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HLA-Antigene und -Haplotypen als Risikofaktoren für HPV-getriebene Kopf-Hals-Karzinome (HNSCC) und deren Einfluss auf den BehandlungserfolgVetter, Nathalie 06 November 2024 (has links)
Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich, insbesondere HPV-assoziierte HNSCC, sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus onkologischer Forschung gerückt. Während sich die Untersuchungen zunächst überwiegend auf die Identifizierung und Bestätigung lebensstilassoziierter Risikofaktoren wie Tabak- und Alkoholkonsum konzentrierten, die inzwischen als gesicherte und dominierende Risikofaktoren gelten, erlangten im Verlauf die huma-nen Papillomviren zunehmende Aufmerksamkeit. Auch der kausale Zusammenhang zwischen HPV und HNSCC (vor allem OPSCC) wird inzwischen nicht mehr in Frage gestellt. Im Jahr 2017 erhielt HPV mit dem Surrogatmarker p16 sogar Einzug in die aktuelle (8.) Edition der TNM-Klassifikation; p16-positive und -negative OPSCC werden seitdem verschieden klassifiziert. Obwohl Leitlinien dem entgegenstehen, wird eine De-Eskalation der Therapie trotz fehlender Evidenz aus randomisiert-kontrollierten klinischen Studien auch außerhalb von Studien diskutiert.
Allerdings führen weder Tabak- und Alkoholkonsum noch HPV-Infektionen bei allen exponierten Menschen zur Entstehung maligner Erkrankungen inklusive HNSCC. Daher scheint neben diesen Risikofaktoren auch der genetische Hintergrund eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Malignomen zu spielen. Eine genetische Prädisposition für eine unwirksame Auseinandersetzung mit neu aufgetretenen neoplastisch transformierten Zellen sollte bei gleicher Histologie weitestgehend unabhängig von der Sub-Lokalisation des Gewebes sein, sofern die biologische Basis identisch ist. Onkogene HPV-Subtypen haben das Potential, eine Vielzahl epithelialer Gewebe zu infizieren und neoplastisch zu transformieren, die zugrundeliegenden molekularbiologischen Mechanismen sind seit längerem bekannt. Offen blieb bisher, warum die meisten HPV-Infektionen zu einer transienten neoplastischen Transformation führen, welche nur bei wenigen Patienten in einem manifesten Malignom resultiert. Aufgrund der zentralen Bedeutung von humanen Leukozyten-Antigenen für die Abwehr viraler Infektionen und für die Tumorentstehung lag ein Zusammenhang zwischen HLA-Merkmalen und HPV-getriebenen HNSCC nahe. Dass verschiedene HLA-Antigene und -Haplotypen Einfluss auf die Entstehung und das Outcome von HNSCC-Patienten haben, hatten Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe bereits gezeigt. Diese Ergebnisse galt es in einer unabhängigen Kohorte zu überprüfen und weitere Erkenntnisse zur Rolle von HLA-Merkmalen in der Entstehung und Prognose sowie für mögliche individuelle Therapieentscheidungen zu gewinnen und außerdem die Frage der Bedeutung von HLA im Kontext HPV-getriebener HNSCC zu beantworten.
Hierfür konnte ich innerhalb der Tumordatenbank und Biobank der HNO-Universitätsklinik 94 Patienten mit HPV-getriebenen HNSCC (p16-positiv und Nachweis von HPV-DNA und/oder RNA) inklusive Tumore verschiedener Lokalisationen außerhalb des Oropharynx identifizieren, die zwischen 2012 und 2018 am Universitätsklinikum Leipzig behandelt wurden.
Zunächst galt es, nach Identifikation von Patienten mit HPV-getriebenen Tumoren verschiedener Lokalisationen und der HLA-Typisierung herauszufinden, ob sich korrelierend mit der Lokalisation Subgruppen von Patienten bezüglich klinischer, epidemiologischer und genetischer Merkmale identifizieren lassen. Bei 57 unserer 94 Patienten befand sich der Primärtumor im Oropharynx und bei 37 Patienten lag dieser außerhalb. Während einige Charakteristika wie Geschlecht, Alter bei Diagnose oder klassische Risikofaktoren für HNSCC wie Tabak- und Alkoholkonsum sich zwischen diesen beiden Gruppen nicht signifikant unterschieden, ließen sich in den folgenden klinischen Kategorien statistisch signifikante Unterschiede finden: T-Kategorie der 8. Edition, N-Kategorie der 7. und 8. Edition, UICC-Stadium der 8. Edition, kapselüberschreitendes Wachstum und Therapie inklusive Bestrahlung.
