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Erholungsförderliche Arbeitsgestaltung: Potentiale für die Fachkräftesicherung in Pflegeberufen: Potential for staff retention in nursing professions

Wendsche, Johannes 17 October 2024 (has links)
Gesellschaftliche und technische Entwicklungen der letzten Jahre haben nicht nur unseren privaten Alltag, sondern auch unsere Arbeitswelt verändert. Dies stellt das Personalmanagement von Unternehmen vor neue Herausforderungen. Es geht auch um die Frage, wie Fähigkeiten von Mitarbeitern optimal in Arbeitstätigkeiten eingesetzt und weiterentwickelt werden können und unter welchen Arbeitsorganisationsbedingungen sich synergetische Effekte ergeben. Sowohl aus der Perspektive des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aber auch aus wirtschafts- und kostengetriebener Motivation sind Unternehmen daran interessiert, fähige und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu behalten. Eine gute Gesundheit, eine hohe Arbeitszufriedenheit sowie eine hohe organisationale und berufliche Bindung der Mitarbeiter bilden für die Fachkräftesicherung eine essentielle Grundlage. Die angesprochenen Veränderungen beeinflussen die Arbeit in Pflegeberufen in besonders umfassender Hinsicht. Dies betrifft beispielsweise Veränderungen im Arbeitsgegenstand , in der Arbeitsorganisation und im Geschäftsmodell der Arbeitgeber. Formen der Rationalisierung von Arbeit, beispielsweise durch vollständige oder unterstützende Digitalisierung und Technisierung von Arbeitsprozessen, haben allerdings bisher kaum zu einer Reduktion der Belastungs- und Beanspruchungssituation von Pflegekräften in Deutschland geführt. Der Pflegeberuf in Krankenhäusern oder Altenpflegeeinrichtungen birgt daher im Vergleich zu anderen Berufen erhöhte Risiken für gesundheitliche Beeinträchtigungen und in Folge überdurchschnittlich hohen Krankenstände. Das Risiko einer folglich unzureichenden Personalausstattung und damit einer Verschärfung der Belastungssituation wird zusätzlich durch die geringe Attraktivität des Pflegeberufes weiter erhöht. Es ist daher wenig überraschend, dass viele Studien mit Pflegekräften stark ausgeprägte Wünsche nach organisationalen oder beruflichen Wechseln finden. Es stellt sich also die Frage, welche Formen der Arbeits- und Organisationsgestaltung sowohl die Gesundheit als auch die Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten förderlich beeinflussen und somit zur Fachkräftesicherung, insbesondere in Pflegeberufen, beitragen. Aus verschiedenen stresstheoretischen Modellen lässt sich ableiten, dass Erholung von der Arbeit eine solche Gestaltungsgröße darstellen kann. Die Organisation von Erholungsgelegenheiten kann durch das Personalmanagement sowohl kontextuell, zeitlich als auch inhaltlich während der Arbeit und nach der Arbeit beeinflusst werden. Ziel dieser Arbeit ist es, solche erholungsförderlichen Gestaltungsmöglichkeiten berufsübergreifend und vertiefend im Kontext von Pflegeberufen genauer zu untersuchen und ihr Potential für die Fachkräftesicherung abzuschätzen. Im Rahmen einer ersten Studienreihe prüfte ich zunächst, welche arbeitsbedingten und organisationalen Einflussgrößen die Gesundheit, die Einstellung zur Arbeit als auch die organisationale und die berufliche Wechselabsicht von Pflegekräften beeinflussen (Kapitel 3, Studie 1 bis 3). Auswertungen von Daten der ODEM-Studie mit einer repräsentativen Stichprobe sächsischer Altenpflegekräfte zeigen, dass hohe Arbeitsanforderungen und geringe Arbeitsressourcen negativ mit der Arbeitszufriedenheit und der selbstberichteten Gesundheit der Pflegekräfte zusammenhängen und insbesondere die Abnahme der Arbeitszufriedenheit berufliche und organisationale Wechselabsichten bei Pflegekräften erhöht. Weiterhin zeigte sich, dass eine stark ausgeprägte Burnoutsyndromatik, die bereits in vorherigen Studien als Risikofaktor für einen beruflichen Frühausstieg erkannt wurde, auch mit gesundheitlichen Veränderungen auf physiologischer Ebene (Haarkortisolspiegel) einhergeht. Eine weitere Erkenntnis lag darin, dass je nach Pflegekontext ganz spezifische arbeitsbedingte Risikofaktoren für mögliche Probleme mit der Fachkräftesicherung identifiziert