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Melodieintervalle als Kenngröße der laryngealen Regelleistung bei der Lautproduktion von Säuglingen ohne orofaziale Spaltbildung in den ersten vier Lebensmonaten / Melodic intervals in infant cries as a parameter of the laryngeal control power in the sound production of infants without orofacial clefts in the first four months of lifeArmbrüster, Lotte January 2020 (has links) (PDF)
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, intervallartige Substrukturen (Melodieintervalle) auf der Melodiekontur von Säuglingslauten im Längsschnitt über die ersten vier Lebensmonate zu analysieren. Melodieintervalle werden als eine Messgröße für die Kurzzeitvariabilität der Grundfrequenz (F0) und damit der laryngealen Regelleistung angesehen. Es sollte belegt werden, dass gesunde Säuglinge Melodieintervalle regelhaft erzeugen. Dabei war auch die Frage zu beantworten, ob Melodien mit Intervallen häufiger vorkommen als Melodien ohne Intervall über den Untersuchungszeitraum der ersten vier Lebensmonate. Neben Häufigkeitsanalysen sollten auch Analysen temporaler Eigenschaften erfolgen und Frequenzratios (Intervallgrößen) ermittelt werden. Langzeitziel dieser Analysen ist es, potenzielle Risikokinder einer späteren Sprech- und Sprachentwicklungsstörung so früh wie möglich anhand einer nicht-invasiven Vorsprachlichen Diagnostik identifizieren zu können.
Aus einem Gesamtdatenkorpus von 6130 Vokalisationen wurden in einer komplexen Vorselektierungs-Routine mittels audio-visueller Analyse insgesamt 3114 Vokalisationen für die finalen Melodieintervallanalysen als geeignet befunden. Unter Methodenmodifikation zu Vorarbeiten, wie einer herabgesetzten Plateaumindestlänge auf 50 ms und unter Einbezug rhythmisch-segmentierter Vokalisationen in die Analysen wurden die Aufnahmen anhand von Melodie- und Intensitätsdiagrammen sowie semi-automatisch zugehörigen Messroutinen im Cry-Data-Analysis-Program (CDAP) analysiert und Melodieintervalle vermessen. Des Weiteren wurden Analysen der Melodiestrukturkategorien, die den Komplexitätsgrad der Konturen reflektieren, und der Bogenformen (Intonation) durchgeführt, um das Auftreten identifizierter Intervallcodes und deren Muster zu diesen in Bezug zu setzen. Das melodische Einzelintervall (Plateau-Übergang-Plateau) wurde als Modul definiert, das zu Doppelintervallen und noch komplexeren Kombinationen unterschiedlicher Codes und Muster zusammengesetzt wird. Das Repertoire dieser Kombinationsmuster wurde in der Arbeit detailliert aufgezeigt. Ein Modul-Vergleich der steigenden und fallenden Einzelintervalle in Einfach- und Doppelbögen konnte eine hohe Übereinstimmung hinsichtlich spezieller Messgrößen, insbesondere der steigenden Intervalle, belegen. Für die über den Untersuchungszeitraum analysierten Auftrittshäufigkeiten der Intervalle konnte mittels einer verallgemeinerten Schätzgleichung (GEE-Model) eine signifikante Zunahme des Intervallauftretens festgestellt werden, die durch einen nichtlinearen Alterseffekt gekennzeichnet war. Die Intervallkomplexität nahm linear signifikant mit dem Lebensalter zu. Es wurden keine Geschlechtseffekte festgestellt. Als vorherrschende Intervallgröße wurde die kleine Sekunde (Halbton) über den Untersuchungszeitraum gefunden. Die Intervallgrößen und ein Großteil der Analysen der temporalen Messgrößen erfolgte auf signalbasierter Ebene und wurde deskriptiv vergleichend zwischen den Richtungen bzw. den Mustern der Intervalle untersucht und als Referenzwerte in umfangreichen Tabellen berichtet. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit belegten durch Analysen unterschiedlicher Messgrößen, wie z.B. dem Komplexitätsgrad der Melodie und deren regelrechter Entwicklung mit dem Alter, dass alle hier analysierten Vokalisationen von Probanden stammten, die sich unauffällig entwickelten. Somit wurde sichergestellt, dass die erarbeiteten Referenzwerte für nachfolgende Studien die Verhältnisse bei gesunden Säuglingen widerspiegeln. Die Ergebnisse vorliegender Arbeit sollen als vorläufige Vergleichswerte für geplante Analysen an Vokalisationen von Säuglingen mit orofazialen Spaltbildungen dienen. / The aim of this study was to quantitatively characterize interval-like substructures of the melody (f0 contour) of pre-speech sounds of infants during their first four months of life.
Melodic intervals represent the short-term variability of the frequency contour (f0) of cry melodies and describe the laryngeal control power. The long-term goal is to identify infants at risk of a later speech and language development disorder as early as possible using a non-invasive prelinguistic diagnosis.
Melodic intervals were analysed in cry melodies of 12 infants (6 females, 6 males). The selected group of infants was born healthy without cleft lip and palate or any hunch for syndromes. The study involved 6,130 spontaneously uttered vocalizations recorded in weekly intervals over the first four months of life. A preselection of vocalizations containing a well-identifiable, noise-free and undisturbed melodic contour was applied to identify and measure melodic intervals in the final subset of 3,114 utterances.
The applied interval model was defined as plateau-transition-plateau structure in the melody. Modifying the method, such as reducing the minimum plateau length to 50 ms and including rhythmically segmented vocalizations in the analyses, the recordings were analysed using melody and intensity diagrams as well as semi-automatically associated measurement routines in the Cry Data Analysis Program (CDAP).
The aim was to answer the question whether spontaneous crying of healthy infants exhibits regularly melodic intervals across the observation period and to analyse if the interval events become more complex with age.
Furthermore, the melody structure categories, which reflect the degree of complexity of the contours and the arc shapes (intonation) were analysed in order to relate the occurrence of identified intervals and their combination patterns to these. The repertoire of these combination patterns is shown in detail in the work. A module comparison of rising and falling intervals in single and double arcs demonstrate a high agreement with regard to special measured variables, in particular rising intervals. A generalized estimation equation (GEE model) was used to determine a significant increase of the occurrence of the intervals, which was characterized by a non-linear age effect. The interval complexity increased linearly significantly with age. No gender effects were found. The semitone was found to be the predominant interval size over the observation period. The interval sizes and a large part of the analysis of temporal measurements were carried out on a signal-based level and were descriptively compared between the directions (rising/falling) and the patterns of the intervals and are reported as reference values in several tables. The results of this work are intended to serve as preliminary comparative values for the analysis of vocalizations of infants with orofacial clefts.
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Vergleich laryngealer Konstriktionsphänomene in Komfortvokalisationen normalhörender und hochgradig hörbeeinträchtigter Säuglinge im 3.-5. Lebensmonat / Comparison of laryngeal constriction phenomena in non-cry vocalizations of normal hearing and profoundly deaf infants in early infancySchenk, Jennifer January 2022 (has links) (PDF)
Die vorliegende Arbeit liefert einen Beitrag zum Thema laryngeale Konstriktionen, welche in der Fachliteratur als Vorläufer des silbischen Sprechvermögens interpretiert und gehäuft bei hörbeeinträchtigten Säuglingen vorkommend angenommen werden. In der Fachliteratur sind bisher keine systematischen Untersuchungen oder Vergleiche der Auftrittshäufigkeiten und Ausprägungsformen laryngealer Konstriktionsphänomene zwischen normalhörenden und hörbeeinträchtigten Säuglingen publiziert. Dabei könnten Unterschiede in den Ausprägungsformen und Auftrittshäufigkeiten laryngealer Konstriktionen zwischen normalhörenden und hörbeeinträchtigten Säuglingen frühzeitig zusätzliche Hinweise für eine mögliche Hörstörung liefern. Daneben könnte auch die Analyse temporaler Eigenschaften laryngealer Konstriktionsphänomene zum besseren Verständnis laryngealer Konstriktionen im Rahmen des Phonationsregelnetzwerkes beitragen.
