, auf Basis der hier verwendeten Proben weniger nahe (McKellar et al., 2007). Zwar waren in der vorliegenden Analyse kleine Unterschiede zwischen den konvexen und konkaven BAV-Proben zu erkennen, jedoch lassen sich diese nicht als signifikant werten. Dennoch können diese als Hinweis für lokal unterschiedlichen Belastungen der Aortenwand angenommen werden (Bissell et al., 2013; Guzzardi et al., 2015; Barker et al., 2012). Die in der Folge aufgrund des lokalen wall shear stress zu einer Degeneration der Tunica media führen können ( Bissell et al., 2013; Guzzardi et al., 2015 ; Atkins et al., 2014). Es bedarf demnach weiterführenden Untersuchungen, um Assoziationen zwischen vermehrten wall shear stress und strukturellen Veränderungen bei BAV-Aorten zu untersuchen.
Schlussfolgerung:
Die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit haben gezeigt, dass die Erkrankung der bikuspiden Aortenklappe eine komplexe, kombinierte Erkrankung der Aortenklappe und der proximalen Aorta ist, die ein chirurgisches Vorgehen erfordert.
Weiter geben die Ergebnisse Hinweise auf unterschiedliche Pathomechanismen in der Genese der Dilatation der Aorta asc. von BAV und TAV-Patienten. So scheinen arteriosklerotische Prozesse an der Dilatation der trikuspiden Aorta beteiligt zu sein, während bikuspide Aorten keine solche Assoziation aufwiesen. Außerdem sollte aufgrund der stark veränderten und zerstörten Struktur der Aortenwand bei TAV Patienten über eine Anpassung der Cut-off Durchmessers zur chirurgischen Intervention nachgedacht werden.
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