Bei Untersuchungen bezüglich des Einflusses dieser klinischen und epidemiologischen Risikofaktoren auf das progressionsfreie Überleben der Patienten ergaben sich signifikante Unterschiede abhängig von Nikotinkonsum, Alkoholkonsum, der T-Kategorie und der N-Kategorie. Interessanterweise konnte für andere bekannte Risikofaktoren wie Geschlecht, Lokalisation des Primärtumors, kapselüberschreitendes Wachstum und Art der Therapie in unserer Kohorte kein signifikanter Einfluss auf das PFS gezeigt werden.
Obwohl bei Diagnosestellung eine ähnliche Verteilung der T-Kategorien zwischen den beiden Lokalisationsgruppen beobachtet wurde, wiesen Fälle mit Primum im Oropharynx häufiger lokoregionäre Metastasen und eine höhere Anzahl positiver Halslymphknoten auf. Dies ist unabhängig vom HPV-Status und konnte zuvor auch in einer anderen Kohorte gezeigt werden. Bei lokoregionärer Metastasierung unterschied sich die Verteilung ENE-positiver bzw. -negativer Lymphknoten kaum zwischen OPSCC und anderen HNSCC, sie war in beiden Gruppen mit einem schlechteren Outcome verbunden und das kapselüberschreitende Wachstum stellt im Gegensatz zur N-Kategorie einen unabhängigen Prädiktor für das PFS dar. Die signifikanten Unterschiede in den T- und N-Kategorien nach der 8. TNM-Edition scheinen allerdings mehr mit der abweichenden Kategorisierung p16-positiver OPSCC als mit einer differenten Biologie der Tumore zusammenzuhängen.
In diesem Kollektiv erfolgten die HLA-Typisierungen mittels SSO-Typisierungskits.
Bei der Betrachtung der HLA-Antigene fanden wir nur bei A11 eine signifikant abweichende Häufigkeit zwischen den Lokalisations-Gruppen. Wir konnten auch die Anreicherung von B51-Trägern im Vergleich zu gesunden Blutspendern, die von einer anderen Forschungsgruppe bereits beschrieben wurde, bestätigen. Im Vergleich zu gesunden deutschen Blutspendern fanden sich jedoch in unserer Kohorte einige HLA-Haplotypen signifikant vermindert. Dies waren vor allem diejenigen, die nach Müller et al. die höchste Prävalenz bei den gesunden Blutspendern aufweisen.
Neben abweichenden Haplotyp-Frequenzen stellten wir bei diesen Haplotypen auch ein geringeres Kopplungsungleichgewicht fest, was wahrscheinlich durch die zuvor durch unsere Arbeitsgruppe beschriebene Disruption der Haplotypen und Rekombination von Antigenen in anderen, seltenen Haplotypen zu erklären ist. Darüber hinaus wiesen Träger der bei gesunden Erwachsenen am häufigsten vorkommenden Haplotypen ein niedrigeres relatives Risiko für HPV-getriebene HNSCC auf. Im Gegensatz dazu fanden wir bei HPV-getriebenen HNSCC erhöhte Frequenzen von A3-B18, A3-B8, A1-B51 und A3-B51, welche alle zu den bei gesunden Blutspendern niederfrequenten Haplotypen gehören. Dies spiegelt sich in einem erhöhten relativen Risiko für die Träger dieser Haplotypen und insbesondere der A3-Haplotypen A3-B18 und A3-B8 wider, die wir in unserer Kohorte häufig in ungewöhnlichen DR-Anti-genkombinationen fanden. Die erhöhte Prävalenz von A24-B8-DR3 bei 8 Patienten ist ein Beispiel für solche ungewöhnlichen Haplotypen. A3-Triplotypen, die bei gesunden Blutspendern selten vorkommen, wiesen in unserer Kohorte eine signifikant höhere Frequenz auf. Bis auf das Antigen A11 und den Haplotyp A3-B18 als einzige Ausnahmen wurden allerdings keine signifikanten Unterschiede in den Haplotyp-Frequenzen in Abhängigkeit von der Lokalisation des Primärtumors beobachtet.