Die Arbeit erfolgte im Rahmen einer Kohortenstudie, die den Vergleich des Lautrepertoires bzw. artikulatorischer Eigenschaften von Komfortvokalisationen (Nicht Schreilaute) zwischen normalhörenden und hörbeeinträchtigten Säuglingen zum Ziel hatte. Im Detail lag der Fokus der vorliegenden Arbeit darin, dem kaum untersuchten Phänomen der laryngealen Konstriktionen erstmalig systematisch nachzugehen und den möglichen Einfluss einer hochgradig sensorineuralen Hörschädigung auf die Auftrittshäufigkeiten und Ausprägungsformen laryngealer Konstriktionen explorativ zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden in der vorliegenden Arbeit quantitative und qualitative Eigenschaften laryngealer Konstriktionsphänomene in Komfortvokalisationen von normalhörenden (Gruppe NH) und hochgradig hörbeeinträchtigten Säuglingen (Gruppe HI) durch auditive und spektrographische Analysen untersucht. Exemplarisch sollten an einer Teilmenge auch die temporalen Eigenschaften laryngealer Konstriktionsphänomene erstmalig untersucht werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigten, dass die reine Auftrittshäufigkeit laryngealer Konstriktionen zu keiner Differenzierung zwischen den hier untersuchten Probandengruppen beitrug. Auch die qualitativen Eigenschaften laryngealer Konstriktionen wurden von beiden Probandengruppen gleichermaßen spielerisch und damit sehr variabel genutzt und folgten keinem erkennbaren intentionalen Verhalten. Das eindrucksvollste Ergebnis der vorliegenden Arbeit zeigte sich in der Analyse der temporalen Eigenschaften laryngealer Konstriktionen, die durch die Hörbeeinträchtigung maßgeblich beeinflusst werden. Für die zeitliche Organisation der Lautproduktion ist hier offensichtlich nicht allein die kinästhetische Rückkopplung entscheidend, sondern alle an der Regelung beteiligten Rückkoppelungsmechanismen, inklusive der auditiven Rückkopplung. / This thesis contributes to the existing research on the topic of laryngeal constrictions, a phenomenon commonly interpreted as a precursor to syllabic speech and presumed to predominantly occur in hearing impaired infants. Existing literature on laryngeal constrictions does not offer any systematic analysis or comparison regarding the likelihood of occurrence as well as the characteristics of such constrictions in hearing impaired infants and those with normal hearing. Identifying differences in incidence and characteristic of laryngeal constrictions between hearing impaired infants and infants with normal hearing though, could aid the detection of hearing disorders in early infancy. Furthermore, analyzing temporal properties of laryngeal constrictions may provide a better understanding of these constrictions overall, as well as in the context of phonetic rules.
This thesis took place within the framework of a cohort study, which was aimed at comparing the acoustic signal repertoire (i.e. the articulatory characteristics) of comfort vocalizations (i.e. non-cry vocalizations) between infants with normal hearing and infants with hearing impediments. The thesis systematically examined laryngeal constrictions, a phenomenon only scarcely researched thus far, with a focus on exploratively assessing the impact of severe sensorineural hearing loss on the frequency of occurrence and characteristic of such constrictions. For this purpose, both quantitative and qualitative properties of laryngeal constrictions in comfort vocalizations were examined in a group of infants with normal hearing (NH) and a group of hearing impaired infants (HI) through auditory and spectrographic analysis. Additionally, the temporal properties of laryngeal constrictions were to be examined, using a subset of test subjects for an exemplary analysis.
The results of this thesis demonstrated that frequency of occurrence in laryngeal constrictions alone did not allow for any differentiation between the groups of test subjects under examination. Qualitative properties of laryngeal constrictions were utilized equally playful and thus variably by both groups of test subjects and did not follow any discernably intentional behavior. The thesis’ most striking finding revealed itself when analyzing the temporal properties of laryngeal constrictions, which were significantly affected by impaired hearing. The temporal organization of vocal productions is evidently not solely determined by kinesthetic feedback, but rather influenced by all feedback mechanisms involved, including auditory feedback.
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Quantitative und qualitative Analyse laryngealer Konstriktionsphänomene in vorsprachlichen Vokalisationen der Lebensmonate 4 bis 6 von Säuglingen mit angeborenen orofazialen Spalten / Quantitative and qualitative analysis of laryngeal constriction phenomena in pre-speech vocalizations of infants between 4 and 6 months of life with congenital orofacial cleftsHammerstädt, Pauline Erdmute January 2024 (has links) (PDF)
In der vorliegenden Dissertation wurde erstmalig systematisch
untersucht, wie häufig und in welcher Ausprägung laryngeale Konstriktionsphänomene in vorsprachlichen Vokalisationen von Säuglingen mit orofazialen Spalten in den Lebensmonaten 4 bis 6 auftraten. Eine statistische Analyse zur zeitlichen Dauer der laryngealen Konstriktionen wurde ebenfalls vorgenommen. Dabei wurde der potenzielle Einfluss der Spaltausprägung, der kieferorthopädischen Frühbehandlung mit einer Gaumenplatte, des Alters sowie des biologischen Geschlechts berücksichtigt.
Die Analyse von 9.345 vorsprachlichen Vokalisationen von 23 Säuglingen mit einer orofazialen Spalte, die im Rahmen der kieferorthopädischen Frühbehandlung eine Gaumenplatte erhielten, erfolgte vor dem theoretischen Hintergrund des Modells des laryngealen Artikulators (LAM) (Esling, 2005). Das LAM postuliert, dass die Entwicklung artikulatorischer Fähigkeiten bereits mit Lautmodifikationen im Larynx beginnt, den laryngealen Konstriktionen. Je nach Ausprägungsgrad führen laryngeale Konstriktionen zu unvollständigen oder vollständigen Unterbrechungen des glottalen Luftstroms und damit zu rhythmisch segmentierten Phonationen. Für die Stichprobe konnte mit Hilfe der angewandten Methodik gezeigt werden, dass Säuglinge mit einer orofazialen Spalte bereits vor den bekannten supralaryngealen Artikulationsstörungen Auffälligkeiten in laryngeal erzeugten präartikulatorischen Funktionen zeigen.
Es konnte gezeigt werden, dass die Dysfunktion mit dem Spalttyp im direkten Zusammenhang steht, wobei Säuglinge mit der größten oronasalen Malformation, die Träger bilateraler Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten, am stärksten betroffen waren.
Das vermehrte Auftreten von laryngealen Konstriktionen wurde auf Substitutionseffekte zurückgeführt, die die eingeschränkte Erzeugung supralaryngealer Laute ausgleichen könnte.
Hinsichtlich der Untersuchung des Einflusses der Plattentherapie auf vorsprachliche Vokalisationen von Säuglingen mit orofazialen Spalten ließen sich erste Hinweise finden, dass die Gaumenplatte einen Effekt auf das artikulatorische Explorationsverhalten haben könnte.
Die geringe Variabilität der Konstriktionslängen deutet auf regelhafte Prozesse hin und stützt vorhergehende Studien.
