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Gebrauch von gehen und kommen im Kontext: diathetische und deiktische Alternanz nach textthematischer, multimodaler und stilistischer VariationTapia Yepes, Eduard 02 March 2012 (has links)
Zusammenfassung
Der Forschungsgegenstand der Dissertation ist die multidimensionale Variation bei den
unakkusativischen Bewegungsverben gehen und kommen im Gebrauch. Diese Variation erfolgt nämlich auf struktureller Ebene durch das Phänomen der Diathesenbildung und auf interaktionellfunktionaler Ebene durch die verbal und/oder gestisch realisierte Person- und/oder Lokaldeixis. Ziel der Studie ist die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der strukturellen und interaktionellen Variation bei gehen und kommen und dem jeweiligen Produktionskontext, der seinerseits einen entscheidenden Einfluss auf die kognitiven Prozesse des Sprechers ausübt. In diesem Sinne wird die jeweilige Wahl eines kommunikativen Mittels gegenüber einem anderen zu einer subjektiven Perspektive. Der Produktionskontext betrifft hier zwei Aspekte: die jeweils verwendete thematische Entfaltung (ergebnis- und erlebnisbezogenen Narrationen, objekt- und ereignisbezogenen Deskriptionen sowie Argumentationen) einerseits und den stilistisch-individuellen Faktor.
Die Daten stammen aus einem Korpus gesprochener Sprache mit Produktionen auf Deutsch als Muttersprache und im audiovisuellen Format, was seinerseits die Behandlung der Multimodalität in dieser Studie zur Variation je nach Kontext ermöglicht. Die Sprachproduktionen wurden transliteriert und anschließend lemmatisiert, um die Repräsentativität der analysierten gehen- und kommen-Prädikate zu gewährleisten.
Bei der Ermittlung von diathetischer (i. S. v. struktureller) und deiktischer (i. S. v. interaktioneller) Alternanz betrifft die methodologische Strategie jeweils zwei Analysen. Der Ermittlung von diathetischer Alternanz liegt eine syntaktisch-semantische Analyse einerseits zugrunde. Dabei warden der Satzbauplan jedes Prädikats, die semantische Rolle jeder Ergänzung und die entsprechende Prädikatsklasse (Handlungen, Aktivitäten, Zustände und Vorgänge) bestimmt. Anhand von dieser Information ist es möglich, die Diathesen von gehen und kommen durch die semantisch dynamischen Prädikate ohne eine Agens-Rolle an der Subjekt-Stelle zu lokalisieren (Ein- und Ausschaltung der Agens-Rolle im Satzbauplan von gehen und kommen als Indikator für strukturelle Variation). Die Ermittlung von deiktischer Alternanz setzt andererseits eine Origo-Analyse zur Bestimmung von Person- und/oder Lokaldeixis bei denselben realisierten Prädikaten voraus. Das audiovisuelle Format der analysierten Daten ermöglicht darüber hinaus das Lokalisieren von nicht nur verbal, sondern auch von gestisch realisierter Person- und/oder Lokaldeixis. Durch eine solche Origo-Analyse lokalisiert man die deiktisch realisierten Prädikate, bei denen die Sprecher- oder die Hörer-Figur vom Produktionskontext referentiell als räumlicher Referenzpunkt (Origo als ‚ich-hier’) am Prädikat teilnehmen. Das referentielle (Nicht-)Vorkommen des Sprechers oder des Hörers bei einem realisierten Bewegungsprädikat stellt den Indikator zur interaktionellen Variation dar. Durch die Kombination der ermittelten strukturellen und interaktionellen Variation mit dem Produktionskontext, d. h. mit dem textthematischen und dem stilistisch-individuellen Faktor kann man beobachten, dass der stilistisch-individuelle Faktor diathetische und deiktische Variation bei allen Probanden begünstigt. Die Betrachtung derselben Daten nach dem textthematischen Faktor zeigt dagegen eine Tendenz zur Perspektivenkonsistenz bzgl. der diathetischen und der deiktischen Alternanz bei jeder thematischen Entfaltung. Darüber hinaus begünstigt der Faktor der thematischen Entfaltung sehr exklusive Distributionen in Bezug auf die beobachteten Analyseeinheiten, d. h. Satzbauplan, semantische Rollen, Prädikatsklasse, Deixisdimension sowie die mediale Kodierung der Deixis. Dementsprechend kommen bspw. die diathetischen Varianten von gehen und kommen
ausschließlich bei den deskriptiven Texten vor, während diese unter Betrachtung des stilistischindividuellen Faktors bei allen Probanden dokumentiert werden. Der Faktor der thematischen Entfaltung ist somit restriktiver bzgl. des Vorkommens von Variation als der individuelle Faktor, der direkt an die kognitiven Prozesse des jeweiligen Sprechers, d. h. an die Sprechersubjektivität gebunden ist, was mit dem Vorkommen von variierenden Strukturen in mehreren Fällen in Verbindung zu stehen scheint.