wurden. Diese sollten bei der Ableitung erholungsbezogener Interventionsprogrammen im Arbeitskontext berücksichtigt werden. In einer zweiten und dritten Studienreihe prüfte ich, ob Erholung während der Arbeit (Kapitel 4: Studien 4 bis 9) und nach der Arbeit (Kapitel 5: Studien 10 bis 15) mit relevanten Kriterien der Fachkräftesicherung zusammenhängen. Teilweise wurden in den Studien auch Beziehungen zur Arbeitsleistung untersucht, um betrieblichen Akteuren wirtschaftsorientierte Argumente für die Einbettung erholungsförderlicherer Organisationsformen und Arbeitsgestaltungsmaßnahmen zu liefern. Des Weiteren untersuchte ich Wechselbeziehungen zu den bereits vorher als bedeutsam identifizierten arbeitsbedingten sowie organisationalen Einflussgrößen auf die Fachkräftesicherung, um Erkenntnisse über die Notwendigkeit betrieblich situativer Anpassungsstrategien zu erlangen. In den Studien wurden dabei vielfältige Untersuchungsmethoden angewendet, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht zu werden: systematische Übersichtsarbeiten sowie Primärstudien, pflegespezifische Studien im Raum Sachsen und Mitteldeutschland sowie repräsentative Studien für die deutsche Erwerbsbevölkerung, Befragungsstudien als auch Beobachtungs- und Dokumentenstudien. Im Hinblick auf die Erholung während der Arbeit zeigen die Studien, dass Arbeitspausen das Risiko für körperliche Beeinträchtigungen und psychosomatische Beschwerden sowie für Fehler in der Arbeit reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden der Beschäftigten verbessern. Insbesondere soziale Pausen im Team als auch regelmäßige, ausreichend lange und unterbrechungsfreie Pausen konnten als besonders wirksame Gestaltungsformen zur Sicherung des Fachkräftepotentials identifiziert werden. Auch hier gab es Hinweise, dass in spezifischen Pflegekontexten ein dringender Gestaltungsbedarf besteht. Weiterhin zeigte sich, dass unter hohen quantitativen Arbeitsanforderungen das Risiko steigt, dass Pflegekräfte auf ihre gesetzlich verpflichtenden Pausen verzichten (müssen), obwohl diese gerade unter solchen Arbeitsbedingungen nötig wären. Dieser Befund deckt sich mit den aktuellen Erkenntnissen anderer Forschergruppen und wird als „Erholungsparadox“ bezeichnet. Das Phänomen konnte in meiner dritten Studienreihe auch für Formen der Erholung nach der Arbeit repliziert werden. Dabei untersuchte ich erstens, unter welchen Bedingungen und mittels welcher verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen es gelingt, sich ausreichend mental von der Arbeit zu distanzieren und zweitens, welche Faktoren Beschäftigte dazu antreiben, freiwillig oder gezwungener Maßen auch in ihrer Ruhezeit zu arbeiten. Insgesamt zeigten sich in meinen Untersuchungen dabei ähnliche Befundmuster wie für die Gestaltung von Ruhepausen. Das Abschalten von der Arbeit während der Ruhezeit hängt mit zahlreichen gewünschten Wirkungen beim Beschäftigten zusammen: einem höheren psychischen und körperlichen Wohlbefinden, einer höheren Arbeitszufriedenheit und einer höheren Arbeitsleistung. Hohe quantitative und emotionale Anforderungen sowie geringe aufgabenbezogene und soziale Arbeitsressourcen beeinträchtigen das Abschalten allerdings, teilweise auch indirekt über eine erhöhte Arbeitsextensivierung. In einer Studie stellten wir fest, dass Risiken der Arbeitsextensivierung und Arbeitsintensivierung allerdings nicht nur allein durch hohe quantitative Anforderungen angetrieben werden, sondern sich zusätzlich verschärfen, wenn besonders hochmotivierende und lernförderliche Arbeitsbedingungen existieren. Es zeigt sich auch hier, dass kontextspezifische Arbeits- und Organisationsbedingungen existieren, die die Erholung befördern bzw. beeinträchtigen können. Zusätzlich konnten wir in einer Metaanalyse zahlreiche Erfolgsfaktoren für die Gestaltung von Interventionen zur Verbesserung des mentalen Abschaltens von der Arbeit identifizieren. Onlinetrainings waren beispielsweise genauso effektiv wie klassische Face-to-Face-Trainings. Dies weckt die Hoffnung, dass durch solche kostengünstigen und flexibel nutzbaren Trainingsformate die Erholung sehr vieler Beschäftigter im Rahmen von Primär-, Sekundär- oder