Um die tatsächliche artikulatorische Entwicklung der Patientinnen und Patienten mit orofazialen Spalten prä- und postoperativ besser verstehen zu können, genügt der alleinige Blick auf die Konsonantenentwicklung nicht. Nur wenn diese gemeinsam mit den laryngealen Konstriktionsphänomenen als artikulatorische Vorstufen betrachtet werden, wird es möglich sein, in Zukunft diagnostische Risikomarker für die Sprech- und Sprachentwicklung bei Säuglingen zu identifizieren. / This dissertation is the first to systematically investigate how often and to what degree laryngeal constriction phenomena occurred in pre-speech vocalizations of infants with orofacial clefts in months 4 to 6 of life. A statistical analysis of the temporal duration of laryngeal constrictions was also performed. The potential influence of cleft types, early orthodontic treatment with a palatal plate, age and biological sex was taken into account.
The analysis of 9.345 pre-speech vocalizations of 23 infants with an orofacial cleft who received a palatal plate as part of early orthodontic treatment were analyzed against the theoretical background of the model of the laryngeal articulator (LAM) (Esling, 2005). The LAM postulates that the development of articulatory abilities begins with sound modifications in the larynx, the laryngeal constrictions. Depending on their degree of severity, laryngeal constrictions lead to incomplete or complete interruptions of the glottal airflow and therefore to rhythmically segmented phonations. With the help of the applied methodology, it could be shown that infants with an orofacial cleft already show anomalies in their articulation before the known supralaryngeal articulation abnormalities in laryngeally generated prearticulatory functions.
It was shown that the dysfunction was directly related to the type of cleft, whereby infants with the largest oronasal malformation, those with bilateral cleft lip and palate, were most severely affected. The increased occurrence of laryngeal constriction was attributed to substitution effects, which could compensate for the limited production of supralaryngeal sounds.
With regard to the investigation of the influence of plate therapy on pre-speech vocalizations of infants with orofacial clefts, initial indications were found that the palatal plate could have an effect on articulatory exploratory behaviour.
The low variability of the constriction lengths indicates regular processes and supports previous studies.
In order to better understand the actual articulatory development of patients with orofacial clefts pre- and postoperatively, it is not sufficient to look at consonant development alone. Only if these are considered together with the laryngeal constriction phenomena as articulatory precursors will it be possible to identify diagnostic risk markers for speech and language development of infants in the future.
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Längsschnittanalyse von Stimmparametern bei gesunden Säuglingen im zweiten Lebenshalbjahr / Systematic longitudinal analysis: Development of melodic structure in the second half of the first year of lifeWanner, Maren January 2024 (has links) (PDF)
In der vorliegenden Arbeit wurde die Melodiestrukturentwicklung im zweiten Lebenshalbjahr, exemplarisch an zehn gesunden Säuglingen mit deutscher Umgebungssprache, untersucht. Zusammen mit den zuvor erhobenen und vorliegenden Ergebnissen der ersten sechs Lebensmonate (Kottmann, 2023) war erstmalig eine systematische Längsschnittanalyse über das gesamte erste Lebensjahr möglich. Mithilfe des Lautanalyseprogramms CDAP wurden für die vorliegende Arbeit 4686 frühkindliche Lautaufahmen bezüglich ihres Melodiekonturverlaufs sowie ihrer auditiv und visuell wahrnehmbaren Feinstrukturmerkmale detailliert analysiert und ausgewertet. Der Datensatz spiegelt repräsentativ das typische Lautrepertoire von Säuglingen im zweiten Lebenshalbjahr mit den hier untersuchten Komfort-Vokalisationstypen wider: Übergangslaute, marginale und kanonische Babbellaute. In Übereinstimmung mit dem von Wermke und Mende postulierten MD-Modell, das eine vokalisationstyp-übergreifende Komplexitätszunahme frühkindlicher Lautäußerungen beschreibt, konnten erstmals die regelhaften Entwicklungsverläufe im zweiten Lebenshalbjahr gezeigt und ausführlich benannt werden. Dabei scheint die Zunahme der Komplexität vor allem im Zusammenhang mit artikulatorischen Reifeprozessen zu stehen. In der Melodie selbst fiel diesbezüglich vor allem der Einbau von Segmentierungen auf. Diese innermelodischen Unterbrechungen können wiederum als Vorläufer linguistischer Strukturen, wie beispielsweise Silben, angesehen werden. Der Übergang von einfachen zu fortgeschritteneren Vokalisationen, bis hin zu den ersten Wörtern, ist fließend. Zukünftig wäre für weitere empirische Untersuchungen interessant, inwiefern sich der Grundfrequenzverlauf zunehmend zur suprasegmentalen Intonationskurve entwickelt, was sich bereits in den durchgeführten Analysen angedeutet hat. Die kontinuierlich wachsende Kontrolle des Säuglings über den Vokaltrakt mit zunehmend gezielter Reproduktion erlernter Lautstrukturen wird durch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegt. Sie liefert einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Sprachentwicklung von Säuglingen und ermöglicht durch die Erkenntnisse der physiologisch ablaufenden Prozesse eine vorsprachliche Diagnostik, eine frühzeitige Intervention und Förderung der Sprache. Vor allem der Beginn des Babbelns scheint hierbei eine wichtige Evaluationsgröße zu sein. / The present study investigated the development of melodic structure in the second half of their first year of life in ten healthy native German infants. Together with previously collected and published results of the first six months of life (Kottmann, 2023), a systematic longitudinal analysis of the entire first year of life was possible for the first time. Using the sound analysis programme CDAP, 4686 sound recordings from early childhood were analyzed and evaluated in detail with regard to their melodic contours as well as their auditorily and visually perceived fine structure features. The data set is representative of the typical sound repertoire of infants in the second half of their first year of life with the types of comfort vocalizations studied here: transitional, marginal and canonical baby sounds. Consistent with the MD model postulated by Wermke and Mende, which describes an increase in complexity of early infant vocalizations across vocalization types, the regular developmental trajectories in the second half of their first year of life could be shown and named in detail for the first time. The increase in complexity seems to be mainly related to articulatory maturation processes. In the melody itself, the integration of segmentations was particularly noticeable. These intra-melodic breaks can be seen as precursors of linguistic structures such as syllables. The transition from simple to more advanced vocalizations up to the first words is a smooth one. It would be interesting for future empirical studies to determine the extent to which the baseline frequency curve increasingly develops into the suprasegmental intonation curve that has already been suggested in the analyses conducted. The continuously increasing control of the vocal tract by infants with an increasingly specific reproduction of learned phonetic structures is supported by the results of the present study. The study makes an important contribution to the understanding of infant language development and, by providing insights into the physiological processes involved, enables pre-linguistic diagnostics, early intervention and language promotion. In particular, the onset of babbling appears to be an important assessment variable in this context.
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Temporale Eigenschaften ingressiver und egressiver Phonationsleistungen gesunder Neugeborener / Temporal characteristics of inspiratory and expiratory phonation in healthy neonatesSereschk, Navid January 2019 (has links) (PDF)
In der vorliegenden Studie wurden temporale Eigenschaften zeitlich aufeinanderfolgender ingressiver Laute und egressiver Phonationsleistungen in spontanen Neugeborenenvokalisationen untersucht.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Atemrhythmus Neugeborener während der Vokalisation (spontanes Weinen) objektiv zu analysieren und Referenzwerte für die einzelnen Segmente des Atemzyklus zu erarbeiten. Zur Berücksichtigung vermuteter relevanter Einflussfaktoren sollten geschlechts- und altersspezifische Unterschiede sowie Hörleistungen im Neugeborenen-Hörscreening (NHS) berücksichtigt werden.
