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Carl Czerny, Fantasie als Potpourri: Eine GattungsanalyseVidic, Roberta 27 October 2023 (has links)
Carl Czernys Anleitung zum Fantasieren (1829) stellt eine nahezu einzigartige Improvisationslehre mit kommentierten Beispielen dar, die eine Systematik für die Gattungen der Salonfantasie einführt sowie ein analytisches Instrumentarium für Repertoire des frühen 19. Jahrhunderts bereitstellt. Das Lehrwerk bedarf allerdings einer sorgfältigen Kontextualisierung, zunächst in Abgrenzung zur grundlegenden Definition der Freien Fantasie durch Carl Philipp Emanuel Bach (1762). Im sechsten Kapitel beschreibt Czerny die Gattung Potpourri und gibt davon ein Beispiel, das den Titel Fantasie als Potpourri trägt und aufgrund der Themenauswahl mit der zuvor gegebenen Definition teilweise im Widerspruch steht. In diesem Beitrag wird nach einem etymologischen Abriss über die Freie Fantasie zwischen C. Ph. E. Bach und der Zeit Czernys zunächst ein kurzer Vergleich zwischen Czernys Systematik und Ferdinand Gotthelf Hands späteren Angaben über die Fantasie im zweiten Band der Ästhetik der Tonkunst (1841) angestellt. Czernys Angaben zum Potpourri im Fließtext und Beispielkommentar werden schließlich durch einige analytische Beobachtungen ergänzt, anhand verschiedener historischer Quellen diskutiert und im Kontext der modernen Quellenkritik betrachtet. Die Untersuchung lässt eine Kehrtwende im Verständnis von Freier Fantasie in ästhetischer, satztechnischer und formaler Hinsicht erkennen, die bisherige Forschungsergebnisse ergänzt. Czernys Systematik der Fantasie erweist sich generell in inhaltlicher und terminologischer Hinsicht als konsistent. Zugleich bildet das Lehrwerk nur ein Moment der fluktuierenden Begriffsgeschichte ab. Es dokumentiert den Wandel von einer unverwechselbaren zu einer reproduzierbaren Formplanung der Fantasie und zeigt mit der Fantasie als Potpourri die Möglichkeit eines Potpourris für den Bildungsbürger. / Carl Czerny’s Anleitung zum Fantasieren (1829) represents an almost unique treatise on the theory of musical improvisation with annotated examples, introducing a system for the genres of salon fantasy and providing analytical tools for early nineteenth-century repertoire. However, the textbook requires a careful contextualization – first in contrast to the basic definition of free fantasy given by Carl Philipp Emanuel Bach (1762). In Chapter 6, Czerny describes the genre potpourri supported by an example which carries the title Fantasie als Potpourri; due to the selection of thematic material this example is partly inconsistent with the previous definition. After an etymological outline of free fantasy between C. Ph. E. Bach and Czerny’s time, this article offers a short comparison of Czerny’s systematics with Ferdinand Gotthelf Hand’s later concept of fantasy in the second volume of Ästhetik der Tonkunst (1841). Czerny’s general discussion of the potpourri and his commentary on the music example are supplemented by analytical observations, discussed on the basis of various historical sources, and considered in the context of modern source criticism. The study reveals a reversal in the aesthetic, compositional, and formal understanding of the free fantasy, complementing previous research results. Czerny’s system of fantasy genres generally proves to be consistent in terms of content and terminology. At the same time, the textbook describes only a moment in the fluctuating history of the fantasy. It documents the shift from a distinctive to a reproducible planning of musical form with the Fantasie als Potpourri offering the educated middle class a possibility of improvising a potpourri.
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