Diese Beobachtungen lassen darauf schließen, dass nicht alle Faktoren des Produktionskontextes in gleichem Maße zur Variation beitragen. Die hohe Anzahl an deiktisch realisierten Prädikaten deutet nicht nur darauf hin, dass die interaktionelle Variation sehr beschränkt ist. Vielmehr spricht dies dafür, dass die analysierten Bewegungsprädikate aus einer vorwiegend intrinsischen Perspektive realisiert wurden. Der hohe Deixisgebrauch ist auch in allen thematischen Entfaltun en zu dokumentieren,
sogar auch in den ergebnisbezogenen Narrationen (i. S. v. Erörterungen) und den objektbezogenen Deskriptionen, die theoretisch eine eher extrinsische Perspektive begünstigen sollten. / The present investigation focuses on structural and multimodal-interactional variation in use of the German dynamic verbs “gehen” and “kommen”. In this regard, production context plays an important role, since it interacts with the speaker’s cognitive processes. Thus, the choice of a concrete communicative variant leads in each case to a subjective perspective.
The main goal of this study is to look for interrelations between respectively diathetical (structural) and deictic (multimodal-interactional) variation and the production context, represented in this study by thematic development and the stilistic-individual factor. The study data were extracted from an oral language corpus of audiovisual records. It consists of 35 productions and 7 speakers (5 productions per speaker). Each of these 5 productions corresponds to a thematic development (objective and subjective narrations, procedural and object oriented descriptions and argumentations). All records were transcribed and lemmatised to ensure sufficient representativeness of each dynamic predicate in all thematic developments (157 realizations for “gehen” and 121 realizations for “kommen”).
In order to pursue the research goal, a methodological strategy based on a two-level analysis was developed. On the one hand, the structural analysis involves recognizing and classifying units of analysis, such as sentence structure (“Satzbauplan”) of each predicate, semantic role of each complement subcategorized by the verb (“Ergänzung”), and predicate class (actions, activities, processes, and states), which leads to exploration of the syntactic-semantic predicate relations. This allows distinction between prototypical use of “gehen” and “kommen” (dynamic actions/activities with explicit agent as grammatical subject) and their non prototypical diathetical variants (dynamic actions with non agentive subject, and blocked yet implicit agent). On the other hand, the multimodalinteractional analysis focuses on the referential capacity of the same gehen and kommen predicates. It involves the verbal and/or gestural identification of the origin or reference point (‘me-here’) in such a predicate with the speaker or hearer as entities of the production context of each used predicate. This eventual identification forms the basis for the distinction between deictic or not deictic dynamic predicates.
The combination of studied diathetical and deictic variation with the aspect of thematic development and the stilictic-individual factor shows that the textual context aspect tends to perspective consistancy. This consistancy regarding structural and multimodal-interactional variation is observed in all thematic developments, which neutralizes the distinction between objective and subjective narrations on the one hand, and procedural and object oriented descriptions on the other hand. The textual aspect also favours a very restrictive distribution of the observed units of analysis. Thus, diathetical predicates are only observed in descriptions. In contrast to this, the stilictic individual factor, which is tightly bound to the cognitive processes of the same speaker, is not so restrictive and favours therefore the occurrence of variation in more cases. This finding allows to conclude that not all production context aspects contribute to variation occurrence to the same extent.
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