Dazu wurden spontan geäußerte Lautproduktionen von 82 Neugeborenen (2. – 4. Lebenstag) analysiert. Um die Ergebnisse des NHS-Tests zu berücksichtigen, wurden die Probanden in 2 Untergruppen eingeteilt. Diese waren (1) Neugeborene mit unauffälligem Hörscreening-Test und (2) Neugeborene mit auffälligem Hörscreening-Test. Mit Hilfe der Sprachanalysesoftware Praat wurden 1545 Tonaufnahmen der Probanden vermessen. Der Autor vorliegender Arbeit hat ein Praat – Textscript erstellt, um die Segmente des Atemzyklus manuell durch Cursor festzulegen und die Messgrößen automatisch zu berechnen und anschließend in das am ZVES vorliegende Routinesystem einzubetten.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen, dass schon in den ersten Schreien Neugeborener ein regelhaft segmentierter Atemrhythmus mit einer kurzen Inspirationsphase und nachfolgender längerer Exspirationsphase, die den Hauptanteil des ganzen Atemzyklus ausmacht, zu beobachten ist.
Das Verhältnis zwischen Inspirations- und Exspirationslänge zeigt sich variabel in Abhängigkeit von der Gesamtlänge des Atemzyklus.
Signifikante geschlechts- und altersspezifische Unterschiede könnten für eine schnellere Adaptation (Reifung) des Atemsystems bei weiblichen Neugeborenen sprechen und damit für eine reduzierte respiratorische Kontrollfähigkeit bei Jungen. Ursächlich dafür könnten anatomisch-somatische Differenzen sowie nachwirkende intrauterine hormonelle Einflüsse sein.
Auch der signifikante Einfluss des Gestationsalters lässt möglicherweise auf Reifungsprozesse des Atemapparats schließen, die mit dem Gestationsalter voranschreiten.
Weitere Faktoren wie der Geburtsmodus oder das Ergebnis des Neugeborenen-Hörscreening-Tests wirkten sich hier nicht auf die temporalen Eigenschaften inspiratorischer und exspiratorischer Laute der Neugeborenen aus.
Insgesamt konnte die vorliegende Arbeit erstmalig temporale Eigenschaften ingressiver Laute und spontaner egressiver Phonationsleistungen Neugeborener im Alter von 2 bis 4 Lebenstagen objektiv analysieren und entsprechende Referenzwerte für gesunde Neugeborene liefern. Diese können in zukünftigen Studien mit größerer Probandenanzahl und einem längerem Untersuchungszeitraum (Einschluss der Minipubertät) als Vergleichswerte dienen. Ein Beleg für den angeborenen respiratorischen Mechanismus für die Sprech- und Sprachentwicklung konnte mit der vorliegenden Arbeit ebenfalls geliefert werden. Die Arbeit betont aus respiratorischer Perspektive die Bedeutung der frühen vorsprachlichen Entwicklung für den Spracherwerbsprozess. / The present study analyzed temporal characteristics of temporally consecutive inspiratory phonation and expiratory cry utterance in spontaneous crying of neonates.
The aim of this study was to objectively determine the breath cycle in neonates spontaneous crying and to acquire reference values for each segment of the breath cycle. Considering supposed relevant influential factors, gender- and age-specific differences as well as hearing capacity in neonatal hearing screening (NHS) were observed.
For that spontaneous sound utterances of 82 neonates (2. – 4. day of life) were analyzed. To consider the results of the NHS-tests the subjects were divided into 2 subgroups. These were (1) neonates with normal NHS-test and (2) neonates with remarkable NHS-test. By using the speech analysis software PRAAT 1545 sound recordings of the subjects were measured. The author of the present work created a PRAAT-textscript to manually set the segments of the breath cycle with cursors and to automatically compute the measured variables and afterwards embed them in the existing routine of the ZVES.
The results of the present study attest already in the first cries of neonates a regular segmented breath group with a short inspiration and a following longer expiration, which constitutes the main part of the whole breath cycle.
The ratio of inspiration- and expirationlength exhibits a variability in dependence on the total-length of the breath cycle.
Significant gender- and age-specific differences could suggest a faster adaptation (maturation) of the respiratory system in female neonates and therefore a limited respiratory control-capability in male neonates. This could be due to anatomical-somatic differences and intrauterine hormonal influences.
Also the significant influence of gestational age potentially implies maturation processes of the respiratory system, which proceed with gestational age.
Other factors, such as birth mode or the result of the NHS-test, did not affect the temporal characteristics of inspiratory and expiratory sounds of the neonates.
Overall, the present study was the first to objectively analyze the temporal characteristics of inspiratory sounds and spontaneous expiratory phonation of neonates aged 2 to 4 days of life and to provide appropriate reference values for healthy neonates. These can serve as comparative values in future studies with a larger number of subjects and a longer evaluation period (inclusion of minipuberty). Evidence for the innate respiratory mechanism for speech and language development could also be provided with the present work. The work emphasizes from a respiratory perspective the importance of early pre-linguistic development for the language acquisition process.
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Eigenschaften von Tonintervallen in Melodien von Babylauten als Referenzgrößen für vokale Regelleistungen in der Vorsprachlichen Diagnostik / Characteristics of tone intervals in babies’ cry melodiesEhlert, Hanna January 2019 (has links) (PDF)
Frühkindliche Lautäußerungen lassen sich aus entwicklungsdiagnostischer Perspektive am besten anhand unterschiedlicher Melodieeigenschaften charakterisieren. Eine Analyse dieser Eigenschaften bei unauffälligen Kindern am ZVES dient dazu, Referenzwerte für geeignete Messgrößen zu erarbeiten und diese für Vergleiche mit Risikokindern für Sprech-/Sprachstörungen zu nutzen. Intervallartige Strukturen könnten aufgrund der Stabilität ihrer Eigenschaften geeignete Kandidaten für die Entwicklung potentieller Risikomarker sein. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, intervallartige Strukturen in spontanen Lautproduktionen gesunder Säuglinge zu identifizieren und quantitativ zu analysieren. Es wurden Lautäußerungen über einen Zeitraum der ersten 16 Lebenswochen von Säuglingen längsschnittlich ausgewertet. Die Lautaufnahmen lagen in Form anonymisierter Audiofiles im Datenarchiv am Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen (ZVES) vor. Eine Vorauswahl geeigneter Vokalisationen erfolgte anhand einer audio-visuellen Auswertung ihrer Frequenzspektren. Vokalisationen (spontanes Weinen) mit klarer, ungestörter (noise-free) Melodie wurden mit Hilfe des Programms CDAP (pw-project©) bezüglich ihrer Intervallphänomene analysiert.
Es zeigte sich, dass in fast der Hälfte aller untersuchten Melodien Intervallstrukturen identifiziert werden konnten. Den Hauptanteil bildete die Gruppe der isolierten Einzelintervalle, gefolgt von der Gruppe der Vokalisationen mit zwei zusammenhängenden Intervallen in der Melodie. Beide machten knapp ¾ der Gesamtzahl aus. Intervalle wurden bezüglich ihrer Intervallrichtung (steigend bzw. fallend), der zeitlichen Längen einzelner Elemente sowie der mittleren Grundfrequenz der beiden Plateaus untersucht. Auffällig war der höhere Anteil fallender Intervalle gegenüber steigenden Intervallen. Dies wurde hypothetisch mit einer Tendenz zum deutschen fallenden Intonationsmuster interpretiert. Die zeitlichen Längen der fallenden Intervalle zeigten auch eine geringere Variabilität. Insgesamt ließ sich bezüglich der zeitlichen Längen einzelner Intervallelemente (vorderes/ hinteres Plateau, Übergang) eine erstaunliche Stabilität über den Untersuchungszeitraum feststellen. Die Konstanz der zeitlichen Größen stützt die Annahme, dass Intervallphänomene geeignete Risikomarker liefern könnten. Dazu sind entsprechende Vergleichsuntersuchungen in nachfolgenden Arbeiten notwendig.