Tertiärpräventionsmaßnahmen verbessert werden kann. Der aktuelle Wandel der Arbeit birgt besondere Risiken für die Gesundheit und Motivation von Arbeitskräften, insbesondere in Pflegeberufen. Dies stellt das Personalmanagement hinsichtlich der Sicherung ihres aktiv einsetzbaren Personalbestandes vor große Herausforderungen. In meinen Arbeiten zeige ich, dass eine erholungsförderliche Arbeits- und Organisationsgestaltung einen möglichen Lösungsweg ebnet. Es wird allerdings deutlich, dass Organisationen sich nicht darauf ausruhen sollten, lediglich die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards für Erholung zu gewährleisten. Vielmehr ist es nötig, die aus dem organisationalen Kontext resultierenden arbeitsbedingten Risikofaktoren für die Erholung von Mitarbeitern zu minimieren und dadurch langfristig förderliche Wirkungen für die Fachkräftesicherung zu reduzieren.:Inhalt Vorwort und Danksagung 3 Zusammenfassung 7 Summary 11 1. Einführung und theoretischer Hintergrund 15 1.1 Zur Fachkräftesituation in Pflegeberufen 15 1.2 Ansatzstellen zur Fachkräftesicherung in Pflegeberufen 16 1.3 Theoretische Grundlagen und Erkenntnisse zum Einfluss von Arbeits- und Organisationsmerkmalen auf die Vorbeugung von Personalabgängen und die Beschäftigtengesundheit 25 1.3.1 Organisations- und Berufswechsel 25 1.3.2 Arbeitsbedingungen, Beanspruchungsfolgen und Gesundheit bei beruflich Pflegenden 30 1.4 Rolle der Erholung für die Fachkräftesicherung 39 1.4.1 Komponenten der Erholung 40 1.4.2 Theoretische Ansätze zu Arbeit und Erholung 41 1.4.3 Zentrale Befunde der Erholungsforschung 47 1.5 Erholungsförderliche Arbeitsgestaltung 50 2. Zielstellungen der Arbeit und Studienübersicht 57 3. Einflussfaktoren auf die Gesundheit und die Wechselabsicht von Pflegekräften 63 3.1 Pflegekontextmerkmale als Prädiktoren der Fluktuationsneigung von Altenpflegekräften (Studie 1) 63 3.2 Arbeitsmerkmale, Gesundheit und Arbeitszufriedenheit als Prädiktoren der Fluktuationsneigung von Altenpflegekräften (Studie 2) 64 3.3 Burnoutsyndromatik bei Altenpflegkräften und deren physiologische Stressantwort (Studie 3) 65 4. Erkenntnisse zur Rolle der Erholung während der Arbeit 67 4.1 Ergebnisse aus systematischen Übersichtsarbeiten 67 4.1.1 Einflussfaktoren und Wirkungen der Pausenorganisation bei Pflegekräften (Studie 4) 67 4.1.2 Methoden der Interventionsforschung zur Wirkung von Arbeitspausen (Studie 5) 68 4.2 Ergebnisse aus eigenen Primärstudien 69 4.2.1 Einflussfaktoren und Folgen des Ausfalls gesetzlicher Ruhepausen bei Pflegekräften in Deutschland (Studie 6) 69 4.2.2 Pflegekontext und Pausenorganisation bei Altenpflegefachkräften und deren Zusammenhänge zur Fluktuationsrate (Studie 7) 70 4.2.3 Pausenorganisation als Moderator der Beziehung zwischen Personalbemessung und Fluktuationsrate in der Altenpflege (Studie 8) 71 4.2.4 Pausenorganisation und organisationale Wechselabsicht von Pflegekräften (Studie 9) 72 5. Erkenntnisse zur Rolle der Erholung nach der Arbeit 75 5.1 Ergebnisse aus systematischen Übersichtsarbeiten 75 5.1.1 Metanalyse zu Einflussgrößen und Wirkungen des mentalen Abschaltens von der Arbeit (Studie 10) 75 5.1.2 Detachment als Bindeglied zwischen psychischen Arbeitsanforderungen und ermüdungsrelevanten psychischen Beanspruchungsfolgen: Eine Metaanalyse (Studie 11) 76 5.1.3 Interventionen zur Verbesserung des mentalen Abschaltens von der Arbeit: Eine Metaanalyse (Studie 12) 77 5.2 Ergebnisse aus eigenen Primärstudien 79 5.2.1 Einflussgrößen auf Formen der Arbeitsextensivierung und Arbeitsintensivierung bei deutschen Erwerbstätigen (Studie 13) 79 5.2.2 Prävalenz und Einflussgrößen von Erholungsbeeinträchtigungen bei deutschen Beschäftigten (Studie 14) 80 5.2.3 Mentales Abschalten als Mediator zwischen sozialen Stressoren und dem Wohlbefinden von Altenpflegekräften (Studie 15) 81 6. Diskussion 83 6.1 Zusammenfassung und theoretischer Beitrag 83 6.2 Studienlimitationen und Ausblick auf zukünftige Forschung 89 6.3 Praktische Implikationen 93 6.4 Schlussfolgerungen 94 7. Literaturverzeichnis 95 8. Eigenständigkeitserklärung 115 9. Erklärung zu Eigenanteilen an den Publikationen 117 10. Anhang 121

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