Der höherfrequent gefundene Haplotyp A3-B18 erwies sich als unabhängiger Prädiktor für schlechteres PFS.
Wir konnten außerdem 13 unabhängige Prädiktoren für das PFS unserer Patienten identifizieren. Zu diesen zählen neben dem bereits genannten kapselüberschreitenden Wachstum (ENE) auch Alkoholkonsum, Lokalisation, T-Kategorie und Therapie sowie 8 HLA-Merkmale (A1C, B12C, A11, B51, DR15, DQB1 homozygot, A3-B18, A1-B8).
Weiterhin konnten wir unter Verwendung der natürlichen Logarithmen der Hazard Ratios der von uns identifizierten unabhängigen Prädiktoren des PFS ein Modell entwickeln, das zwischen vier Risikogruppen von HPV-getriebenen HNSCC differenzieren kann. Dieses Modell besteht aus den oben genannten 5 klinischen und 8 genetischen Kovariaten. Die 4 Risikogruppen unterscheiden sich auch bezüglich des Rezidiv-freien Überlebens bzw. der lokalen, nodalen und loko-regionären Kontrolle, des fernmetastasierungsfreien Überlebens, des HNSCC-spezifischen und des Gesamtüberlebens.
Unsere Ergebnisse können nicht nur Grundlage für zukünftige Präventions- und Therapiestrategien (in Abhängigkeit vom HPV-Status und genetischen Besonderheiten) sein, sondern liefern ebenso Hinweise darauf, dass genetischen Faktoren auch bei der Festlegung der Prognose und Planung der Nachsorge von HNSCC-Patienten größere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Unterschiede in der HLA-Merkmalsausstattung können einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zur individualisierten Diagnostik und Therapie leisten, welcher aktuell in allen Bereichen der Medizin beschritten wird. Um unsere Ergebnisse zu bestätigen und den Weg in die klinische Praxis zu ermöglichen, sind selbstverständlich weitere Untersuchungen notwendig, für die wir mit bereits erfolgten Sequenzierungen mittels NGS in einer weiteren Kohorte gute Voraussetzungen geschaffen haben. Als zentrales Ergebnis meines Promotionsprojektes kann der von uns erbrachte Nachweis gelten, dass HLA-Antigene und Haplotypen Risikofaktoren für HPV-getriebene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region sind und den Behandlungserfolg beeinflussen.:1. Einleitung
1.1 Einteilung maligner Tumore im Kopf-Hals-Bereich
1.2 Epidemiologie
1.3 Risikofaktoren
1.4 HNSCC und HPV
1.5 Die Humanen Leukozyten-Antigene (HLA)
1.5.1 HLA-Genkomplex und Kopplungsungleichgewicht
1.5.2 HLA/MHC Klasse I
1.5.3 HLA/MHC Klasse II
1.5.4 Cross Reactive Epitope Groups (CREGs)
1.5.5 Tumormilieu und Immun-Escape-Mechanismen
1.6 Präventionsstrategien
1.7 Therapieoptionen
1.8 Prognose
1.9 Fragestellung und Zielsetzung
2. Publikationen
2.1 Vortrag: International Symposium on HPV-infection in Head and Neck
Cancer vom 10.-11.11.2022 in Amsterdam
2.2 Vortrag: Meeting on Experimental and Translational Research in
Head and Neck Cancer vom 20.-21.01.2023 in Ulm
2.3 Abstract und Vortrag: HNO-Kongress und 94. Jahresversammlung
der DGHNO-KHC vom 17.-20.05.2023 in Leipzig
2.4 Publikation in Frontiers in Oncology
3. Zusammenfassung
4. Verzeichnisse
4.1 Abkürzungsverzeichnis
4.2 Abbildungsverzeichnis
4.3 Literaturverzeichnis
5. Erklärungen
5.1 Eigenständigkeitserklärung
5.2 Erklärung zum Eigenanteil an der Publikation
5.3 Bestätigung der Koautoren zur Erklärung des Eigenanteils
6. Lebenslauf
7. Danksagung
8. Anhang
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