Auch die Beobachtung des „Isochronie-Phänomens“ der vorderen und hinteren Plateaulängen stützt die sehr geringe Variabilität der Zeitgrößen, die der Intervallerzeugung zu Grunde liegen. Alle Phänomene traten unabhängig von der individuellen Tonlage der Säuglinge beim Weinen auf.
In hoher Übereinstimmung mit Vorarbeiten zu Intervallstrukturen bei Neugeborenen und Untersuchungen von Sprechmelodien und deren Wahrnehmung wurde ein enger Bereich um den musikalischen Halbton als präferiertes Intervall identifiziert. Auch zeigte sich eine stabile Verteilung der Intervalle mit einer Abnahme vom Halbton zu größeren Intervallen im gesamten Untersuchungszeitraum.
Um die Befunde besser erklären zu können, sind weitere Untersuchungen notwendig. Dabei wäre ein noch größerer Datensatz wünschenswert. Eine Betrachtung eines noch längeren Zeitraums würde klären, ob sich das Vorherrschen fallender Intervalle auch in Komfortvokalisationen (Babbeln) zeigt oder sich sogar noch deutlicher darstellt. Dies würde die Annahme eines Zusammenhangs mit der späteren Sprachintonation stützen.
Nicht berücksichtigt wurde in der Arbeit der Zusammenhang der Intervallbildung mit der Intensität. Da die Intervallperzeption intensitätsabhängig ist, wird die Einbeziehung dieser Größe in zukünftigen Untersuchungen vorgeschlagen. / When examining developmental aspects of language, utterances in early childhood are preferably characterized by analysing the different melodic aspects of the sound. An analysis of sounds produced by healthy normal babies was undertaken at the ZVES to establish references for possible measurement parameters. These could then be used to draw comparisons to children that are potentially at risk for language disorders. The present research paper aims to analyse interval structures within the cry melody, which might be suitable as a measurement parameter due to the stability of the interval characteristics.
The babies´ sounds were examined longitudinally over a time period of the first 16 weeks of life. These anonymised sounds already existed in the data archive of the ZVES. Vocalisations with a clear noise-free melody were analysed in CDAP (pw-project) regarding the interval phenomenons.
Interval structures could be found in nearly half of all melodies that were examined. The majority of interval structures were formed by the group of isolated single interval structures (~50%), followed by two connected intervals within a melody (~25%). The intervals were analysed in direction (rising / falling fundamental frequency), temporal aspects of the elements and the fundamental frequency of intervals´ plateaus. The prominent higher share of falling intervals towards the rising intervals was explained hypothetically by a predominant falling intonation in the German language. The temporal aspects overall - but especially regarding the falling interval structures – showed low variability. This applies to the interval plateaus as well as to the transitional section. The consistency supports the idea of interval phenomenons as being potential indicators of a risk for language disorders. Further comparative research is needed.
Concerning the levels of fundamental frequency within an interval, a preference for a range around a semitone was stated. This aligns with preliminary studies concerning the same topic. Furthermore, a tendency towards extending distances in fundamental frequency could be shown for the later weeks of the sample period.
Additional research is necessary for a proper explanation of the current results. The dataset should be larger. A longer sample period could help understanding the development of the falling intervals in the later upcoming babbling sounds. An examination also of the context of the intensity should be considered.
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Auftreten laryngealer Konstriktionsphänomene in verschiedenen Vokalisationstypen der ersten 7 Lebensmonate bei Säuglingen ohne Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten / The occurrence of laryngeal constriction phenomena in different types of vocalisation in the first 7 months of life in infants without cleft lip and palateYavarzadeh, Faraz January 2020 (has links) (PDF)
In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob laryngeale Konstriktionsphänomene regelhaft bei gesunden Säuglingen mit deutscher Umgebungssprache auftreten, ob es eine altersabhängige oder geschlechtsabhängige Entwicklung in der Auftrittshäufigkeit der Phänomene gibt und ob diese zusätzlich durch den Vokalisationstyp beeinflusst wird. Dazu wurden hier vier typische Vokalisationstypen im vorsprachlichen Alter definiert: spontanes Säuglingsweinen vor einer Mahlzeit in zwei Ausprägungsformen (Typ C und UC, letzterer als Typ weniger intensiven Säuglingsweinens) sowie Nichtschreivokalisationen in zwei Ausprägungsformen (UB: Übergangslaut zwischen UC und silbenartigem Vokalisieren (BB)).
In der vorliegenden Arbeit wurden solche Konstriktionsphänomene untersucht, die in der medizinischen Fachliteratur häufig mit pathologischen Zuständen der respiratorischen Regelung sowie Vokaltraktmalformationen bei Säuglingen mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten beschrieben werden. Es wurde hier untersucht, ob ähnliche Phänomene auch bei gesunden Säuglingen regelhaft auftreten.
Dazu wurde in einem kombinierten Längs- und Querschnittsdesign eine deskriptive Analyse von 20.406 Einzelvokalisationen von 20 Säuglingen in den ersten sieben Lebensmonaten vorgenommen. Die Vokalisationen lagen anonymisiert im Zentrum für vorsprachliche Entwicklung & Entwicklungsstörungen an der Poliklinik für Kieferorthopädie des Universitätsklinikums Würzburg vor. Es handelt sich um eine explorative, retrospektive Analyse.
Unter Verwendung von Frequenzspektren und Audiofiles wurden alle Einzelvokalisationen audio-visuell analysiert und drei Stufen mit unterschiedlicher Ausprägung der Konstriktionen einsortiert (Kategorie 1 – 3; Kategorie 0 = keine Konstriktionen in der Vokalisation). Die Kategoriendefinition wurde vom Autor der vorliegenden Arbeit in einer Voruntersuchung erarbeitet und durch weitere Kodierer getestet und als geeignet befunden.
Im Ergebnis der Arbeit konnte gezeigt werden, dass die hier untersuchten Konstriktionsphänomene regelhaft bei allen gesunden Säuglingen im Untersuchungszeitraum vorkommen. Die Auftrittshäufigkeit war dabei teilweise vom Geschlecht, vom Alter und vom Vokalisationstyp abhängig. Eine vergleichbare systematische Analyse lag bisher in der Literatur nicht vor. Die Ergebnisse werden aus physiologischer und linguistisch-phonetischer Perspektive interpretiert. Es konnte gezeigt werden, dass die im spontanen Weinen beobachteten Konstriktionsphänomene auch bei den Komfortvokalisationen (Nichtschreivokalisationen) vorkamen.
Dies stützt die Kontinuitätshypothese in der vorsprachlichen Entwicklung.
Die Arbeit hat auch widerlegt, dass alle Konstriktionsphänomene im Säuglingsweinen ein Pathologiemarker sind. Die Differenzierung zwischen physiologischen und pathologischen Konstriktionsphänomenen, die z.B. durch respiratorische Dysfunktion entstehen können (Stridor), ist eine Aufgabe für nachfolgende Arbeiten.
Für weiterführende Arbeiten mit dem Ziel der Anwendung von Stimmregisterphänomenen in der Vorsprachlichen Diagnostik sind methodisch erweiterte Ansätze bei gleichzeitig größerer Stichprobe erforderlich. / In the present study, it was examined whether laryngeal constriction phenomena occur regularly in healthy infants with German surroundings, whether there is an age-dependent or gender-dependent development in the frequency of occurrence of the phenomena and whether this is additionally influenced by the type of vocalization. In that case, four typical vocalization types in pre-speech age were defined: spontaneous infant crying before a meal in two forms (type C and UC, the latter as a type of less intensive infant crying) and non-screaming vocalizations in two forms (UB: transitional sound between UC and syllable-like vocalization (BB)) .
In the present study such constriction phenomena were examined, which are often described in the medical literature with pathological states of the respiratory regulation as well as vocal tract malformations in infants with cleft lip and palate. It was analyzed here whether similar phenomena also occur regularly in healthy infants.
For this purpose, a descriptive analysis of 20.406 individual vocalizations of 20 infants in the first seven months of life was carried out in a combined longitudinal and cross-sectional design. The vocalizations were anonymized in the Center for Pre-Speech Development & Developmental Disorders at the Orthodontic Department at the University Hospital of Würzburg. It is an exploratory, retrospective analysis.
Using frequency spectra and audio files, all individual vocalizations were analyzed audio-visually and three categories with different expressions of the constructions were defined (category 1 - 3; category 0 = no constrictions in the vocalization). The category definition was figured out by the author of the present dissertation in a preliminary investigation and tested by other coders and found to be suitable.
The results of the present study showed that the constriction phenomena examined here regularly occur in all healthy infants during the study period. The frequency of occurrence was partly dependent on gender, age and type of vocalization. A comparable systematic analysis has so far not been available in the literature. The results are interpreted from a physiological and linguistic-phonetic perspective. It could be demonstrated that the constriction phenomena observed in spontaneous crying also occurred in comfort vocalizations (non-screaming vocalizations). This supports the continuity hypothesis in pre-speech development.
The present study also contradicted that all constriction phenomena in infant crying are a pathology marker. The differentiation between physiological and pathological constriction phenomena, e.g. can result from respiratory dysfunction (stridor) is a task for subsequent study.
For further study with the aim of using voice register phenomena in pre-diagnostic diagnosis, methodologically expanded approaches with a larger sample are required.
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Quantitative und qualitative Analyse laryngealer Konstriktionsphänomene in vorsprachlichen Vokalisationen der Lebensmonate 1 bis 3 von Säuglingen mit angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten / Quantitative and qualitative analysis of laryngeal constriction phenomena in pre-speech vocalizations from months 1 to 3 of life of infants with congenital cleft lip and palateKlein [geb. Mack], Jasmin January 2024 (has links) (PDF)
In der vorliegenden Arbeit wurden erstmalig laryngeale Konstriktionen quantitativ und qualitativ in den frühesten Lautäußerungen von Säuglingen mit angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumen-Segelspalten (LKGS) in den ersten 3 Lebensmonaten im Längsschnitt untersucht. Als theoretische Grundlage diente Eslings Modell des Laryngealen Artikulators, wonach artikulatorische Entwicklungsvorgänge bereits in den ersten Lebensmonaten der Säuglinge mit der Erzeugung einer Vielzahl laryngealer Lautphänomene beginnen. Potenzielle Einflüsse auf diese präartikulatorischen Vorgänge durch den Ausprägungsgrad der Spaltbildung, das Lebensalter und die kieferorthopädische Frühbehandlung mit Gaumenplatte wurden mittels deskriptiver und interferenzstatistischer Verfahren analysiert.
Von einer sorgfältig ausgewählten Stichprobe, bestehend aus 27 Säuglingen, wurden mehr als 10.000, im Rahmen der interdisziplinären Spaltsprechstunde routinemäßig aufgezeichneten Einzelsignale, retrospektiv untersucht.
Das regelhafte Auftreten von laryngealen Konstriktionen konnte im Untersuchungszeitraum nachgewiesen werden und bestätigt, dass präartikulatorische Übungen primitiver Artikulationsmuster bei Säuglingen mit LKGS in gleicher Weise erfolgen wie bei Säuglingen ohne LKGS.
Die Bedeutung der propriozeptiven Rückkopplung für die Erzeugung von laryngealen Konstriktionen wurde herausgearbeitet und potenzielle marginale Einflüsse der Vokaltraktmalformation diskutiert. Es wird ein früher artikulatorischer Substitutionsmechanismus für die präartikulatorische Entwicklung der Säuglinge mit ausgeprägten Spaltbildungen postuliert.
Hinsichtlich der temporalen Eigenschaften laryngealer Konstriktionen bestätigte ein Vergleich mit Silbenlängen aus der Fachliteratur die Annahme, dass laryngeale Konstriktionen möglicherweise ein konstantes Element zur Rhythmisierung von Lauten im Sinne der artikulatorischen Silbenentwicklung sein könnten. / In the present study, laryngeal constrictions in the earliest vocalizations of infants with congenital cleft lip and palate (CLP) in the first 3 months of life were investigated quantitatively and qualitatively in a longitudinal section for the first time. Esling's model of the laryngeal articulator served as the theoretical basis, according to which articulatory developmental processes already begin in the first months of an infant's life with the production of a variety of laryngeal sound phenomena. Potential influences on these pre-articulatory processes by the degree of cleft formation, age and early orthodontic treatment with a palatal plate were analyzed using descriptive and inferential statistical methods.
From a carefully selected sample of 27 infants, more than 10,000 individual signals routinely recorded during interdisciplinary cleft consultations were retrospectively analyzed.
The regular occurrence of laryngeal constrictions was demonstrated during the study period and confirmed that pre-articulatory exercises of primitive articulation patterns occur in infants with CLP in the same way as in infants without CLP.
The importance of proprioceptive feedback for the generation of laryngeal constrictions was elaborated and potential marginal influences of vocal tract malformation were discussed. An early articulatory substitution mechanism for the prearticulatory development of infants with pronounced clefts is postulated.
With regard to the temporal properties of laryngeal constrictions, a comparison with syllable lengths from the specialist literature confirmed the assumption that laryngeal constrictions could possibly be a constant element for the rhythmization of sounds in terms of articulatory syllable development.
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Phonetic and phonological variability in the L1 and L2 of late bilinguals: The case of /r/ and /l/ / Phonetische und phonologische Variabilität in der L1 und L2 von späten Bilingualen: Der Fall von /r/ und /l/Himmel, Marie-Christin January 2021 (has links) (PDF)
A large body of research has shown that a late bilingual’s L1 and L2 phonetic categories influence each other, yielding deviations from monolingual norms in the phonetics of both languages. Existing models of L2 sound acquisition (e.g., the Speech Learning Model; Flege, 1995, 2007) predict unified phonetic spaces which accommodate both L1 and L2 sound categories. Such connections between an L1 and an L2 are believed to lead to persistent non-nativelikeness in the L2, but also to divergence from the monolingual norm in the L1, as shown in numerous studies (e.g., Bergmann et al., 2016). In this dissertation, I focus on the differences in the sound patterns of a bilingual’s languages which do not only emerge in the precise phonetic realizations of L1 sounds but also in language-specific distributional patterns that determine the realization of these sound categories in different phonetic contexts. Previous work in L1 attrition is limited to a small set of phonetic properties (especially VOT, e.g., Flege, 1987), variables beyond L2 transfer which are known to give rise to variable realizations have been neglected. Thus, little is known as to whether bilinguals’ realizations of an L1 sound category in different phonetic contexts (e.g., position within a syllable) are subject to change in L1 attrition, and whether such changes arise due to long-term exposure to different distributional patterns of an equivalent L2 category.
In this dissertation I address these gaps by exploring L1 attrition in the distributional and phonetic characteristics of liquids to shed light on the contribution of the L2 and the role of general phonetic and phonological variables to the processes that drive change in an L1. I investigate changes to phonetic properties and distributional patterns of rhoticity and /l/-allophony in the L1 of American-German late bilinguals, a language constellation which offers an instructive test case to investigate the causes of L1 attrition as well as the source from which changes due to L1 attrition emerge. Furthermore, changes to liquids can also shed light on the processes which drive sound change, gradience and variability due to various positional and phonetic factors (e.g., preceding vowel, syllable structure) in liquids across many native varieties of English. In particular, I explore the variable realization and distributional patterns of two sounds known to be subject to a considerable degree of gradience and variability, namely English /r/ and /l/, in American English-German late bilinguals.
To that end, I present the results of a production study of 12 L2-dominant American English-German late bilinguals as well as a monolingual control group for each language. The speakers performed a variety of production tasks which were aimed to elicit the realization of (non)-rhoticity and /l/-(non-)allophony in both languages of the late bilinguals, English and German which were analyzed auditorily (/r/ only) and acoustically (/r/ and /l/). Although L1 attrition of rhotics and laterals has been investigated previously (e.g., de Leeuw, 2008; Ulbrich & Ordin, 2014), the effect of contextual variables on L1 attrition and whether such variables also shape L1 attrition remains unexplored.
The results of the auditory analyses of postvocalic /r/ revealed that the late bilinguals showed non-convergence with monolingual (non-)rhoticity in both of their languages by vocalizing postvocalic /r/ more frequently in their L1 (English) and failing to entirely suppress rhoticity in their L2 (German) leading up to a higher degree of rhoticity in their L2. While the loss of rhoticity in the bilingual’s English was distributed along a spectrum of contextual constraints (e.g., type of pre-rhotic vowel and morpho-phonological environment) known to affect rhoticity in other English varieties, the non-targetlike productions of non-rhoticity (i.e., non-vocalized postvocalic /r/) in their L2, German, were not sensitive to the same contextual constraints. The acoustic analyses of the bilinguals’ rhotic productions in English and German differed from the monolinguals in the acoustic correlates of rhoticity in pre-rhotic vowels where they showed reduced anticipatory F3-lowering (i.e., less /r/-colored vowels).
I take my results to indicate that the bilinguals operate in two separate phonological grammars which approximate the respective L1 norm but show an increase of variability along constraints already present in each grammar. In contrast, the bilinguals’ phonetic system seem shared between the two grammars. This leads to persistent L1-L2-interactions as the two grammars operate within the same phonetic space. Thus, the changes in L1 attrition are induced but not governed by the L2: Change to the L1 reflects constraints underlying the L1 as well as more general laws of phonetics and universal trajectories of language change.
The lateral results revealed that just like in postvocalic /r/, the bilinguals showed non-convergence with the monolingual norm regarding the velarization of coda /l/ in both their languages. The changes to English laterals were sensitive to their positional context and more substantial for word-initial laterals than word-final laterals. Similarly, their German laterals were non-convergent with the monolinguals in two ways. Firstly, the bilinguals differed with regard to the acoustic specifications of their laterals, and secondly, the bilinguals failed to suppress the lateral allophony from their L1, leading to a non-targetlike allophonic pattern in their L2 laterals.
I interpret the lateral results to lack evidence that the L1 allophonic rule was affected by the presence of an L2; nevertheless, L1 change emerged in the phonetic specifications of laterals. Furthermore, the bilinguals did not establish a nativelike allophonic pattern in their L2, leading to non-convergence in the allophonic distribution as well as the phonetic realization of German laterals.
In this way, this dissertation provides evidence for L1 attrition in the distributional and the phonetic properties of liquids in the L1 of late bilinguals. In particular, the study presented in this dissertation provides evidence that L1 attrition is induced by the presence of a similar sound pattern in the L2. The pathway of attrition follows constraints not only underlyingly present in the L1 but also part of the universal laws of phonetics known to shape sound change. To explain these results, I draw from existing constraint grammars in phonological theory (such as Optimality Theory and Harmonic Grammar) to develop my Dynamic Constraints approach which allows the effects of external variables (e.g., L2 acquisition and its effect on the mind), and internal variables such as an increased likelihood of variability due to articulatory differences can be modeled using scaling factors which can interact with each other, the noise within the grammars, and the constraint weight itself. In this way, the model links previous findings on L1 attrition and its connections to diachronic and synchronic variability, offering insights into the links between the individual languages in a bilingual’s mind. / Bis heute hat eine Vielzahl von Studien zum Spracherwerb im Erwachsenenalter gezeigt, dass sich die phonetischen Merkmale der Muttersprache (L1) und Zweitsprache (L2) gegenseitig beeinflussen. Durch den Einfluss der L1 auf die Lautbildung in der L2 weichen insbesondere späte L2-Lerner von der L1 Norm ab. Modelle zum Erwerb von Lautmerkmalen in einer Zweitsprache wie zum Beispiel das Speech Learning Model (SLM) von Flege (2007) erklären den starken Einfluss der L1 im Spracherwerb im Erwachsenenalter anhand einer Eingliederung des Lautsystems der L2 in den bereits bestehenden phonetischen Raum der L1. Die dadurch entstandene Verknüpfung zwischen der L1 und der L2 führten nicht nur zum Einfluss der L1 auf die L2, sondern wie durch das SLM vorgesagt und durch neuere Studien gezeigt (z.B. DeLeeuw, Mennen & Scobbie, 2004; Chang, 2012), auch zu Veränderungen der L1 Lautkategorien. Diese nähern sich hierbei an die Ziellaute der L2 an, ein Prozess der als Spracherosion bezeichnet wird.
Über das genaue Fortschreiten und die Gesetzmäßigkeiten des Einflusses der L2 auf die L1 ist jedoch wenig bekannt. In der bisherigen Forschung wurden Veränderungen in der L1 durch Transfer von der L2 in die L1 erklärt; jedoch zeigt sich bei genauerer Betrachtung vorheriger Ergebnisse, dass die L2 allein nicht ausreicht, um die beobachteten Veränderungen vollständig zu erklären.
In meiner Dissertation befasse ich mich mit Prozessen der Spracherosion, welche sich nicht nur in den konkreten phonetischen Realisierungen von Lauten der L1 später bilingualer Sprecher äußern, sondern auch in den Verteilungsmustern von konkreten positionsspezifischen Lautvarianten. Die Forschung zur Spracherosion in der L1 beschränkte sich bislang auf eine kleine Anzahl von phonetischen Merkmalen, insbesondere VOT (z.B. Flege, 1987), und erklärte Veränderungen vollständig über die Merkmaleigenschaften der L2. Im Gegensatz hierzu ist der Beitrag anderer Faktoren jenseits des L2-Transfers zur Spracherosion weitestgehend unerforscht. Daher ist aktuell wenig bekannt, ob zweisprachige Realisierungen einer L1-Lautkategorie in verschiedenen phonetischen Kontexten (z. B. Position innerhalb einer Silbe) ebenfalls von Erosionserscheinungen betroffen sein können. Ebenfalls ist der Grund für solche Veränderungen unbekannt.
In meiner Dissertation schließe ich diese Lücke, indem ich untersuche, wie Veränderungsprozesse der Spracherosion in den Verteilungs- und phonetischen Merkmalen wirken. Zu diesem Zweck untersuche ich Veränderungen phonetischer Merkmale sowie der Verteilungsmuster von L1-Rhotizität und /l/-Allophonen bei späten Amerikanisch-Deutschen Bilingualen.
Zu diesem Zweck präsentiere ich mein Ergebnis einer Produktionsstudie von zwölf L2-dominanten Amerikanisch-Deutsch-Spätsprachlern sowie einer einsprachigen Kontrollgruppe zur jeweiligen Sprache. Die Proband*innen führten eine Vielzahl von Produktionsaufgaben, die darauf abzielten, die (Nicht-) Rhotizität und /l/-Allophonie in beiden Sprachen (Englisch und Deutsch) zu evaluieren. Diese habe ich in dieser Arbeit auditiv analysiert (nur /r/) und akustisch (/r/ und /l/) ausgewertet. Obwohl der Verlust von Rhotischen und Lateralen in der L1 bereits untersucht wurde (z. B. de Leeuw, 2008; Ulbrich & Ordin, 2014), blieb der Effekt von linguistischen und nicht-linguistischen Variablen auf den Erstsprachverlust bisher unerforscht.
Das Ergebnis der auditorischen Analyse von postvokalischen /r/ zeigt, dass die späten Bilingualen von monolingualen Sprechern beider Sprachen abweichen. Im Englischen realisierten die Bilingualen das postvokalische /r/ häufiger in der L2-ähnlichen (vokalisierten) Variante und zeigten Reste von konsonantischen Realisierungen in der eigentlich nicht-rhotischen L2. Während der Verlust der Rhotizität in der L1 der Bilingualen (Englisch) von kontextuellen Beschränkungen (z. B. Art des vorrhotischen Vokals und der morphophonologischen Struktur der Silbe) geprägt war und differentielle Verteilungen über die Kontexte hinweg zeigte, waren die Bilingualen in ihrer L2 (Deutsch) nicht empfänglich für kontextuelle Variation, wie es auch in monolingualen Sprechern des Deutschen erwartet wird. Die akustischen Analysen zeigen, dass rhotische Produktionen der zweisprachigen Sprecher im Englischen und Deutschen sich deutlich von denen der monolingualen Kontrollgruppen unterscheiden: Hier wichen die späten Bilingualen vor allem in der Produktion antizipatorischer Rhotizität ab und produzierten die vorrhotischen Vokale mit weniger rhotischer Färbung.
Ich interpretiere meine Ergebnisse als Beleg, dass die bilingualen Sprecher in zwei getrennten phonologischen Grammatiken für ihre Sprache arbeiten, die jeweils der L1-Norm entsprechen, jedoch einen höheren Grad an Variabilität zeigen. Diese Variabilität entsteht jedoch nicht durch sprachübergreifenden Transfer, sondern ist beeinflusst von den grammatischen Gegebenheiten der L1. Die phonetische Analyse zeigte im Gegensatz dazu, dass die bilingualen in einem einzigen phonetischen Raum agieren, welchen sich beide Sprachen teilen und wodurch phonetische Wechselwirkungen zwischen beiden Sprachen entstehen. Somit werden die Veränderungen im Zuge der Spracherosion von der L2 induziert, aber nicht von ihr gesteuert. Die Änderungen der L1 zeigt Sprachveränderungen auf, denen die Grammatik der L1 zugrunde liegt, und sind weiterhin geprägt von allgemeinen Gesetzen der Phonetik und des Sprachwandels.
Die Ergebnisse der Lateral-Analyse zeigen, dass genau wie in postvokalischen /r/ die zweisprachigen Sprecher nicht mit monolingualen Sprechern konvergent sind. Besonders in Bezug auf die Velarisierung von wortfinalen /l/ in beiden Sprachen unterscheidet sich die bilinguale Gruppe deutlich von Monolingualen. Die festgestellten Änderungen unterlagen hier positionsbedingten Beschränkungen und waren im wortinitialen /l/ deutlich stärker ausgeprägt als im wortfinalen /l/. Weiterhin zeigten die Bilingualen eine stark ausgeprägte Allophonie in beiden Sprachen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen zu Lateralen liefern jedoch keinen Beleg für einen gleichmäßigen Erosionsprozess, und waren stattdessen stark geprägt von der L1 sowie von universellen Gesetzmäßigkeiten der Lautbildung. Insofern zeigt meine Dissertation, dass Spracherosion nicht einheitlich auf einen Sprecher wirkt, sondern dass Spracherosion einem historischen Prozess des Lautwandels ähnelt, welcher universellen phonetischen und phonologischen Gesetzen folgt.
Die Ergebnisse meiner Studie erkläre ich mithilfe von phonologischen Constraint-Grammatiken (insbesondere Optimality Theory und Harmonic Grammar), den ich Dynamic Constraints nenne. In diesem Ansatz modifiziere ich einen Algorhithmus, wodurch linguistische und nicht-linguistische Faktoren das Gewicht von Constraints und die zufällige Streuung von Gewichten beeinflussen können. Hierdurch ergibt sich die Möglichkeit, mit Dynamic Constraints bisherige Forschungsergebnisse im Bereich der Psycholinguistik mit Kenntnissen aus der historischen und sozialen Sprachforschung zu verbinden und einen Einblick in die Sprachsysteme von Bilingualen zu gewinnen.
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Ebira English in Nigerian Supersystems: Inventory and VariationIsiaka, Adeiza Lasisi 23 May 2017 (has links)
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Ebíra English in Nigerian Supersystems: Inventory and Variation“ befasst sich mit einer kleinen Varietät des Nigerianischen Englisch, die für eine Untersuchung aus zwei Gründen besonders geeignet erscheint: Einerseits bin ich selbst Mitglied dieser Volksgruppe, was mir einen besonderen Zugang zu guten, aktuellen und vor allem natürlichen Sprachdaten ermöglicht. Diese sind für eine soziophonetische Untersuchung mit den Konzepten und modernen Methoden der Variationslinguistik von besonderer Bedeutung. Andererseits ist die vorliegende Arbeit keine weitere Studie über die großen Systeme des nigerianischen Englisch oder über die beiden größten und bereits relativ gut untersuchten Systeme des Yoruba-Englisch im Südwesten des Landes oder des Hausa-Englisch im Norden, sondern über eine relative kleine Gruppe dazwischen, die historisch zunächst von den Yoruba und später immer mehr von den Hausa-Sprechern beeinflusst wurde und nach wie vor beeinflusst ist. Diese empirische soziophonetische Studie stellt zwei Forschungsfragen:
FF1) Welches Vokalinventar besitzt Ebíra Englisch? Diese Frage ergibt sich aus den widersprüchlichen Ergebnissen vorheriger Untersuchungen (zu Nigerianischen, Yoruba- bzw. Hausa-Englisch) und soll hier erstmals in einer Analyse von digitalen Aufnahmen von 28 jüngeren und älteren Männern und Frauen (16 bzw. 12) aus den Jahren 2014-2016 untersucht werden. Diese Aufnahmen wurden im Rahmen von soziolinguistischen Interviews gemacht, die die bekannten Sprachstile (nach Labov) umfassen: Wortliste, Lesepassage (die bewährte Kurzgeschichte The Boy who Cried Wolf mit jeweils 90 vorkommenden englischen Vokalen) und Konversation. Diese Frage ist auch vor dem Hintergrund des Einflusses der beiden nahen Hauptvarietäten Yoruba- und Hausa-Englisch interessant (FF1b). Auf der Grundlage von fast 15.000 extrahierten Vokalen erfolgte jeweils nach der sorgfältigen Aussortierung unbrauchbarer oder unvollständiger Daten eine quantitative Untersuchung mit Hilfe des Analyseinstruments PRAAT, mit dem sich die Vokalqualität in Form von Formanten messen und darstellen lässt. Die Untersuchung umfasste die bekannten Monophthongkontraste (nach Wells` lexical sets) FLEECE & KIT, FOOT & GOOSE (+ USE ), LOT & THOUGHT & STRUT , TRAP & BATH & lettER , sowie NURSE , und die relativen Diphthonge FACE , GOAT und CURE.
FF2) Welche sprachlichen und sozialen Variablen können die Variation dieses Ebíra Englisch Vokalsystems erklären? Neben den bekannten sozialen Variablen Alter (bzw. Altersgruppe), Geschlecht, Mehrsprachigkeit und Bildung wurden v.a. die sprachlichen Variablen Vokaldauer, phonetische Umgebung der Vokale und Sprachstil untersucht. Interessanterweise war für eine so detaillierte Analyse der Variation die zunächst recht groß wirkende Anzahl der extrahierten Vokale nicht in jedem Fall groß genug oder nicht gut genug verteilt.
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